Einmal in der Woche singen Ehrenamtliche abends in einem Reutlinger Seniorenheim. Nicht als Chor, sondern direkt bei den Bewohnern am Pflegebett. Das hilft gegen Einsamkeit.
Jeden Montag stattet Gabriele Blum-Eisenhardt dem Reutlinger Seniorenzentrum am Markwasen einen Besuch ab. Gemeinsam mit anderen "Abendsängern" und ausgestattet mit einem Notenheft. Doch die Ehrenamtlichen treten nicht als Chor auf. Sie klopfen immer zu zweit an die Zimmertüren der Bewohnerinnen und Bewohner und singen ihnen persönlich Gute-Nacht-Lieder vor.
Senioren freuen sich über Ständchen am Pflegebett
Die meisten Bewohnerinnen freuen sich über den Besuch und haben Wünsche. "Der Mond ist aufgegangen" ist besonders beliebt, ebenso "Kein schöner Land". Viele Seniorinnen und Senioren sind zwischen 90 und 100 Jahre alt, aber an die Liedtexte von früher erinnern sie sich gut und singen engagiert mit. Wie etwa die 98-jährige Irmgard Rothenbacher, die als Kinderkrankenschwester früher viel mit kleinen Patienten und Patientinnen gesungen hat.
Es gehe darum, den Bewohnern zu zeigen, dass sie nicht allein sind, sagt Blum-Eisenhardt. Und dass sie, auch wenn sie vielleicht nicht mehr mobil sind, ein Teil des Quartiers und der Gemeinde sind. Am Abend gehe sie beschenkt nach Hause. "Man spürt viel Dankbarkeit", sagt sie, und das bei einem Engagement, das niederschwellig ist.
Singen am Pflegebett: Feingefühl gefragt
Man muss nicht gut singen können, um anderen mit ein paar Gute-Nacht-Liedern eine große Freude zu machen, sagt Blum-Eisenhardt, die hauptberuflich als Sozialpädagogin arbeitet. Sie hat das Abendsingen als Teil der Quartiersinitiative "lebenswert" der Evangelischen Kreuzkirchen-Gemeinde etabliert. Die Idee kam von einer Chorleiterin bei Stuttgart.
Feingefühl ist auch gefragt. Schließlich gehen die ehrenamtlichen Abendsänger in die Zimmer der Bewohner. Nicht immer können sie auf das Angebot reagieren. Dann müsse man sich stark auf sein Bauchgefühl verlassen, sagt Blum-Eisenhardt. Sie erzählt von einem Mann, der sich unruhig im Bett wälzte.
Ständchen singen einfach übertragbar
"Sollen wir gehen oder sollen wir singen?", fragten sich die Abendsänger. Sie sangen - und der Mann wurde ruhiger. Ein anderer Bewohner, ein ehemaliger Chorleiter, reagierte zunächst nicht, dirigierte dann aber mit den Zeigefingern mit.
Wer kein Gute-Nacht-Lied möchte, dem wünschen die Abendsänger eine gute Nacht und ziehen sich zurück. Viele Bewohner freuen sich jedoch schon die ganze Woche auf das gemeinsame Singen. Blum-Eisenhardt und ihre Gruppe wünschen sich, dass das Projekt auch in anderen Seniorenheimen Schule macht. Sie empfiehlt, auf Heimleitungen zuzugehen oder sich an die Quartiersinitiative "lebenswert" zu wenden.
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