Braucht das deutsche Schulsystem eine grundlegend neue Struktur, um besser zu werden oder einfach nur mehr Geld - vor allem für mehr Lehrer?
"Ich denke, es geht um Geld. Es geht vor allem um Geld", meint Jessica Rosenthal. Die Jusochefin und SPD-Bundestagsabgeordnete vertritt im Demokratieforum Hambacher Schloss die Ansicht: "Wenn wir 100 Milliarden für die Bundeswehr haben, dann haben wir auch 100 Milliarden für Bildung."
Es müssten mehr Ressourcen in die Schulen gesteckt werden, damit diese sich so um Schülerinnen und Schüler kümmern könnten, dass alle mitgenommen werden könnten.
Laut aktueller Bildungsstudien erreicht beispielsweise knapp ein Drittel der Kinder in der vierten Klasse nicht die Mindestanforderungen in Rechtschreibung, mehr als zwanzig Prozent verfehlen diese in Mathematik.
"Wollen wir noch ein Schulsystem aus dem 18. Jahrhundert?"
Rosenthal stellt aber zugleich zur Debatte: "Ob wir eigentlich noch ein Schulsystem aus dem 18. Jahrhundert haben wollen, oder ob wir uns mal trauen, mal was anderes zu denken und dann auch zu machen." An diese große Frage wolle sie auch ran.
Bob Blume ist überzeugt, dass sich Schule verändern muss. Der Lehrer, Bildungsblogger und Host des SWR3-Podcasts "Die Schule brennt" tritt dafür ein, den "Prozess des Lernens, den Prozess der Aneignung in den Mittelpunkt jedes schulischen Handelns" zu stellen. "Das kann Demokratieerziehung sein, das kann Theater sein." Bisher gingen Schulen bei den Schülerinnen und Schülern meist von Voraussetzungen aus, die nicht alle hätten. Es gebe auch schon Schulen, die andere Wege gingen, so Blume, beispielsweise Gemeinschaftsschulen.
Fachkräfte als Unterstützung für Lehrer?
Lehrer Blume plädiert auch für multiprofessionelle Teams an Schulen. "Man muss sich vom Gedanken verabschieden, dass Schulen die Orte von Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern sind, sondern überlegen, welche Fachkräfte brauchen wir an den Schulen auch." Das könnten Psychologen, Sozialarbeiter oder Mitarbeiter für die Evaluation von Lernstandserhebungen sein.
"Warum holen wir außerschulische Expertise nicht in die Schule?", fragt auch Kai Maaz. Der geschäftsführender Direktor des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation zeigt sich im Demokratieforum überzeugt, dass der Lehrermangel in Deutschland künftig noch größer werden wird als prognostiziert. Grund sei etwa, dass nicht alle die auf Lehramt studieren, später auch in diesen Beruf gingen.
Aktuell sind laut Kultusministerkonferenz bundesweit 12.000 Lehrerstellen unbesetzt. Der Lehrerverband geht von einer viel höheren Zahl aus. Maaz fordert deshalb, nach Lösungen zu suchen, wie Schulen mit weniger oder eben anderem Personal auskommen können.
Maaz: Bildung muss vor der Schule anfangen
Maaz, der als Professor an der Universität Frankfurt am Main und am Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation forscht und lehrt, spricht von einem großen systemischen Fehler in den Bildungs-Diskussionen: "Wir fangen immer an zu diskutieren, wenn die Kinder in die Schule gehen, wenn die Schulpflicht anfängt." Dies sei aber zu spät, da schon vorher der Grundstein gelegt werde.
Schon vor der Schulzeit drifte etwa die Schere zwischen den Kindern unterschiedlicher sozialer Herkunft auseinander, so Maaz: "Wir müssen mit der frühen Bildung anfangen, wenn die Kinder geboren werden."
Demokratie muss in der Schule gelernt werden
Demokratie muss in der Schule schon gelernt werden - da waren sich die Podiums-Gäste und der Moderator einig. Wie viel Zeit dazu bleibt im schulischen Alltag, darüber wurde diskutiert - auch nach der Podiums-Diskussion, mit dem Publikum vor Ort.
Zu Gast war auch Zsuzsanna Kern, Lehrerin an der Grundschule Süd in Landau. Von der Grundschule Süd, die auch mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet worden ist, kann man lernen, warum Demokratie zu einer umfassenden Lernförderung von klein auf gehören sollte und wie es gelingt, Kindern Gehör zu schenken, sie zu eigenem Handeln und zur Mitwirkung einzuladen.
Die Aufzeichnung der Diskussion mit Moderator Michel Friedman und seinen Gästen im Demokratieforum Hambacher Schloss finden Sie ab Freitag, 30. Juni (abends) in der ARD Mediathek und ab Samstag, 1. Juli (abends) im SWR YouTube Channel. Am Sonntag, 2. Juli um 11:15 Uhr wird die Sendung im SWR Fernsehen ausgestrahlt.