Vor einem Jahr machten sie Schlagzeilen - die Mehrweg-Weinflasche aus Württemberg und die Mehrweg-Bierflasche eines Pfälzer Weinguts. Heute steht fest: Mehrweg beim Wein funktioniert - aber nur in sehr überschaubarem Rahmen.
Ein Jahr lang ist sie jetzt auf dem Markt, die Wein-Mehrwegflasche aus Württemberg. Und Werner Bender ist zufrieden mit ihr: "Die Bilanz fällt insgesamt absolut positiv aus", sagt er gegenüber dem SWR.
Bender ist Chef der Wein-Mehrweg eG, einer Genossenschaft mit Sitz in Möglingen (Kreis Ludwigsburg). 13 Mitgliedsbetriebe hat sie mittlerweile, überwiegend Winzergenossenschaften und Kellereien aus der Region. Sie alle können auf einen Pool an 0,75-Liter Mehrweg-Weinflaschen zugreifen und ihre Weine darin abfüllen. Die leeren und zurückgebrachten Flaschen werden anschließend in einem Spülzentrum gereinigt und können erneut befüllt werden.
Vor einem Jahr hatte die Wein-Mehrweg eG die eigens entwickelte Flasche auf der ProWein der Öffentlichkeit präsentiert. Die Hoffnung: Endlich sollte das Prinzip "Mehrweg statt Einweg" auch beim Wein gelten. Schließlich ist die Flasche für etwa die Hälfte des CO2-Fußabdrucks von Wein verantwortlich.
So berichtete SWR Aktuell im TV zur Einführung der Mehrweg-Weinflasche vor einem Jahr:
Preisgekrönt, aber nur wenig verbreitet
Es folgten: viele positive Schlagzeilen, Auszeichnungen für das Konzept, ein Design-Preis für die Flasche und die Markteinführung. Was aber nichts daran ändert, dass die Flasche ein Problem hat: Ihre Erfolgsgeschichte ist lediglich eine regionale, außerhalb Württembergs bekommen Weintrinker kaum etwas von ihr mit.
Auch wenn Werner Bender Zahlen präsentiert, die im ersten Moment beeindruckend klingen: "Es wurden insgesamt etwas mehr als eine Million Flaschen produziert. Davon dürften aktuell hochgerechnet etwa 300.000 abgefüllt und im Umlauf sein, und die Menge wächst täglich." Doch bei über einer Milliarde Flaschen Wein, die jährlich in Deutschland abgefüllt werden, ist das ein Anteil von gerade mal 0,03 Prozent.
Herausforderung: Supermärkte und Discounter
Das Problem: Bisher gibt es nur wenige Rückgabemöglichkeiten für das Leergut - nur Läden, die die Flasche im Sortiment haben, nehmen sie auch zurück. Um auch außerhalb der Region eine Rolle zu spielen, müsste sie bundesweit an Pfandautomaten zurückgegeben werden können. Voraussetzung dafür: Die großen Supermärkte und Discounter müssten Weine aus der Mehrwegflasche in ihr Sortiment aufnehmen.
Bisher hat das nicht geklappt. Warum? Hier wäre eine Stellungnahme der Discounter relevant. Werner Bender bleibt trotzdem optimistisch. Auf der diesjährigen ProWein stellt seine Wein-Mehrweg eG einen Sechserkasten für die Flasche vor, laut Bender eine wichtige Voraussetzung, um die Mehrwegflasche für den Handel interessant zu machen.
Nur ein Mitbewerber versucht sich ebenfalls an der Mehrwegflasche
Interesse beim Handel wecken - vor dieser Herausforderung steht auch der Glashersteller Verallia, der seinen Deutschlandsitz im baden-württembergischen Bad Wurzach (Kreis Ravensburg) hat. Verallia hat ebenfalls gerade eine Mehrweg-Weinflasche entwickelt. "Wenn Mehrweg bei Wein wirklich funktionieren soll, dann geht das nur flächendeckend und national. Das muss dann natürlich auch den Lebensmitteleinzelhandel - also Rewe, Edeka und Co - mit einbeziehen", sagt Melanie Gratwohl, die Geschäftsführerin der Verallia-Mehrweg GmbH.
Ob Verallia gelingen kann, was die Württemberger Flasche bisher nicht geschafft hat? Man könne noch nicht kommunizieren, in welchen Geschäften die Mehrwegflasche demnächst im Regal stehen wird, so Gratwohl im Interview mit dem SWR.
Bestehendes nutzen: Bier- statt Weinflasche in der Pfalz
Ewig darauf warten, bis irgendwann mal ein Mehrweg-System für Wein etabliert ist? Das wollte das Bio-Weingut Galler aus Kirchheim an der Weinstraße in der Pfalz nicht länger - und ging deshalb einen ungewöhnlichen Weg. Auf der Vorjahres-ProWein präsentierten die Gallers einen ihrer Weißweine kurzerhand in der 0,5-Liter-Mehrweg-Bierflasche.
Die Folge: ein riesiges Medienecho. "Nach einem Jahr Bier-Pfandflasche können wir ein positives Resümee ziehen. Wir waren überrascht, wie stark es angenommen wird", sagte Ansgar Galler ein Jahr danach zum SWR. Auf der diesjährigen ProWein wird deshalb nachgelegt: Auch einen Roten und einen Rosé gibt es jetzt in der Bierflasche.
Mittlerweile haben die Gallers sogar Nachahmer gefunden: Das Staatsweingut Freiburg füllt nach einem erfolgreichen Versuch demnächst fünf seiner Weine in die 0,5-Liter-Mehrweg-Bierflasche ab. Und es könnten noch weitere Weine folgen: "Wir können uns gut vorstellen, künftig unsere Standard-Weine in großen Stückzahlen in Bierflaschen abzufüllen", so Kolja Bitzenhofer, der Leiter des Staatsweinguts zum SWR. Die Reaktionen der Kundschaft seien fast ausschließlich positiv.
Pilotprojekt läuft In Freiburg wird Wein in Bierflaschen verkauft
Die meisten leeren Weinflaschen landen einfach im Altglas-Container. Um das in Zukunft zu verhindern, wird in Freiburg aktuell testweise Wein in Bierflaschen verkauft.
Erfolg im Kleinen bedeutet noch keinen Durchbruch
Im Kleinen funktioniert das Prinzip "Mehrweg statt Einweg" also bereits. Doch der Massenmarkt ist weiterhin von Einwegflaschen dominiert. Und das nicht nur, weil die Themen Flaschenknappheit und hohe Glaspreise in Folge des Ukraine-Kriegs derzeit wieder etwas in den Hintergrund gerückt sind. "Wie sich Mehrweg beim Wein in Deutschland entwickeln wird, hängt ganz entscheidend vom Handel ab, also von den Großen der Branche wie Rewe, Edeka und Co. Nur wenn die das akzeptieren und nachfragen, dann werden sich Mehrwegflaschen flächendeckend etablieren", so die Einschätzung von Kolja Bitzenhofer vom Freiburger Staatsweingut.
Doch selbst wenn der Durchbruch im Handel eines Tages gelingen sollte, dann wären wohl längst nicht alle Kellereien und Weingüter dabei. Schon gar nicht die aus dem Ausland. Die Prognose von Melanie Gratwohl von Verallia: „Ich gehe davon aus, dass etwa zehn Prozent der Weine, die in Deutschland abgefüllt werden, mittelfristig in Mehrwegflaschen stecken werden.“ Für neun von zehn Weinflaschen würde das also weiter heißen: Glascontainer statt Pfandautomat.