Der Landkreis Heidenheim ist geprägt von einer langen Industriegeschichte. Heute kämpfen viele ansässige Unternehmen ums Überleben. Das geht auch den Beschäftigten an die Substanz.
Voith, TDK, Osram: Immer mehr Unternehmen in der Region Heidenheim haben wirtschaftliche Schwierigkeiten. Viele verlagern Arbeitsplätze - dorthin, wo es günstiger ist. Andere Firmen müssen sogar schließen. Das trifft selbst alteingesessene Unternehmen.
Hiobsbotschaften aus den Betrieben im Kreis Heidenheim
Fast wöchentlich bekommt Tobias Bucher neue Hiobsbotschaften aus den Betrieben auf den Tisch. Bucher ist Geschäftsführer der IG Metall in Heidenheim. Und damit Ansprechpartner für alle, die nicht wissen, ob es ihren Arbeitsplatz morgen noch gibt.
Mehr als tausend Stellen sind in der Region in Gefahr, fürchtet er. Ein aktueller Fall: Der Heidenheimer Maschinenbaukonzern Voith prüft den Verkauf des Bereichs Spezialbremsen: "Für die 270 Beschäftigten eine große Ungewissheit", so der Gewerkschafter.
Immerhin: Bei der geplanten Verlagerung der Voith Hydro Fertigung von Heidenheim nach St. Pölten in Österreich haben Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter jüngst eine Einigung erzielt. 30 Arbeitsplätze von Voith Hydro sollen demnach vorerst in Heidenheim erhalten bleiben.
Wenige Kilometer entfernt, im Heidenheimer Gewerbegebiet, sitzt der Elektronikkonzern TDK Electronics. Noch werden hier elektronische Bauteile für Autos hergestellt. Von 540 Beschäftigten sollen 300 gehen. Das hatte das Unternehmen bereits im März angekündigt. Der Betriebsrat und die IG Metall Heidenheim hatten ein Alternativkonzept vorgelegt. Dieses wurde von der Geschäftsleitung abgelehnt.
TDK-Betriebsratsvorsitzende: "Schlafen kann ich nicht mehr so gut"
TDK-Betriebsratsvorsitzende Marion Beylschmidt hätte sich eine andere Lösung für die Angestellten gewünscht: "Schlafen kann ich nicht mehr so gut. Das Denken um die Firma hört nicht auf. Und das frisst einen richtig auf." Beylschmidt bezweifelt, dass die Entlassenen bei anderen Firmen der Region eine passende Stelle finden können: "Rundherum schlägt es ja gerade überall ein, mit mit Kündigungen und Insolvenzen."
Die Situation wird auch an einer aktuellen Konjunkturumfrage der IHK Ostwürttemberg deutlich: Jedes dritte Unternehmen gab an, seine Beschäftigtenzahlen in den kommenden zwölf Monaten voraussichtlich reduzieren zu wollen. Herausforderungen sehen die Unternehmen laut Umfrage insbesondere in der unsicheren Inlandsnachfrage, in den Arbeitskosten sowie im Fachkräftemangel.
Viele Beschäftigte sind verunsichert. Ende Oktober folgten 500 Menschen in Heidenheim dem Protest-Aufruf der IG Metall gegen den Abbau von Arbeitsplätzen und die Verlagerung ins Ausland. Neben Arbeitgebern richtete sich die Demonstration auch gegen die Bundesregierung, die laut Gewerkschaft zu wenig Anreize für Investitionen schaffe.
Weiter südlich, in Herbrechtingen, machte in den letzten Jahren auch Leuchtmittel-Hersteller Osram Schlagzeilen: Nach mehreren Umstrukturierungen gibt es dort heute noch 550 Beschäftigte, laut IG Metall waren schon einmal 1.600. Ab Januar will der frühere Weltmarktführer in den kommenden zwei Jahren weitere 60 Stellen in der Verwaltung und in Unternehmensfunktionen streichen. Schon im Juli wurde bekannt, das weitere 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Werk verlassen, in dem Autoleuchten produziert werden. Sie verlassen das Unternehmen in Altersteilzeit oder durch Aufhebungsverträge mit Abfindungen.
Betriebsratsvorsitzender Alexander Müller wünscht sich für die Osram-Beschäftigten eine Zukunftsaussicht: "Wie hat so schön jemand gesagt: Er möchte endlich mal wieder in Ruhe arbeiten. Er braucht eine gewisse Zuversicht, eine Perspektive nach vorne. Ich glaube, das braucht jeder Mensch."
"Zukunftsoffensive" soll Firmen auf der Ostalb unterstützen
"Das spüre ich schon, dass die Stimmungslage sich in den letzten Wochen und Monaten deutlich verschlechtert hat", meint Thilo Rentschler. Er ist Hauptgeschäftsführer der IHK Ostwürttemberg. "Wir wissen, wenn man nicht rechtzeitig gegensteuert, dann sind es nicht nur Wohlstandsverluste. Sondern dann geht es letztendlich tief in die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge hinein."
Dagegen wolle man sich stemmen: Ostwürttemberg ist seit 2021 eine von bundesweit 27 Modellregionen, in denen Automobil- und Zulieferwirtschaft sowie Maschinenbauunternehmen beim Strukturwandel unterstützt werden.
Offensive Zukunft Ostwürttemberg
Mit der "Offensive Zukunft Ostwürttemberg" wolle man den akuten wirtschaftlichen Herausforderungen in der Region begegnen. Um nicht zum "schwierigen Gebiet" zu werden, so Rentschler. An der Offensive beteiligen sich Kommunen, Jobcenter, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände und Bildungseinrichtungen. Unter anderem wollen sie die Förderung von Wasserstoff und neue Weiterbildungskonzepte voranbringen.
Immerhin habe man allerhand zu bieten, ist Rentschler überzeugt: "Wir haben hier die forschungsstärkste Hochschule für angewandte Wissenschaften bundesweit. Und wir sind die drittstärkste Patent-Region europaweit mit starken Weltmarktführern, mit einer starken Industrietradition."
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