Am Landgericht Tübingen wird der Fall um einen 33-jährigen Mann neu aufgerollt. Er soll vergangenes Jahr am Tübinger Hauptbahnhof Polizisten bedroht und verletzt haben.
Der damals 32 Jahre alte Mann soll im September vergangenes Jahr am Tübinger Hauptbahnhof Passanten beleidigt und bedroht haben. Als die Polizisten kamen, schwang der Mann ein Fahrradschloss aus Metall durch die Luft. Danach ging er auf die Bahngleise. Dort überwältigten ihn die Polizisten, einer davon stürzte dabei rücklings auf eine Bahnschiene, einen weiteren biss der Angeklagte in den Unterarm. Auch Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer meldete sich damals wegen des Vorfalls zu Wort.
In erster Instanz zu Haftstrafe verurteilt
Das Amtsgericht Tübingen hatte den Angeklagten bereits wegen Beleidigung, Bedrohung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Jetzt wird der ganze Fall noch mal aufgerollt.
Am ersten Verhandlungstag erzählte der Angeklagte von seinem Weg von Gambia nach Deutschland. Seine Rechtsanwältinnen lasen eine Erklärung vor, in der der 33-Jährige schilderte, dass er auf seiner Flucht Erfahrungen mit Polizeigewalt gemacht habe. Deshalb sei er in Panik geraten.
Polizist wird bei Sturz lebensgefährlich verletzt
Die zwei verletzten Polizisten sagten als Zeugen aus. Einer von ihnen musste notoperiert werden, weil er nach dem Sturz auf die Gleise einen sogenannten Pneumothorax erlitten hatte. Dabei entweicht Luft aus der Lunge in den Brustkorb. Dieser Teil kann kollabieren und steht dann zur Atmung nicht zur Verfügung. Der Polizist hatte in der Folge Atemprobleme. Die Verletzung war laut einer rechtsmedizinischen Gutachterin lebensgefährlich.
Der Polizist sagte aus, er sei nicht vom Angeklagten gestoßen worden, möglicherweise sei er bei einem Gerangel auf dem Schotter im Gleisbett ausgerutscht oder gestolpert. Ein anderer Polizist hat noch heute eine Narbe am Arm - an der Stelle, an der der Angeklagte ihn gebissen hat. Bei beiden entschuldigte sich der Angeklagte während der Verhandlung zum ersten Mal. Dabei übersetzte ein Dolmetscher seine Entschuldigung.
Boris Palmer fordert strengere Gesetze für Untersuchungshaft
Es war eine Tat, die schon vor einem Jahr große Aufmerksamkeit bekommen hatte. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos) wandte sich danach mit einem offenen Brief an das Innen- und Justizministerium. Er wollte wissen, warum der Beschuldigte noch auf freiem Fuß und nicht in Untersuchungshaft war. Dabei bezog er sich auf die Strafprozessordnung. Ein Tatverdächtiger könne verhaftet werden, wenn das Leben eines anderen gefährdet worden sei, so Palmer. Er wurde von Rechtsexperten aber darauf hingewiesen, dass die bloße Gefährdung kein Haftgrund sei. Später forderte Palmer eine Verschärfung des Paragraphen für Untersuchungshaft.
Die nächste Verhandlung des Falles ist für den 24. September angesetzt.