Streuobstwiesen müssen gepflegt werden, sonst verschwinden sie. In Mössingen übernimmt das ein Projekt für Menschen mit und ohne Behinderung - finanziert durch Baumpatenschaften.
Lange hat sich niemand um die Streuobstwiesen rund um Mössingen im Landkreis Tübingen gekümmert. Inzwischen hat sich das geändert: Ein Verein setzt sich für den Erhalt der teils jahrhundertealten Bäume ein - gemeinsam mit einem Unternehmen, bei dem Menschen mit und ohne Behinderung arbeiten. Möglich machen das Baum-Patenschaften.
Patenschaftsprojekt rettet Streuobstwiesen rund um Mössingen
Eine Streuobstwiese auf der Olgahöhe bei Mössingen (Kreis Tübingen). Der Jutesack, den Julian Straubinger und Florian Bitzer durch den spätsommerlichen Nachmittag schleppen, ist prall gefüllt: 20 Kilo Äpfel. Seit dem Vormittag sind sie hier beschäftigt. Die beiden Männer arbeiten beim Inklusionsunternehmen "Arbeit in Selbsthilfe (AiS)", das Menschen mit und ohne Behinderung beschäftigt. Als Teil der Grüngruppe kümmern sie sich unter anderem um die Mössinger Streuobstwiesen: schneiden, mähen, ernten.
Ihr Einsatz ist entlang des Hangs deutlich zu sehen: Die Obstbäume sind ordentlich gestutzt, frei von sogenannten Schmarotzerpflanzen. Viele tragen leuchtend rote oder grünlich-gelbe Äpfel. Seine Arbeit ist Julian Straubinger von der inklusiven Grüngruppe wichtig: „Natur muss einfach sauber und gepflegt sein. Ich kann das nicht sehen, wenn Leute Obst schlecht werden lassen.“ Vor wenigen Jahren noch wären viele der Bäume an den Mössinger Hänge beinahe eingegangen, erzählt Ulrich Eder vom Netzwerk Streuobst Mössingen.
2014 startete er das Patenschaftsprojekt "mybäumle". Das Prinzip: Privatleute oder Firmen übernehmen mit einer jährlichen Spende von 50 Euro die Kosten für die Baum-Pflege. Eder freut sich: "Das Schöne daran ist, dass es gleichzeitig auch Arbeitsplätze schafft" - darunter auch die von Julian Straubinger und Florian Bitzer.
Menschen mit und ohne Behinderung pflegen Mössinger Obstbäume
Rund 190 Patenbäume hat Eders Team schon vermittelt. Viele als Geburtstagsgeschenk oder als Erinnerung an Verstorbene. Ihre Namen stehen auf bunten Tafeln entlang des idyllischen Wanderwegs, der durch die Streuobstwiesen führt. Auch Catharina Schubert ist Patin. Ihrem etwa 50 Jahre alten Paten-Kirschbaum ist deutlich anzusehen, dass er viele Jahre nicht gepflegt wurde.
Schubert hat ihn schon einige Male besucht - und freut sich, dass sich der knorrige Baum langsam erholt: „Ich nehme ein bisschen Verantwortung auf meine Schultern oder auf meine Geldbörse und tue dem Baum etwas Gutes." Dass sie mit ihrer Spende die Arbeit der AiS unterstützt, habe sie so sehr begeistert, dass sie noch eine zweite Patenschaft übernommen hat - diesmal für einen Zwetschgenbaum.
Säfte, Dörrobst oder Kuchen aus Streuobst
Auf der Streuobstwiese ist das Team von Julian Straubinger und Florian Bitzer in Eile: Das Obst ist reif und muss geerntet werden. In ihren Arbeitshosen erklimmen die Männer die bemoosten Birnen- und Apfelbäume, rütteln an den Baumstämmen - und gehen vor den herab fallenden Früchten in Deckung. In großen Plastikeimern und Säcken sammeln sie die Früchte. Mit ihnen soll noch viel passieren, erzählt Straubinger. Zum Beispiel: "Dörren oder Kuchen machen. Wir haben auch eine eigene Mosterei und unsere Cafés." Dort werden die Leckereien aus Streuobst später verkauft.
Dem Projekt "mybäumle" gehen derweil noch lange nicht die Obstbäume aus, sagt Ulrich Eder: "Es gibt einfach zu viele Bäume hier. Was ja sehr schön ist, aber zu viele Bäume, die nicht in Pflege sind." Und genau darum kümmert sich das Projekt.
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