Eine Person raucht einen Joint

Legalisierung von Cannabis in RLP

"Der Cannabis-Konsum wird steigen"

Stand
Autor/in
Maren Müller
Onlinefassung
Sibille Lozano
Bild von Sibille Lozano, Redakteurin bei SWR Aktuell in Rheinland-Pfalz

Die Pläne für die Legalisierung von Cannabis liegen auf dem Tisch - und prompt gibt es Kritik daran. Zum Teil auch von der rheinland-pfälzischen Landesstelle für Suchtfragen.

Geht es nach der Ampel-Koalition in Berlin, soll Cannabis schrittweise legalisiert werden. Der Verkauf durch lizenzierte Fachgeschäfte ist demnach vorerst nicht möglich, beziehungsweise nur in ausgewählten Modellregionen. Anette Schilling, Sprecherin der Landesstelle für Suchtfragen in Rheinland-Pfalz, sieht die Pläne teils kritisch.

SWR Aktuell: Frau Schilling, befürchten Sie, dass der Schwarzmarkt bei dieser Umsetzung der Legalisierung weiter groß und aktiv bleibt?

Anette Schilling: Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten und einzuschätzen. Wir vermuten, dass der Schwarzmarkt zunächst groß und aktiv bleiben wird, aber durch die geplanten Legalisierungsmaßnahmen wie den Verkauf durch lizenzierte Fachgeschäfte wahrscheinlich langfristig eingeschränkt wird. Völlig verschwinden wird er wahrscheinlich nie.

SWR Aktuell: Würden Sie den Verkauf von Cannabis durch lizenzierte Fachgeschäfte befürworten?

Schilling: Als Landesstelle für Suchtfragen Rheinland-Pfalz schließen wir uns den Forderungen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen an. Die Hauptstelle hat bei der ganzen Cannabis-Legalisierungsdebatte immer die Abgabe durch staatlich lizenzierte Fachgeschäfte gefordert. Diese müssen einer Genehmigungs- und Erlaubnispflicht unterliegen. Dazu gehört auch die Kontrolle über Verkaufsstellendichte und Abstände zu Schulen und Jugendfreizeiteinrichtungen. Bei Verstößen gegen das Jugendschutzgesetz sollte die Lizenz entzogen werden.

SWR Aktuell: Wie schätzen Sie den Aufklärungsbedarf ein, wenn Menschen Cannabis zwar legal konsumieren, aber nicht in lizenzierten Fachgeschäften aufgeklärt werden können?

Schilling: Insgesamt plädieren wir als Landesstelle für Suchtfragen Rheinland-Pfalz für eine frühzeitige Präventionsarbeit. Der Allgemeinbevölkerung muss man die richtungsweisende Botschaft vermitteln, dass man auf Cannabis am besten verzichtet. Die Beratungsarbeit der Suchthilfe in Rheinland-Pfalz hat den Anspruch, Abstinenz zu fördern, Konsummotive herauszuarbeiten, Menschen möglichst spät mit dem Konsum beginnen zu lassen und den Rausch möglichst nur dann zuzulassen, wenn er keine weiteren Risiken birgt. "Safer Use" nennt sich dieses Konzept in der Suchtprävention, also eine Beratung zum risikoarmen Gebrauch der Droge.

Wichtige Eckpunkte, die man nicht aufweichen darf, sind ein konsequenter Jugendschutz bei der Abgabe von Cannabis, die staatliche Kontrolle des Marktes vom Anbau bis zum Verkauf sowie eine Festlegung von Höchstabgabemengen.

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen fordert dazu die Aufnahme von Regelungen zu Fachgeschäften im Jugendschutzgesetz und die Stärkung und Befähigung von jungen Menschen durch präventive und pädagogische Angebote des erzieherischen Jugendschutzes. Hier kommt aus unserer Sicht der Schulsozialarbeit eine große Rolle zu. Außerdem muss die Kooperation zwischen Jugendhilfe und Suchthilfe ausgebaut werden.

Wichtig für die Konsumenten ist auch die Aufklärung direkt beim Erwerb: Die Produkte müssen neutral verpackt sein und über die Wirkstoffanteile (THC, CBD) und deren Wirkung - erwünschte und unerwünschte - informieren. Beispielsweise: Welche Wirkung ist mit welcher Dosis zu erwarten? Außerdem sollten sie Hinweise zu psychischen Erkrankungen, die in Verbindung mit dem Konsum auftreten können, enthalten.

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SWR Aktuell: Wie wird sich die schrittweise Cannabis-Legalisierung auf die Arbeit von Suchtberatungsstellen auswirken?

Schilling: Die Suchthilfe geht davon aus, dass durch die Entkriminalisierung der erwachsenen Konsumenten mehr Klienten Hilfe beim Suchthilfenetzwerk suchen werden. Dies bewerten wir positiv. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen geht davon aus, und dem schließen wir uns als Landesstelle an, dass der Konsum steigen wird und damit auch die Fallzahlen mit cannabisbezogenen Störungen, so wie beispielsweise in den USA.

"In Rheinland-pfalz haben wir leider immer noch Regionen, die mit Suchtberatungsstellen unterversorgt sind."

Deshalb wünschen wir uns, dass zukünftig ein Rechtsanspruch gewährleistet, dass es ein bundesweit funktionierendes Versorgungssystem gibt mit flächendeckenden Suchtberatungsstellen. In Rheinland-Pfalz haben wir leider immer noch Regionen, die unterversorgt sind. Konsumierende, die ihren Konsum beenden möchten, sollen uneingeschränkten Zugang zu Beratung, Behandlung und Rehabilitation nach den jeweils aktuellen wissenschaftlichen Standards erhalten.

SWR Aktuell: Abschließend: Wie schätzen Sie die geplante Umsetzung der Cannabis-Legalisierung im Allgemeinen ein?

Schilling: Wir begrüßen die Entkriminalisierung, aber wir wollen noch einmal betonen, dass dieser notwendige Schritt einhergehen muss mit der Stärkung des bundesweiten Suchthilfesystems, dem Ausbau der Suchtprävention sowie der Umsetzung des Jugendschutzes.

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