Israel, Gaza, Bergkarabach, Sudan – und natürlich die Ukraine: Die Zahl der bewaffneten Konflikte und kriegerischen Auseinandersetzungen scheint sprunghaft zu steigen. Warum Konflikte zu Kriegen werden und was für nachhaltigen Frieden notwendig ist, darüber diskutiert Michel Friedman mit seinen Gästen am 25. Oktober im Felix-Nussbaum-Haus in Osnabrück.
Der brutale und barbarische Angriff der Terrororganisation Hamas aus dem Gazastreifen auf Israel hat uns erneut vor Augen geführt, wie schnell eine unfassbare Eskalation eines Konflikts eintreten kann. Mit dem wahllosen Ermorden von mehr als 1.300 israelischen Zivilisten und der Verschleppung von mehr als 100 weiteren in den Gazastreifen hat de facto ein neuer Krieg begonnen. Israel schlägt seinerseits mit aller Härte zurück – die Leidtragenden sind dabei nun die Zivilisten im Gazastreifen.
Insgesamt ist die Welt in den letzten Jahren unfriedlicher geworden. Natürlich haben alle den russischen Angriff auf die Ukraine vor Augen, aber auch weniger im Fokus stehende Konflikte fordern eine enorme Anzahl von Menschenleben – so etwa der Bürgerkrieg in Äthiopien um die Region Tigray, in dem 2022 laut Global Peace Index mehr als 100.000 Menschen bei Kampfhandlungen getötet wurden. Und erst vor wenigen Wochen flohen praktisch über Nacht alle Armenier vor aserbaidschanischen Kräften aus der umstrittenen Region Bergkarabach.
Das Demokratieforum gastiert in Osnabrück
Das Thema des SWR Demokratieforums im Oktober könnte daher leider kaum aktueller sein: Am 25. Oktober diskutieren der Sicherheits- und Militärexperte Carlo Masala (Universität der Bundeswehr München), die Friedensforscherin Ursula Schröder (Wissenschaftliche Direktorin des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Uni Hamburg) und Ruprecht Polenz (CDU), Präsident der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde mit Moderator Michel Friedman über das Thema "Zwischen Krieg und Frieden“.
Das Besondere: Diesmal gastiert das Demokratieforum nicht im Hambacher Schloss, sondern geht on tour nach Osnabrück zur Feier des 375. Jubiläums des Westfälischen Friedens. Hier und in Münster wurde 1648 der Dreißigjährige Krieg beendet, der halb Mitteleuropa verwüstet hatte. Mit dem historischen Friedensschluss zwischen Katholiken und Protestanten wurde ein Zeitalter relativer Toleranz und der Aufbruch in die Aufklärung und Emanzipation eingeleitet. Leider war dieses nicht von Dauer: Das 20. Jahrhundert erlebte zwei Weltkriege, den Holocaust und weitere Genozide in Bosnien, Ruanda und an anderen Orten.
"Nicht so eingefroren wie gedacht“
Dass Konflikte nicht endgültig befriedet sind, sondern immer wieder innerhalb kürzester Zeit eskalieren können, ist für die Friedensforscherin Ursula Schröder nicht überraschend: "Bergkarabach ist auch einer der Konflikte, der von der Friedens- und Konfliktforschung schon seit Jahrzehnten begleitet wird und lange als eingefrorener Konflikt betrachtet wurde. Nun sieht man: So eingefroren war der dann doch nicht. Im Windschatten der wahrgenommenen Schwächung und Ablenkung des russischen Regimes, das ja versucht hatte als Peacekeeper zu agieren, schafft Aserbaidschan jetzt Fakten."
Auch die Rolle Deutschlands und Europas muss dabei kritisch hinterfragt werden: Fühlte sich der aserbaidschanische Diktator Ilham Alijew auch deswegen ermächtigt, weil sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz als auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zuletzt sein Land als zuverlässigen Energielieferanten gelobt hatten? Und das, nachdem man mit Russland gerade die Erfahrung gemacht hatte, wie wenig man sich auf autoritäre Regime verlassen sollte. Macht "der Westen" immer wieder dieselben Fehler? Und ist unsere Außenpolitik werte- oder interessensgeleitet?
Diese Frage stellen sich viele Menschen auch im Hinblick auf die Ukraine. Sowohl Ursula Schröder als auch der Sicherheitsexperte Carlo Masala sind überzeugt, dass man sich auf einen langen Konflikt einstellen muss. "Wir werden es mit einem langfristigen Krieg zu tun haben. Die Gegenoffensive kommt jetzt sozusagen an ihr Ende, das muss man so sagen und das hat mit Witterungsbedingungen zu tun, das hat was mit der Taktik der Ukrainer zu tun und die Ukrainer werden versuchen, die Gegenoffensive nächstes Jahr wieder aufzunehmen", glaubt Masala.
Sorge vor einem Flächenbrand in Nahost
Mit großer Sorge betrachtet der langjährige CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz den aktuellen Konfliktherd in Israel. "Die größte Gefahr im Nahen Osten ist, dass sich der Konflikt mit anderen Konfliktherden verbindet und die Gefahr war seit dem Zweiten Weltkrieg nie so groß wie jetzt. Alles was zusätzliches Öl ins Feuer gießt ist brandbeschleunigend gefährlich“, so Polenz.
Auch der Dreißigjährige Krieg kam seinerseits nicht mit den ersten Verhandlungsversuchen an sein Ende, sondern zog sich von den ersten Verhandlungen 1637 noch elf Jahre fort, bis es 1648 schließlich so weit war. Frieden braucht einen langen Atem.
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