Die Lokführergewerkschaft GDL will wieder streiken - diesmal sechs Tage lang. Damit stößt sie zunehmend auf Kritik. In zwei Standpunkten wägen wir Argumente dafür und dagegen ab.
Bahnkunden steht der bisher längste Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn bevor. Die Lokführergewerkschaft GDL hat Arbeitsniederlegungen von Mittwochmorgen bis zum darauffolgenden Montag angekündigt. Die Ankündigung kommt kurz nach einem neuen Angebot der Bahn vom vergangenen Freitag.
Das Vorgehen der GDL stößt dabei zunehmend auf Kritik, unter anderem vom Fahrgastverband Pro Bahn und von Bundesverkehrsminister Volker Wissing. GDL-Chef Claus Weselsky dagegen hat den Streik als rechtmäßig und verhältnismäßig verteidigt.
Die SWR-Wirtschaftsredakteure Christoph Mautes und Michael Wegmer wägen in ihren Standpunkten Argumente dafür und dagegen ab.
Pro: "Wer Millionen für Boni hat, hat sie auch fürs Personal"
SWR Wirtschaftsredakteur Christoph Mautes sieht in seinem Kommentar die Bahn in der Pflicht. Hier seine Argumentation:
"Die Bahn reagiert auf Streiks eigentlich immer mit den selben drei Schlagworten: Überzogen, unverantwortlich, unnötig. Oder mit anderen Worten: Die Lokführer sollen gefälligst nehmen, was sie vorgesetzt kriegen.
Und eben da klafft eine riesige Lücke in der Wahrnehmung. 97 Prozent der GDL-Mitglieder sind offensichtlich so unzufrieden mit ihren Arbeitsbedingungen, dass sie für Streiks gestimmt haben. Weselsky und seine Streiklust kennt man nun auch schon ein paar Jahre in der Bahnzentrale.
Die Bahn wusste also ganz genau, was auf sie zukommt. Und das lässt für mich nur zwei Schlüsse zu: Entweder hat man wirklich gedacht, die GDL lässt sich mit dem Angebötchen abspeisen, dass die Bahn zuletzt präsentiert hat. Oder - und das halte ich für wahrscheinlicher - man nimmt die Streiks aus Konzernsicht nur zu gern in Kauf. Denn es lenkt den Unmut der Bevölkerung ruckzuck auf die Gewerkschaft.
Diese Taktik ist so alt wie erfolgversprechend. Und sie lenkt wunderbar davon ab, dass sich die Vorstände Millionen-Boni in die Taschen stecken dafür, dass sie einen der größten Konzerne Deutschlands seit Jahren auf Verschleiß fahren.
Die GDL sitzt aber - wie Beschäftigte in ganz Deutschland übrigens - wegen des Fachkräftemangels an einem immer länger werdenden Hebel. Und es ist spannend zu sehen, dass eine Gewerkschaft ihn tatsächlich mal benutzt."
Soweit der Standpunkt von SWR-Wirtschaftsredakteur Christoph Mautes.
Contra: "Neuer Bahnstreik unverhältnismäßig"
Dagegen sieht SWR-Wirtschaftsredakteur Michael Wegmer GDL-Chef Claus Weselky in der Pflicht. Hier seine Argumentation, warum er den Steik nicht für angemessen hält:
"Es gibt doch so was wie einen guten Ton. Oder Umgangsformen. Die vermisse ich allerdings bei GDL-Chef Weselsky schon länger. Es ist ja nicht so, dass die Bahn nichts anbietet. Trotzdem hat die GDL, nein hat die One-Man-Show Weselsky, direkt nach den Auftaktverhandlungen streiken lassen, die Tarifverhandlungen nach der zweiten Runde für gescheitert erklärt. Und jetzt, wo sich die Bahn mit einem neuen Angebot zum ersten Mal der Kernforderung der Gewerkschaft nähert. Reduzierung der Schichtarbeitszeit. Bäm. Hauen wir eben einen Sechs-Tage-Streik raus.
Die GDL verhandelt für rund 10.000 Beschäftigte und legt dafür zum wiederholten Mal den kompletten Bahnverkehr in Deutschland lahm. Schadet damit ihrem ohnehin maroden und hochverschuldeten Arbeitgeber. Und stellt Forderungen, die aus meiner Sicht für die Bahn kaum zu stemmen sind. Denn es bräuchte bei weniger Arbeitszeit mehr neues Personal, das es auf dem Markt nicht gibt.
Mir fehlt da die Verhältnismäßigkeit. Und deshalb wünsche ich mir, dass Claus Weselsky kurz vor seinem Ruhestand die Notbremse zieht, seinen Egotrip aufgibt und zurück an den Verhandlungstisch kommt."
Soweit der Standpunkt von SWR-Wirtschaftsredakteur Michael Wegmer.
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