Für deutsche Flughäfen gelten strenge Sicherheitsvorkehrungen. Doch immer wieder gelingt es Klimaaktivisten, etwa der "Letzten Generation", einzudringen und den Betrieb lahmzulegen. Wie kann das sein?
Urlaubszeit ist Reisezeit und für Klimaaktivisten die beste Gelegenheit, Aufmerksamkeit zu erregen. In der vergangenen Woche gab es Störaktionen der "Letzten Generation" auf dem Gelände der Flughäfen Köln/Bonn, Stuttgart, Berlin-Brandenburg und Nürnberg.
Wenige Wochen zuvor traf es den Airport in Frankfurt, als sich dort Aktivisten auf dem Rollfeld festklebten. In der Folge gab es auch hier zahlreiche Flugausfälle. Frankfurt und Köln/Bonn gehören auch für Reisende aus Rheinland-Pfalz zu den wichtigsten Flughäfen.
Klimaaktivisten fordern Ausstieg aus Öl, Kohle und Gas Rund 270 Flugausfälle nach Protestaktion am Flughafen Frankfurt
Klimaaktivisten von "Letzte Generation" haben am Donnerstagmorgen den Frankfurter Flughafen für etwa zwei Stunden lahmgelegt. Inzwischen starten und landen dort wieder Flugzeuge
Sicherheit an Flughäfen: Das tun die Betreiber
In Frankfurt etwa gibt es über 30 Kilometer Zaun um den Flughafen. Wie der Betreiber Fraport auf SWR-Anfrage mitteilte, ist der Zaun technisch gesichert und es laufen dort Sicherheitskräfte Streife.
Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt sieht hier massive Sicherheitsdefizite: Einfache Maschendrahtzäune wie in Frankfurt oder Stuttgart reichten nicht aus, um das Eindringen von Klimaaktivisten oder anderen Personen zu verhindern. Denn ein Bolzenschneider reiche, um durch den Zaun zu kommen.
Gibt es bessere Sicherheitskonzepte für Flughäfen?
Laut Großbongardt kann man sich ein gutes Sicherheitskonzept eigentlich bei jedem Chemie- oder Automobilwerk abschauen: "Da ist ein hoher Außenzaun, den man nicht einfach durchschneiden kann, der ist elektronisch und mit Kamera gesichert. Und dahinter folgt noch ein zweiter Zaun", erklärte der Luftfahrtexperte dem SWR.
Die Flughafenbetreiber scheuen vermutlich die Kosten für bessere Sicherheitsanlagen, vermutet Großbongardt. "Aber wenn ich für hunderte von Millionen Euro ein neues Terminal bauen kann, dann muss ich vielleicht auch 10 oder 20 Millionen in zeitgemäße Sicherheitseinrichtungen investieren können."
Warum gab es bisher keine Störaktionen der "Klimakleber" am Flughafen Hahn?
Dass auch schon mehrfach "Klimakleber" auf den Flughafen Köln/Bonn vorgedrungen sind, zeige deutlich, dass es auch dort "ganz massive Defizite gibt", so Großbongardt.
Von Protesten verschont wurde bisher der Flughafen Hahn im Hunsrück. Als Grund dafür sieht der Luftfahrtexperte unter anderem die ungünstige Lage: "Der Flughafen Hahn ist zu unbedeutend, zu mühsam und zu weit ausserhalb." Bei solchen Aktionen gehe es einerseits darum, eine große Wirkung zu erreichen und den Flugverkehr zu stören.
Zweitens gehe es darum, die mediale Aufmerksamkeit sicherzustellen. "Das gehört zu dem Spiel dazu. Aber wer ist schon auf dem Hahn?" Die Sicherheitsvorkehrungen am Hunsrück-Airport könne er aktuell nicht einschätzen, sagte Großbongardt.
Nach Angaben des Landesbetriebes Mobilität (LBM), der für die Luftsicherheit in Rheinland-Pfalz zuständig ist, werden Protestaktionen genau beobachtet und ausgewertet. Zu konkreten Sicherheitsmaßnahmen am Flughafen Hahn könne aber keine Auskunft gegeben werden, um deren Effektivität nicht zu gefährden. Der Airport ist ebenfalls von einem normalen Maschendrahtzaun umgeben.
"Letzte Generation" an Flughäfen: Wie reagiert die Politik auf die wiederholten Störaktionen?
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat die Aktionen, die den Flugbetrieb stören und erheblichen wirtschaftlichen Schaden anrichten, scharf kritisiert. "Diese kriminellen Aktionen sind gefährlich und dumm", schrieb Faeser auf der Plattform X. Sie nahm aber auch die Flughafenbetreiber in die Verantwortung. "Wir verpflichten die Flughäfen, ihre Anlagen deutlich besser zu sichern", so die Ministerin.
Weil die Störaktionen bisher Flughäfen in anderen Bundesländern betrafen, hält sich das rheinland-pfälzische Innenministerium mit Forderungen zurück. Auf Anfrage betont das Ministerium jedoch: "Die Verantwortung für einen sicheren und reibungslosen Flugbetrieb liegt grundsätzlich bei den jeweiligen Flughafenbetreibern."
Wie reagieren die Betreiber der Flughäfen?
Vom Verband ADV, der alle Verkehrsflughäfen in Deutschland vertritt, heißt es: "Dort, wo erforderlich, werden Absicherungen standortspezifisch nachgeschärft," so ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel auf SWR-Anfrage. Vorfälle würden genau untersucht und Sicherungen gegebenenfalls angepasst.
"Die Zaunanlagen sind nur ein Baustein. Entscheidend sind die Anlagen zur Detektion der Störer und dass die Alarmketten funktionieren", erklärte Beisel. Dazu gehörten Bewegungsmelder, Kontaktdrähte und Videoüberwachung. Dabei setzten die Flughäfen auf moderne digitale, teilweise auch KI-gestützte Systeme.
In allen bisherigen Fällen seien die Eindringlinge dadurch entdeckt und unverzüglich von Einsatzkräften festgesetzt worden. Laut Beisel wurde auch jeweils Alarm ausgelöst, was zur unmittelbaren Einstellung des Flugverkehrs geführt habe. "Die Sicherheit des Flugbetriebs war zu keinem Zeitpunkt gefährdet."
Luftfahrtextere Großbongardt weist jedoch darauf hin, dass die Betreiber verpflichtet seien, zu verhindern, dass Personen überhaupt auf das jeweilige Flughafengelände gelangen können. Hier dürfe man die Gefahr durch Terror und Sabotage nicht ignorieren.
Geldstrafe für Raúl Semmler Klimaaktivist der "Letzten Generation" für Aktion in Mainz verurteilt
Das Mainzer Amtsgericht hat den Klimaaktivisten Raúl Semmler zu einer Geldstrafe verurteilt. Er hatte mit anderen Mitgliedern der "Letzten Generation" eine Straße in Mainz blockiert.
Wie sollen die Klimaaktivisten gestoppt werden?
Die Bundesregierung plant härtere Strafen, um radikale Klimaschützer und andere Störer von gefährlichen Aktionen auf Flughäfen abzuschrecken. So soll das "vorsätzliche, unberechtigte Eindringen" unter anderem auf das Rollfeld sowie Start- und Landebahnen unter Strafe gestellt werden. Und zwar dann, wenn dadurch die Sicherheit des zivilen Luftverkehrs beeinträchtigt wird.
"Wir haben empfindliche Freiheitsstrafen vorgeschlagen," so Innenministerin Faeser. Es geht um bis zu zwei Jahre Haft. Der Bundestag muss darüber noch entscheiden.
Sollten die neuen Strafvorschriften so umgesetzt werden, wäre das aus Sicht von Luftfahrtexperte Großbongardt das Ende der Störaktionen auf Flughäfen. "Dann werden die Freunde der Letzten Generation sich das dreimal überlegen, ob sie dieses Risiko eingehen." Denn bislang seien die Strafen für das Lahmlegen von Flughäfen vergleichsweise harmlos und verkraftbar. Großbongardts Prognose: "Das Phänomen der Klimakleber wird sich in nächster Zeit erledigen."