Alte Menschen haben viel zu erzählen, doch oft sterben ihre Geschichten und Erinnerungen mit ihnen. Der Heidenheimer Helmut Weiss hat einen Weg gefunden, genau das zu verhindern.
Noch in der Corona-Pandemie fängt Helmut Weiss aus Heidenheim mit dem Schreiben an - und hört erst nach 1.200 Seiten wieder auf. Alles von Hand geschrieben. Mittlerweile ist ein Buch daraus entstanden: "Mein langes Leben im Fluss der Zeit".
Helmut Weiss ist 95 Jahre alt. In seinem Alter können manche Menschen nicht einmal mehr lesen. Helmut Weiss kann sogar noch sehr gut schreiben - und wie: Vor etwa fünf Jahren kam die Idee zum Buch auf. Das Manuskript entstand in den Lockdowns der Corona-Pandemie.
Interessant dabei: In seinem Manuskript, dass mehrere Aktenordner füllt, findet man nicht ein durchgestrichenes Wort. Helmut Weiss hat alles chronologisch aufgeschrieben, fein säuberlich. "Das liegt an meiner Ordnungsliebe. Ich kann das nicht leiden, durchgestrichene Sachen", erzählt er. Wer so strukturiert schreiben kann, der hat einen ganz klaren Verstand und die Erinnerungen ganz klar vor Augen.
Vom Riesengebirge nach Heidenheim: Ein Leben mit vielen Stationen
Helmut Weiss erzählt seine Geschichte ganz lebendig. Es ist die Geschichte eines vertriebenen Sudetendeutschen, wie es sie in ähnlicher Form tausendfach gab. Also ein Leben mit vielen Stationen: Geboren 1929 im Riesengebirge, Soldat am Ende des zweiten Weltkriegs, als Vertriebener nach Heidenheim gekommen, Familie gegründet mit seiner Klementine und 45 Jahre bei Siemens gearbeitet. Ein bewegtes Leben, viel zu erzählen – viel zu schreiben.
Autorin Renate Hartwig unterstützte Helmut Weiss bei seinem Buch
476 Seiten gedruckter Text – keine Bilder. Helmut Weiss war von Beruf Werkzeugmachermeister. Den Anstoß für sein Buch gab die Autorin Renate Hartwig. Sie hat auf ihr Buch "Erbschleicher und sonstige Verwandte" viele Reaktionen von älteren Menschen bekommen. Deren Geschichten wollte sie erzählen und mit den Geschichten junger Menschen in einem Buch mit dem Arbeitstitel "Begegnungen" zusammenbringen.
Dafür suchte sie Protagonisten und stieß auf Helmut Weiss. Eigentlich sollte Weiss nur Stichworte beitragen, doch damit kam er nicht klar und fing an zu schreiben. Als er ihr dann die 1.200 Seiten vorlegte, half sie ihm, daraus sein Buch zu machen. An den "Begegnungen" arbeitet Renate Hartwig noch immer. Corona und Helmut Weiss kamen dazwischen.
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