In Rheinland-Pfalz arbeiten immer häufiger Vertretungslehrkräfte, die nicht ausgebildet sind. Die Zahl steigt nach Angaben des Bildungsministeriums insbesondere an Grundschulen.
Wenn es um Lehrermangel oder Fachkräftemangel an rheinland-pfälzischen Schulen geht, wiegelt die Landesregierung in der Regel ab. Erst kürzlich erklärte Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) im Landtag: Alle Planstellen seien in diesem Jahr besetzt. Und kaum ein anderes Land habe es geschafft, so viele neue Planstellen in allen Schularten mit ausgebildeten Lehrkräften zu besetzen wie Rheinland-Pfalz, so Hubig.
Fakt ist aber auch: Die Zahl ungelernter Vetretungslehrkräfte steigt in Rheinland-Pfalz seit Jahren an. Das gilt jedenfalls für die Lehrkräfte, die die Schulen über das sogenannte PES-Portal (Personalmanagement im Rahmen Erweiterter Selbstständigkeit) rekrutieren. "Im Schuljahr 2018/2019 gab es insgesamt 3.113 befristet beschäftigte Lehrkräfte, die über das PES-Portal eingestellt wurden", heißt es in einer Antwort des Bildungsministeriums auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion. Im aktuellen Schuljahr 2022/2023 sind es demnach (Stand 18.01.2023) 4.602 Lehrkräfte.
Zahl der Vertretungskräfte an Grundschulen in RLP hat sich verdreifacht
Ein besonders starker Anstieg ist an den rheinland-pfälzischen Grundschulen zu verzeichnen. Hier hat sich die Zahl der über PES befristet beschäftigten Lehrkräfte seit dem Schuljahr 2018/2019 zeitweise mehr als verdreifacht - von 657 auf 2.011. In diesem Schuljahr sind es bisher 1.851 PES-Lehrkräfte an Grundschulen. Nur 105 davon haben jedoch das 1. Staatsexamen beziehungsweise 2. Staatsexamen für ein Lehramt, wie aus den Zahlen des Bildungsministeriums hervorgeht.
Welche Qualifikation die anderen Vertretungskräfte mitbringen, wird über das PES-Portal nicht erfasst. Insofern liegen laut Ministerium keine Informationen dazu vor. Nach Angaben der rheinland-pfälzischen Bildungsverbände GEW und VBE werden beispielsweise Studienanfänger eingestellt, sogar Abiturienten bekämen solche Verträge.
"Nicht ausgebildete Kräfte übernehmen auch Klassenleitungen"
GEW und VBE beklagen, dass diese nicht ausgebildeten Lehrkräfte früher vor allem für "Feuerwehraufgaben" eingesetzt worden seien, also bei kurzfristigen Ausfällen von Lehrerinnen und Lehrern. "Mittlerweile stehen sie oft fest in der Stundentafel", sagte VBE-Landeschef Lars Lamowski dem SWR. Weil den Kräften die nötige Ausbildung fehle, seien sie oft überfordert.
Das nicht voll ausgebildete Lehrkräfte sogar Klassenleitungen übernehmen "ist problematisch", so Klaus-Peter Hammer, der GEW-Vorsitzende in Rheinland-Pfalz. Hammer bestätigt, dass der Einsatz von PES-Kräften vor allem an Grundschulen ausgeweitet wurde. Er kenne keine Grundschule in Rheinland-Pfalz, die komplett mit ausgebildetem Personal besetzt sei. Die Verbände kritisieren, dass Bildungsministerin Hubig nicht bereit sei, den Lehrermangel im Land anzuerkennen.
Lehrermangel Grundschullehrer verdienen in Hessen künftig mehr als in RLP
Dass Lehrkräfte an Grundschulen weniger verdienen als ihre Kolleginnen und Kollegen an weiterführenden Schulen, sorgt schon länger für Frust. Hessen hat jetzt angekündigt, in Zukunft A13 zu bezahlen. Das könnte den Lehrermangel hierzulande noch verstärken.
"Zahlen zu PES-Kräften verraten Lehrermangel an Grundschulen"
Aus Sicht der AfD-Fraktion im Landtag belegen die Zahlen zu den PES-Kräften den Lehrermangel an Grundschulen in Rheinland-Pfalz. "Wir nehmen die Zahlen mit Entsetzen zur Kenntnis, weil die Qualifikation von Lehrern so maßgeblich für den Bildungserfolg ist", so der bildungspolitische Sprecher der Fraktion, Joachim Paul, der die Anfrage an das Ministerium gestellt hatte: "Die stark steigenden Zahlen verraten zudem, dass ein grundsätzlicher Lehrermangel an unseren Grundschulen besteht."
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