Mehr Gerechtigkeit wollen alle - aber die Wege dorthin sind umstritten. Ökonom Marcel Fratzscher fordert im Demokratieforum die Abschaffung der Schuldenbremse - Linda Teuteberg (FDP) will sie beibehalten.
Wie konkret die Frage nach der Gerechtigkeit derzeit ist, zeigt die Diskussion um das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Nachtragshaushalt 2021 - der unter anderem aufgrund des Verstoßens gegen die Schuldenbremse als verfassungswidrig eingestuft wurde.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Marcel Fratzscher, begrüßt das Urteil und spricht sich grundsätzlich für die Beibehaltung der Schuldenbremse aus. Derzeit müsse der Staat aber kurzfristig mehr Schulden aufnehmen. "Keiner kann bezweifeln, dass wir in einer Notsituation sind" - nach Corona und der Energiekrise. Deshalb müsse die Schuldenbremse jetzt ausgesetzt werden.
Langfristig müsse der Staat seine Einnahmen aber über Steuererhöhungen vergrößern. "Wir brauchen ein anderes Steuersystem", betont Fratzscher. Es gebe auf der Welt kein Land, "das Arbeit stärker besteuert und Vermögen geringer besteuert als Deutschland".
Teuteberg für Beibehaltung der Schuldenbremse
Auch die FDP-Bundestagsabgeordnete Linda Teuteberg begrüßt das Urteil der Bundesverfassungsgerichts - iund plädiert klar für die Beibehaltung der Schuldenbremse. Damit sei der Staat etwa in der Corona-Krise handlungsfähig gewesen. "Das hat etwas mit solider Haushaltspolitik zu tun". Steuererhöhungen lehnt sie ab.
Auf die Frage von Moderator Michel Friedman, warum die FDP immer wieder betone, dass angesichts der Haushaltskrise die Sozialleistungen gekürzt werden müssten, verwies Teuteberg auf die Höhe der Sozialausgaben. "Bei einem Haushalt von fast 500 Milliarden Euro, bei dem die Sozialausgaben fast die Hälfte von allem ausmachen", könne man diesen nicht ausnehmen. Wichtig sei, zwischen Bedürftigen und Nicht-Bedürftigen zu unterscheiden.
Auch das Bürgegeld müsse auf den Prüfstand, betont Teuteberg. Fratzscher verteidigte dagegen die Erhöhung des Bürgergeldes um zwölf Prozent. "Die Menschen haben trotzdem nicht mehr Kaufkraft", sagt Fratzscher. Zudem gebe es weniger Menschen als vor 15 Jahren, die Bürgergeld oder Hartz IV bekämen.
Bücker für Grunderbe
Ist es gerecht, dass einige von ihrem Erbe leben können, während andere nicht wissen, von welchem Geld sie angesichts der Inflation Lebensmittel, Strom und Heizung bezahlen sollen, fragt Friedman. Die Publizistin Teresa Bücker plädiert dafür, ein Grunderbe auszuprobieren. "Das würde die junge Generation erst einmal ein Stück freier machen."
"60 Prozent aller privater Vermögen in Deutschland wurden vererbt", betont Fratzscher. "Wenn wir Vermögensungleichheit verstehen wollen, müssen wir sehen, wo sie herkommt." Er spricht sich dafür aus, alle Erbschaften - nach der Berücksichtigung von Freibeträgen - mit generell 20 Prozent zu besteuern.
Teuteberg sieht das aber anders. Es sei kein guter Leistungsanreiz, wenn man Erbschaften stärker besteuern würde.
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