Die NATO hat ihr größtes Manöver seit dem Kalten Krieg gestartet. Von Ulm aus werden die Truppen koordiniert, sagt der dortige Generalleutnant. Er plädiert außerdem für eine Wehrpflicht.
Das NATO-Unterstützungskommando JSEC in Ulm koordiniert beim aktuellen NATO-Manöver Truppen im gesamten Bündnisgebiet. Es ist das größte Manöver seit Ende des Kalten Krieges. Am Mittwochabend informierte NATO-Generalleutnant Alexander Sollfrank in Ulm über das NATO-Manöver und die aktuelle Sicherheitslage in Europa.
- "Steadfast Defender" - größtes NATO-Manöver seit dem Kalten Krieg
- Ist die Bundeswehr kriegstüchtig?
- Generalleutnant aus Ulm sieht Wehrpflicht als Option
- Weitere Regionen im Fokus der Ulmer Kommandos
"Steadfast Defender" - größtes NATO-Manöver seit dem Kalten Krieg
90.000 NATO-Streitkräfte nehmen in den kommenden Monaten an der Übung teil. "Steadfast Defender" nennt sich das Manöver, 31 NATO-Nationen sowie Beitrittsanwärter Schweden sind daran beteiligt. Es ist das größte seit dem Kalten Krieg und richtet sich gegen "potenzielle Aggressoren", so Generalleutnant Sollfrank.
Das Szenario des Manövers ist ein russischer oder terroristischer Angriff auf ein alliiertes Territorium, der zum Bündnisfall führen würde. Mit dieser Übung möchte die NATO eine schnelle Verlegung von nationalen und multinationalen Truppen an die NATO-Ostflanke trainieren.
Unmittelbar eingebunden in das Manöver ist auch das in der Ulmer Wilhelmsburgkaserne stationierte NATO-Unterstützungskommando JSEC, das Joint Support and Enabling Command. Von hier aus werden Truppenverlegungen und Materialtransporte im gesamten Bündnisgebiet koordiniert.
Generalleutnant Sollfrank, Kommandeur dieses NATO-Unterstützungskommandos, erklärte: "Es ist einfach erforderlich, dass militärische Kräfte ihre Abläufe üben." Die NATO wolle wirksam abschrecken. Elementar dafür sind laut Sollfrank entsprechende Logistik und Munition. Aber gerade Munition beispielsweise fehle unter anderem durch die militärische Unterstützung der Ukraine.
Ist die Bundeswehr kriegstüchtig?
"Abschreckung heißt das entscheidende Wort." Hierzu müsse die NATO ihre Verteidigungsfähigkeit demonstrieren, aber auch die Glaubwürdigkeit, es zu tun.
Es sei wichtig, sich beim Aufrüsten keine Zeit zu lassen. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte bereits erklärt, die Bundeswehr "kriegstüchtig" zu machen. Laut Sollfrank könne Deutschland "sofort Krieg führen." Allerdings sei das Risiko hoch. Nun gehe es darum, dieses Risiko zu mindern und hohe Verluste im Verteidigungsfall zu verhindern.
Laut Sollfrank ist es weiterhin wichtig, der Ukraine im Kampf gegen den russischen Aggressor zu helfen. Der Krieg im Osten Europas sei keineswegs entschieden. Sollte Putins Russland den Krieg gegen die Ukraine gewinnen, gebe es ein "wirkliches Risiko, dass die Aggression nicht endet", so der General.
Generalleutnant aus Ulm sieht Wehrpflicht als Option
Damit eine Abschreckung und Verteidigung der NATO-Staaten wirklich funktioniert, sei weiteres Personal auch in der Bundeswehr nötig. Für Sollfrank wäre die Rückkehr zu einer Wehrpflicht eine Option. Zumindest solle in der Gesellschaft diskutiert werden, welche Folgen eine Wehrpflicht, aber auch ein Verzicht haben könnte.
Allerdings: Er kenne niemanden, "der die alte Wehrpflicht zurück will." Deshalb sei es wichtig, dass der Verteidigungsminister untersuchen lasse, welche Optionen es gebe. "Der Wille und die Fähigkeit zur Abschreckung und zur Verteidigung müssen auch in der Bevölkerung verankert sein", so Sollfrank in seiner Rede im Ulmer Kornhaus. Frieden, Freiheit und Wohlstand seien nicht selbstverständlich, unterstrich er.
Weitere Regionen im Fokus der Ulmer Kommandos
Mit dem NATO-Hauptquartier des JSEC und der EU-Ausrichtung des Multinationalen Kommandos Operative Führung hat der Ulmer Standort eine besondere Bedeutung für die Bundeswehr. Der Blick der beiden Kommandos in der Wilhelmsburg richtet sich dabei nicht nur auf die Lage in der Ukraine. Instabile Situationen wie in den afrikanischen Ländern Mali oder Niger sind ebenso im Fokus wie der Krieg im Gazastreifen.