Das höchste Finanzgericht in Rheinland-Pfalz hat zwei Einsprüche gegen Grundsteuerwertbescheide zugelassen. Es gebe Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Bewertungsregeln.
Die Bewertung der Bodenrichtwerte sei eventuell nicht rechtmäßig zustande gekommen, teilte das Finanzgericht in Neustadt an der Weinstraße mit. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat grundsätzliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Bewertungsregeln für die neue Grundsteuer.
Man habe ernste Bedenken, "dass die Regelungen des Bewertungsgesetzes überhaupt geeignet seien, eine realitäts- und relationsgerechte Grundstücksbewertung zu erreichen", teilte die Justizbehörde in Neustadt/Weinstraße am Montag mit. In zwei konkreten Fällen hat das Gericht den Einsprüchen stattgegeben.
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Womöglich falsche Bodenrichtwerte angelegt
Im ersten Fall hat der zuständige Gutachterausschuss einen Bodenrichtwert zur Berechnung der Grundsteuer angelegt, der nicht dem baulichen Zustand des bewerteten Hauses entspreche. Die Antragstellerin erläuterte, dass der gesetzlich normierte Mietwert überhöht sei, weil ihr Altbauhaus noch einfach verglaste Fenster habe. Das Finanzamt wendete aber dennoch den Standardwert an.
Im zweiten Steitfall wurde der vollständige Bodenrichtwert angelegt, obwohl laut Antragsteller nur ein 30-prozentiger Abschlag korrekt sei. Das Wohnhaus sei nämlich nur eingeschränkt nutzbar. Es stehe in zweiter Reihe, sei deshalb nur über einen Privatweg zugänglich und stehe zudem in einer Hanglage.
Jedoch äußerte das Finanzgericht in Neustadt "ernstliche Zweifel sowohl an der einfachrechtlichen Rechtmäßigkeit der einzelnen Bescheide, als auch an der Verfassungsmäßigkeit der zugrundeliegenden Bewertungsregeln".
Gericht kritisiert, dass Besitzer kein Gegengutachten vorlegen können
Zudem kritisierte das Finanzgericht, dass Steuerpflichtige nicht die Möglichkeit hätten, einen unter dem typisierten Bodenrichtwert liegenden Wert ihres Grundstücks nachweisen zu können - etwa mit einem Gegengutachten, das aber eben nicht vorgesehen ist.
Die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht, Barbara Weiß, sagte, die Entscheidungen beträfen zwei Einzelfälle - eine abschließende Entscheidung auch über die Verfassungsmäßigkeit der Bewertungsregeln stehe aus. Man rechne mit einer zeitnahen Entscheidung des Bundesfinanzhofs, der sich der Brisanz sicher bewusst sei, betonte die Sprecherin des Gerichts.
Eigentümerverband: "Schallende Ohrfeige"
Das Finanzministerium in Mainz teilte mit, man sei von der Verfassungsmäßigkeit des Bundesmodells überzeugt. Der Beschluss des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz werde nun geprüft, dann werde über die Einlegung von Rechtsmitteln entschieden.
Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) wies unterdessen daraufhin, dass dies kein rheinland-pfälzisches Problem sei, sondern dass das Bundesmodell in allen Bundesländern mit zwei Ausnahmen zur Anwendung komme und dass es bundesweit Klagen gebe. "Die Grundsteuer ist eine außerordentlich relevante Steuer, sie ist nämlich eine rein kommunale Steuer - 600 Millionen Euro für unsere rheinland-pfälzischen Kommunen", sagte die SPD-Politikerin.
Der Eigentümerverband Haus & Grund bezeichnete indes die Entscheidung als "schallende Ohrfeige" für die Landesregierung. "Die Landesregierung täte gut daran, die Angelegenheit nicht einfach mit einer Revision zum Bundesfinanzhof auszusitzen." Vielmehr sollten Maßnahmen für ein verfassungskonformes Landesgrundsteuergesetz ergriffen werden.
Nach Ansicht des Bundes der Steuerzahler Rheinland-Pfalz hat die Landesregierung "auf das falsche Pferd gesetzt". "Die neue Grundsteuer nach dem Bundesmodell wurde von der Politik als unbürokratisch, fair und verfassungsfest angepriesen. Doch dieses Märchen zerbröselt stückweise", teilte der Bund am Dienstag mit.
Das neue Grundsteuer-Modell sei "so bürokratisch", dass es das Land Rheinland-Pfalz, aber auch viele Kommunen und Bürger nicht geschafft hätten, ihre Grundsteuererklärungen fristgerecht abzugeben. "Allein in Rheinland-Pfalz gab es rund 280.000 Einsprüche gegen die Bescheide zur Berechnung der Grundsteuer - das spricht Bände", teilte René Quante mit, Geschäftsführer des Bundes der Steuerzahler in Mainz.
Opposition kritisiert Landesregierung ebenfalls
Kritik kam auch von den Freien Wählern im Landtag. Mit dem Urteil des Finanzgerichts müsse sich die Landesregierung die Frage gefallen lassen, ob sie die Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuerreform einer hinreichenden Prüfung unterzogen habe, meinte Fraktionschef Joachim Streit. "Das wäre dringend geboten gewesen. Denn im Licht der Geschehnisse rund um den Bundeshaushalt steht jetzt der Verdacht im Raum, dass es sich bei der Grundsteuerreform erneut um ein handwerklich schlecht gemachtes Gesetz handelt."
Die steuerpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Karina Wächter, teilte mit, die Entscheidung gebe den Kritikern der Grundsteuerreform "auf ganzer Linie" Recht. "Schon seit über zwei Jahren warnen wir vor der rechtlichen Unsicherheit und dem Bürokratiemonster mit hohen Kosten, die die neue Bundesregelung darstellt", meinte sie. Es brauche jetzt schnellstmöglich Klarheit - für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die Kommunen, für die die Grundsteuer eine wichtige Einnahme-Säule sei.
Rund 2,5 Millionen Immobilien müssen neu bewertet werden
Das Gericht hat nach eigenen Angaben wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Beschwerde beim Bundesfinanzhof zugelassen. In Rheinland-Pfalz müssen insgesamt rund 2,5 Millionen Immobilien neu bewertet werden. Gegen die Bescheide sind nach Angaben des Finanzministeriums fast 280.000 Einsprüche eingelegt worden.