Angehörige der Erdbebenopfer wollen ihre Verwandten nach Deutschland bringen. Das Problem: Viele verfügen nicht mehr über einen Reisepass. Eine Betroffene aus Otterstadt berichtet.
Als die Erde in der Türkei und in Syrien anfängt zu beben, ist S. Doğan aus Otterstadt (Rhein-Pfalz-Kreis) zufällig gerade selbst vor Ort. Gemeinsam mit ihrem Mann besucht sie Verwandte im Ort Malatya und übernachtet dort im Haus der Schwiegereltern.
Gemeinsam mit den Cousins ihres Mannes und deren zwei kleinen Kindern erleben sie dort das Beben. "Es war wie ein Weltuntergang. Wie ein Katastrophenfilm, wo der Regisseur Gott ist", sagt sie. Sie habe nur beten und darauf warten können, dass die Erde aufhört zu beben.
Doğan: "Pass beantragen unmöglich"
Inzwischen ist sie wieder zurück in Deutschland. "Wir sind jetzt hier, aber unser Herz ist drüben", sagt sie. "Wir haben keinen Schlaf." Die Familie ihres Mannes, die gemeinsam mit ihnen das Erdbeben erlebt hat, würde sie nun gerne für 90 Tage nach Deutschland holen. "Wir möchten, dass sie sich zumindest ein bisschen erholen, eine Auszeit haben, in einem warmen Haus sind, und wieder zurückgehen", so Doğan.
Ihr Antrag wird von der Ausländerbehörde abgelehnt. "Die haben uns dann gesagt, dass das nicht möglich ist, dass die erst einen Pass beantragen müssen und erst dann hierher kommen können. Was in dieser Situation natürlich unmöglich ist", sagt Doğan. "Es gibt ja kein Amt. Es gibt keine Stadt. Die sind mit Schlafanzügen auf der Straße. Also wie kann man sich das vorstellen, dass das klappen soll?"
Aufnahme "unbürokratisch, aber weiter geordnet"
Die Bundesregierung hatte am Montag mitgeteilt, sie wolle die Aufnahme von Erdbeben-Betroffenen aus der Türkei in Deutschland "unbürokratisch, aber weiter geordnet" gestalten. Allerdings müssten als Voraussetzung Menschen, die Betroffene in Deutschland aufnehmen wollen, dafür eine Verpflichtungserklärung abgeben, "dass sie für ihre Angehörigen sorgen werden". Diese Erklärung wollte auch Doğan unterschreiben. Auch dem Auswärtigen Amt zufolge ist es ein Problem, dass einige Betroffene über keine Pässe mehr verfügen. Für die Ausstellung neuer Papiere seien die türkischen Behörden zuständig, sagte der Sprecher.
Keine einfache Lösung gebe es für eine Aufnahme von Menschen aus Syrien, da Deutschland dort nicht diplomatisch vertreten sei. Anträge auf Einreise müssten wie üblich "in Botschaften in der Region" gestellt werden.
Zehntausende Staatsangehörige aus Syrien und Türkei in RLP
Laut dem rheinland-pfälzischen Integrationsministerium leben rund 60.000 türkische und knapp 50.000 syrische Staatsangehörige in Rheinland-Pfalz. Angehörige erkundigten sich bereits bei unterschiedlichen Stellen im Land über Einreisemöglichkeiten für ihre Familienangehörigen. Das Ministerium teilte dem SWR mit, es gehe um eine schnelle humanitäre Reaktion.
Visaverfahren beschleunigen
Es gehe jetzt darum, Visaverfahren zu beschleunigen und die Einreise unter humanitären Gesichtspunkten zu erleichtern, so das Ministerium. Insbesondere für Menschen, die zu ihren Verwandten nach Deutschland kommen wollen. Das Integrationsministerium sei mit zahlreichen insbesondere türkisch-stämmigen Communities in regem Kontakt. Zum Beispiel mit der Alevitischen Gemeinde und der Türkischen Gemeinde Rheinland-Pfalz.
Sobald die Einzelheiten zu einer erleichterten Einreise vorliegen, werde das Ministerium darüber informieren. Als Ansprechpartner stünden neben den Ausländerbehörden insbesondere die vom Land finanzierten Migrationsfachdienste und Migrationsberatungsstellen sowie die Migrantenorganisationen zur Verfügung.
Private Hilfe "überwältigend"
Die private Hilfeleistung ist nach Angaben des Ministeriums überwältigend. Auch Doğan und ihr Mann versuchen jetzt, die Betroffenen auf anderen Wegen von Deutschland aus zu unterstützen. "Wir haben das Möglichste versucht. Fakt und klar ist, dass es ohne Reisepass nicht geht", sagt sie. "Unser Ziel ist jetzt, hier von Deutschland aus zu helfen, wo wir helfen können."
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