Langes Warten auf den Rettungswagen. Eine Klinik vor Ort, die Miese macht und geschlossen wird. Der Kampf einer Bürgerinitiative aus der Eifel für eine bessere medizinische Versorgung steht stellvertretend für viele in Rheinland-Pfalz.
Rund 3.000 Menschen leben in Adenau im Kreis Ahrweiler. Einer von ihnen ist Willy Thiesen. Er engagiert sich zusammen mit seiner Frau Daniela und gut 60 anderen dafür, dass sich die medizinische Versorgung in ihrer Region verbessert. Deswegen haben sie sich zur Bürgerinitiative (BI) Gesundheitsversorgung Adenauer Land zusammengetan.
Schlechte medizinische Versorgung in der Eifel?
Die BI war schon mehrmals im Gesundheitsministerium in Mainz, erzählt Thiesen. Erst im Dezember haben die Mitglieder in Adenau eine Mahnwache abgehalten. "Wir sind keine Krakeeler", betont Thiesen. Tatsächlich klingt er am Telefon wie ein besonnener Mann. Aber er findet deutliche Worte, was seiner Meinung nach in der Eifel gerade schiefläuft.
Rückblick: Vor sieben Jahren hatte Willy Thiesen einen Herzstillstand. "Innerhalb von sechs Minuten war ein Notarzt hier, ich wurde schnell ins Krankenhaus gebracht, es hat alles funktioniert." Damals habe er Glück gehabt, sagt Thiesen. Und ergänzt: "Heute würde ich nicht überleben."
Ende März Aus für Klinik in Adenau
Sein Vorwurf wiegt schwer: "Hier sterben Menschen, weil kein Krankenwagen kommt." Es sei in den vergangenen Jahren viel schwieriger geworden, die Notrufnummer zu erreichen. Immer wieder berichteten ihm Menschen von medizinischen Notfällen und davon, dass die Nummer permanent besetzt sei oder dass sie aus der Warteschleife flögen. Viele kritisieren auch, dass ein Rettungswagen mindestens eine halbe Stunde Anfahrt bräuchte.
Hinzu komme, dass seit Ende vergangenen Jahres feststehe, dass die einzige Klinik in Adenau, das St. Josef-Krankenhaus, Ende März dicht gemacht wird. Die nächsten Krankenhäuser sind laut Thiesen in Daun, Neuenahr und Wittlich - keines sei unter 40 Minuten Fahrzeit zu erreichen. "Die Lage ist sehr sehr ernst", kritisiert Thiesen.
Überall in Rheinland-Pfalz sterben Kliniken
Das Beispiel Adenau ist nur eines von vielen im Land. So haben nach Angaben des Gesundheitsministeriums seit 2020 fünf Krankenhäuser in Rheinland-Pfalz dicht gemacht: Nassau, Ingelheim, Bendorf, St. Goar und Oberwesel. Als nächstes soll neben Adenau ebenfalls Ende März die Klinik in Bad Ems geschlossen werden.
Diese Kliniken werden vielleicht nicht die einzigen bleiben: Viele im Land kämpfen ums nackte Überleben. Laut einer Umfrage der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz werden etwa 65 Prozent das Jahr 2022 mit einem Minus abschließen. Deutschlandweit sieht es nicht besser aus: Die Deutsche Krankenhausgesellschaft erwartet eine regelrechte Pleitewelle bei Kliniken.
Zwei Drittel der Betreiber rechnen mit roten Zahlen Kliniksterben in Rheinland-Pfalz: Diesen Krankenhäusern droht das Aus
In der Corona-Krise waren Krankenhäuser für viele die Lebensretter. Jetzt droht einigen Kliniken das Aus - auch in Rheinland-Pfalz.
Krankenhausgesellschaft: mehr Geld für Kliniken
Trotzdem sagt die Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz: "Wir gehen mit dem Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit davon aus, dass die Krankenhausversorgung in Rheinland-Pfalz nach wie vor flächendeckend sichergestellt ist." Fragt sich: Wie lange noch?
Schon im Frühjahr kommen möglicherweise wieder neue Tarifabschlüsse auf die Betreiber der Kliniken zu, die die Kosten in die Höhe treiben. Hohe Inflation und Energiepreise tragen ebenfalls dazu bei, dass sich die finanzielle Lage der Krankenhäuser im Land verschärft.
Die Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz sieht lediglich eine Lösung, betont ihr Geschäftsführer Andreas Wermter: "Die aktuellen wirtschaftlichen Probleme können kurzfristig nur durch eine bessere finanzielle Ausstattung gelöst werden." Nur so könne der befürchtete "kalte Strukturwandel", also die unkontrollierte Schließung von Kliniken, verhindert werden.
Ist medizinisches Versorgungszentrum in Adenau die Lösung?
Zurück nach Adenau: Thiesen und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter fordern erst gar nicht, dass das St. Josef-Krankenhaus in ihrer Stadt erhalten bleibt. "Vergebene Liebesmüh", winkt er ab. Stattdessen pocht Thiesen grundsätzlich auf eine angemessene medizinische Grund- und Regelversorgung, "wie es uns laut Gesetz zusteht."
Wie die aussieht? Ein regionales Netzwerk für die medizinische Versorgung soll es sein, bestehend aus Arztpraxen und Krankenhäusern. Denkbar ist laut Thiesen ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in Adenau, das rund um die Uhr besetzt ist und ambulante Behandlungen garantiert.
Sonst drohe, dass die Menschen auf dem Land in der medizinischen Versorgung von der zweiten in die dritte Klasse abrutschten. Das will die Bürgerinitiative verhindern.
Sie setzt Hoffnung in ein Gespräch mit der Landrätin Cornelia Weigand (parteilos). Es soll im Februar stattfinden. Zu spät, um die Schließung der Klinik abzuwenden. Aber vielleicht noch rechtzeitig, um die Weichen zu stellen, dass es künftig eine bessere medizinische Versorgung in Adenau gibt.