Streiks und Personalnot - den Trägern fällt in der Kita-Krise bisher wenig ein, außer den Dauerengpass auf die Eltern abzuwälzen. Keine gute Idee, findet Laura Koppenhöfer.
So gut wie alle Eltern von Kita-Kindern kennen die Liste des Grauens. Sie hängt unübersehbar an der Eingangstür oder am Schwarzen Brett und präsentiert schonungslos die aktuell in der Einrichtung kursierenden Krankheiten. Und gibt damit einen dezenten Vorgeschmack auf das, was das Keimkarussell als nächstes aufs eigene Kind abwerfen könnte. Während Neulinge noch bei “Hand-Fuß-Mund” oder “Bindehautentzündung” entsetzt aufheulen, nicken mit den Jahren Abgebrühte solche Standards routiniert ab und seufzen höchstens bei “Norovirus” oder “Kopfläuse” ein resigniertes “Schon wieder?”
Die Kolumne von Laura Koppenhöfer können Sie hier auch als Audio hören:
Zur Liste des Grauens kommen die Streiktage hinzu
Zu dieser dauerpräsenten Liste des Grauens gesellen sich seit einiger Zeit weitere Aushänge, die ebenfalls nichts Gutes zu vermelden haben. Nämlich entweder, dass die Kita den fünften Tag in Folge früher zu- oder gar nicht erst aufmacht: Streik, Planungstag, Entlastungstag, Streik, Betriebsausflug, wieder Streik.
Ein normaler Kita-Tag ist selten
Kommt man morgens rein und es hängt da kein Früher-oder-ganz-geschlossen-Hinweis, ploppen im Eltern-Chat zuverlässig ungläubige Nachfragen auf: "Echt, normal geöffnet und morgen auch? Ich frag’ lieber nochmal nach…"
Die Eltern im Dauerstress
Und auch wenn ein Streik für bessere Arbeitsbedingungen in Kitas verglichen mit dem Norovirus eine ungemein größere Daseinsberechtigung hat - die Folgen für die berufstätigen Eltern sind hier wie da gleich: Keine Betreuung, dafür wachsende Berge nicht geschaffter Arbeit. Und der damit verbundene innere Konflikt, der an den Nerven zerrt.
Das schlechte Gewissen der Eltern
Hat das Keim-Karussell zugeschlagen, hört das elterliche Gewissen prompt die Kinderärztin mahnen: “Wenn ihr Kind so fit ist, dass Sie abends denken, heute hätte es in die Kita gekonnt, dann können Sie es wieder schicken.” Ob Keim oder Streik, ist dem beruflichen Gewissen egal, wenn es den Projektleiter mit den Augen rollen hört - ja, das kann man hören! Doch noch lauter hört das sofort los ratternde Logistikzentrum des Elternhirns die Stimme des anderen Elternteils: “Also, ICH kann diesmal auf keinen Fall zu Hause bleiben!”
Ganz klar: Wer die letzten Jahre nicht in einer fernen Galaxie oder im Koma verbracht hat, kann sowohl Streik- als auch Entlastungstage nur als angemessen respektieren. Die Fachkräfte in den Kitas leiden ja mindestens genauso unter dem drastischen Personalnotstand.
Gestressten Eltern fehlt die Energie zum Protest
Doch ist nicht zu übersehen, dass es sich schon während der Corona-Pandemie als besonders einfache und noch dazu günstige Option rausgestellt hat, Engpässe auf Eltern abzuwälzen. Kostet scheinbar nichts und lauter Protest ist auch nicht zu erwarten. Wann soll der auch bei so vielen Betreuungslücken angeleiert werden und mit welcher Energie?
Pandemie-Jahre waren hart genug
Schließlich stecken den Familien ja auch noch erwähnte Pandemie-Jahre in den Knochen - beim Gedanken an monatelanges Homeoffice inmitten der spontan eröffneten Heimkita, wochenlange Quarantäne bei Freibadwetter und unzählige Umwege über die Lollitest-Station bekommen viele Eltern noch immer Gänsehaut.
Hoffen auf bessere Zeiten
Unsere Kita-Leitung macht sich nach all den Aushängen, Aufstellern und Rundmails charmanterweise noch immer die Mühe, stets einen positiven Ausblick zu geben: “Heute, morgen und übermorgen muss die Kita auf Grund der Personalsituation früher schließen. Aber am Montag könnte sich vielleicht die Lage hoffentlich wieder entspannen!”
Ich ruf’ schon mal bei der Babysitterin an.
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