Gedenken an Allerheiligen

Interview: So helfe ich Trauernden am besten

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Interview
Jana Klimczak

Ein Freund, ein Nachbarin, ein Kollege trauert. Wie kann ich unterstützen, wenn mir selbst die Worte fehlen? Trauerbegleiterin Ingrid Stork aus Ensch an der Mosel weiß Antworten.

Zu Allerheiligen am 1. November gehört für viele Menschen auch die Auseinandersetzung mit dem Tod und die Trauer um die Verstorbenen. Dabei fällt es oft schwer, Menschen, die trauern, zu unterstützen und mit den richtigen Worten zu begleiten.

Trauerbegleiterin Ingrid Stork hat jahrelange Erfahrung darin. Sie begleitet vor allem Eltern in der Trauer um ihr Kind. Wie gehe ich damit um, wenn in meinem Umfeld jemand einen Menschen verliert - sei es ein Kind, einen Partner, einen Freund oder die Eltern?

SWR Aktuell: Frau Stork, ein Freund, ein Nachbar trauert. Oft weiß man gar nicht, was man in solchen Situationen tun soll, will nichts falsch machen. Was sollte ich besonders beachten beim Umgang mit trauernden Menschen?

Ingrid Stork: Grundsätzlich: nachfragen, wenn man unsicher ist. Sagen: 'Ich würde dir gerne helfen, ich bin mir aber unsicher, wie ich dir helfen kann. Hast du ein Bedürfnis?' Auch ganz praktisch fragen: 'Soll ich dir Mittagessen kochen?' Überlegen, ob man als Überraschung einen Kuchen vor die Tür stellt. Oder anbieten, die Kinder zum Sport zu fahren.

Schlecht ist immer, zu sagen: 'Meld dich doch, wenn du was brauchst.' Trauernde haben in diesen extremen Situationen nicht die Kraft, ein Telefon in die Hand zu nehmen und sich zu überlegen, was sie brauchen, weil ihnen das in dem Moment nicht klar ist.

Trauerbegleiterin Ingrid Stork aus der Region Trier.
Trauerbegleiterin Ingrid Stork aus der Region Trier

SWR Aktuell: Was könnten noch weitere kleine hilfreiche Gesten sein?

Stork: Sich immer nochmal melden, einmal die Woche eine Sprachnachricht schicken. Und sagen: 'Ich denke an dich.' In Kontakt bleiben, wertschätzend nachfragen. An der Seite bleiben und da sein - und nicht nach drei Monaten denken, jetzt müsste es doch wieder laufen. Wenn ein Mensch stirbt, dann hört das Vermissen nicht nach drei Monaten auf, bei den meisten Menschen auch nicht nach drei Jahren.

In Kontakt bleiben, wertschätzend nachfragen. An der Seite bleiben und da sein - und nicht nach drei Monaten denken, jetzt müsste es doch wieder laufen.

SWR Aktuell: Jeder Mensch trauert anders. Wie merke ich denn, was meinem Gegenüber besonders hilft?

Stork: 'Was brauchst du gerade' ist da eine gute Frage. 'Gibt es etwas, womit ich dir helfen kann?' Und wenn dann nichts kommt, einen Vorschlag machen. Auf den anderen eingehen, nichts überstülpen. Und nicht sagen: 'Das wird schon wieder'. 'Ratschläge sind auch Schläge' - ein Satz, der für Trauer sehr passend ist. Wenn man hilflos und sprachlos ist, haut man eine Floskel raus. Wir empfehlen dann eher zu sagen: 'Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Und ich fühle mich gerade hilflos. Ich möchte dir aber zeigen, dass ich für dich da bin.' Das ist oft schon sehr hilfreich. Ich muss nicht in einen Aktionismus verfallen.

SWR Aktuell: Wenn ich also keine Worte habe, ist es auch okay, das genauso auszudrücken?

Stork: Ganz genau. Das ist etwas, was man sagen und benennen darf. Denn es gibt Situationen, da gibt es keine passenden Worte. Das hat nichts mit Inkompetenz zu tun, das ist ein ganz ehrlicher Satz. Floskeln wie 'Kopf hoch' sind viel schlimmer, weil es nichts gut macht. Aber zu spüren, dass Menschen an der Seite sind und dass man nach drei Jahren immer noch über den Verstorbenen erzählen kann und man sich zusammen erinnern kann, das ist etwas ganz Großartiges für Menschen.

Aber: Jeder trauert anders. Trauern ist okay, wenn man sich selbst und anderen nicht schadet. Nicht werten und nicht deuten: Das ist in der Sterbe- und in der Trauerbegleitung ganz wichtig. Wir wissen selten, was in den Familien passiert und was vorgeht. Wie in der Liebe ist das ein ganz persönlicher Prozess. Ich muss mir von Außenstehenden nicht sagen lassen, wie richtig getrauert wird, das muss jeder für sich selbst herausfinden.

Nicht werten und nicht deuten: Das ist in der Sterbe- und in der Trauerbegleitung ganz wichtig.

SWR Aktuell: Sie haben bereits gesagt: Floskeln sind nicht hilfreich. Wie finde ich die richtigen Worte, um mein Mitgefühl auszudrücken, zum Beispiel in einer Trauerkarte?

Stork: Sich überlegen, was würde ich denn sagen, wenn mein Freund vor mir stehen würde. Ich finde, es geht darum, sich einen Moment Zeit zu nehmen, sich nochmal an den Verstorbenen zu erinnern, von schönen Erinnerungen zu berichten, oder Situationen, in denen der Verstorbene einem geholfen hat, das wiederaufleben lassen. Auch in der Karte kann man schon ein Hilfsangebot machen, sagen 'Ich bin mit dir traurig' und 'Ich bin für dich da'. Das Hilfsangebot sollte man dann auch einhalten.

SWR Aktuell: Wie ist es mit trauernden Kindern und Jugendlichen, wie kann ich mit ihnen über das Thema sprechen?

Stork: Offen. Wir plädieren sehr dafür, die Kinder nicht auszuschließen. Von klein auf die Kinder mitzunehmen, auch einen Abschied möglich zu machen. Wir möchten Kinder davor beschützen, dass sie traurig sind. Aber wenn die Mama stirbt, dann ist das traurig. Kinder spüren auch, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Offen und klar kommunizieren, sich zusammen erinnern, je nach Alter des Kindes überlegen, wie man den Abschied gestalten kann. Es gibt Möglichkeiten, den Sarg oder die Urne selbst zu gestalten. Kommunikation ist das ganz große Thema, gerade in der Trauer.

SWR Aktuell: Ich kann also auch mit Kindern ganz offen sein und mich an ihren Bedürfnissen orientieren?

Es ist wichtig, wie die Kernfamilie das lebt. Als Begleitung können sie nur mitgehen, Vorschläge machen, aber nichts vorschreiben. Ich glaube, dass wir, die in den 30ern, 40ern, 50ern sind, keine richtigen Trauervorbilder hatten. In der Gesellschaft wurde das Sterben und der Tod ein bisschen weg geschoben. Jemand verstarb, oft im Krankenhaus und der Bestatter hat alles Nötige erledigt.

Da ändert sich gerade etwas. Ich denke, es ist gerade für Kinder und Jugendliche wichtig, Vorbild zu sein und zu zeigen, dass der Tod zum Leben dazugehört. Dass es nichts ist, wovor man sich verstecken kann. Unsere Angehörigen werden sterben. Und die Frage ist: Wie sind wir darauf vorbereitet, wie werden wir damit umgehen und wie sehr belastet uns das? Oder können wir das in aller Trauer und in aller Traurigkeit in unser Leben integrieren - und können wir gesund trauern, "gut" trauern und vor allem zusammen trauern.

SWR Aktuell: Wie ist es denn, wenn ein Mensch plötzlich aus dem Leben tritt. Wenn es einen Unfall gab, die Verstorbenen noch jung sind. Ist es dann nochmal anders, wenn man diese Trauer begleitet?

Stork: Es ist ganz klar etwas anderes. Es gibt verschiedene Arten der Trauer. Es gibt die Sterbetrauer. Das ist die Trauer, die man schon hat, wenn ein Mensch krank oder alt ist. Man kann sich darauf vorbereiten, man kann noch Erinnerungen schaffen. Man kann Gespräche führen, offene Dinge klären. Sie können bereits in dieser Zeit eine Trauerarbeit leisten. Das ist bei einem plötzlichen Tod nicht möglich. Das ist eine ganz andere Art der Trauerarbeit, weil es Dinge gibt, die nicht geklärt waren, die auch nicht mehr geklärt werden können.

Vielleicht brauchen Sie hier andere Rituale, zum Beispiel, dem Verstorbenen nochmal einen Brief zu schreiben und den in Sarg oder Urne mitzugeben. Das ist ganz individuell. Aber auch hier geht es darum, zuzuhören, dazusein und zu schauen, was in dem Moment gebraucht wird.

SWR Aktuell: Wir haben viel darüber gesprochen, wie wir Trauernde begleiten, die uns nahestehen. Wenn aber ein Kollege oder ein Nachbar trauert, also eine Person, die ich kenne, aber nicht gut. Wie kann ich da Mitgefühl zeigen?

Stork: Was wir vom Arbeitsplatz hören, ist, dass Kollegen gar nicht darüber sprechen. Der Angehörige kommt nach zwei Wochen zur Arbeit zurück und die Kollegen ignorieren dieses Thema. Die sprechen mit dem Kollegen, aber die sprechen nicht über den Verstorbenen. Was man als Angehöriger machen kann, ist, dass man zum Chef sagt: 'Bitte sag den Kollegen, ich möchte nicht darüber sprechen.' Das kann man zum Beispiel einem Freund auch empfehlen.

Wenn man das nicht macht und in die Firma zurückkommt und die Kollegen kommen, kondolieren und fragen: 'Wie geht es dir, brauchst du irgendwas?' Dann tut es dem Trauernden gut. Aber dieses Totschweigen - im wahrsten Sinne des Wortes - das macht vielen Menschen zu schaffen. Weil es so ist, als ob dieser Mensch ausgelöscht ist, auf so vielen Ebenen.

SWR Aktuell: Auch da also wieder Hilfe anbieten, aber nicht überstülpen. Aber was ist, wenn zum Beispiel der Nachbar stirbt, und ich treffe die Angehörigen im Supermarkt? Sage ich etwas, was würden Sie empfehlen?

Stork: Das ist eine schwierige Situation. Man kann sagen: 'Ich denke an dich.' Einfach einen kleinen Satz. Ich glaube, man hat immer Angst vor der Reaktion, bricht dieser Mensch jetzt hier in Tränen aus. Das Risiko gehen Sie ein, wenn Sie Menschen ansprechen, egal, wo Sie ihn treffen. Sie können auch einfach sagen: 'Tut mir so leid, was euch passiert ist.' Das reicht schon. Das ist ein Satz, und das tut gut, den meisten Trauernden tut das gut.

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