Individuelle Implantate, AR-Brille und KI sind Teil modernster Medizintechnik. Themen, die Unternehmen aus Tuttlingen beschäftigen. Beispiele zum ARD-Thementag "Medizin der Zukunft".
Wenn jemandem ein Teil des Kiefers fehlt, etwa nach einer Tumorentfernung, dann braucht die Person ein Implantat, also ein Ersatzteil. Für besonders komplizierte Fälle gibt es mittlerweile individuelle Implantate, die ganz speziell für den jeweiligen Patienten entwickelt und hergestellt werden. Solche individuellen Implantate fertigt unter anderem das Unternehmen KLS Martin aus Tuttlingen an.
Im Falle des fehlenden Kieferstücks, wird ein Teil des Wadenbeins herausgeschnitten und als Ersatzknochen verwendet. Denn man kann auch ohne Wadenbein leben, sagt Geschäftsführer Michael Martin. Damit die Teile des Wadenbeinknochens dann gut mit dem Kiefer verwachsen, hält das Implantat alles zusammen.
Implantate aus dem 3D-Drucker
So eine Operation sei anspruchsvoll, komplex und bedürfe genauer Planung, so Martin. In einem Großraumbüro mit mehreren Mitarbeitenden werden die Implantate am Computer entworfen. Patientenspezifische Daten, die der Arzt oder die Ärztin direkt aus dem Krankenhaus senden kann, machen die genaue Anpassung möglich. Und auch künstliche Intelligenz helfe – zum Beispiel um fehlende Gesichtsknochen für die Planung zu rekonstruieren. Das führe zu deutlich präziseren Ergebnissen.
Rekonstruktion mit Künstlicher Intelligenz
Michael Martin zeigt das an einem Schädelmodell: Fehlt ein Teil der Knochen rund um eine Augenhöhle, so habe man früher einfach die noch intakte Gesichtshälfte gespiegelt. Doch weil das Gesicht nicht komplett symmetrisch ist, habe das nicht immer genau gepasst.
Mit künstlicher Intelligenz funktioniere das besser: Nur drei Punkte an noch vorhandenem Knochen reichten aus, um den fehlenden Knochen sehr genau zu rekonstruieren. Hergestellt werden die individuellen Implantate nach der Planung im 3D-Drucker. Ein passgenaues Implantat könne eine Operation deutlich verkürzen. Außerdem seien Komplikationen seltener. Eine Erleichterung für Arzt und Patienten.
Ausblick: Sich auflösende Implantate und Augmented Reality
Zukünftig würden die vielfach noch aus Titan hergestellten Implantate aus Biowerkstoffen hergestellt werden. Als Beispiel nennt Michael Martin Magnesium, das speziell aufbereitet wird. Wenn das Magnesium-Implantat natürlichen Knochen zusammenhält, bis dieser mit dem intakten Knochen verwachsen ist, könnte sich das Implantat danach auflösen und der Körper die Biowerkstoffe abbauen. Fremdstoffe im Körper könnten so reduziert werden.
Als zweites Zukunftsfeld sieht Martin die AR-Technologie, also Operationen mit einer Augmented Reality-Brille. Dabei werden dem Arzt oder der Ärztin über eine Brille Informationen eingespiegelt. Wenn dann beispielsweise der Patient auf dem OP-Tisch liegt und das Wadenbein freigelegt ist, kann die AR-Brille dem Arzt genaue Positionen zeigen, wo er etwa ein Loch bohren, in welchem Winkel und wie tief er es bohren muss.
Aesculap setzt auf 3D-Druck und Robotik
Das Medizintechnik-Unternehmen Aesculap nutzt 3D-Drucker mittlerweile auch für die Serienproduktion von Standard-Implantaten. Das Prinzip: Der Drucker trägt auf eine Platte eine feine Lage Titanpulver nach der anderen auf, bis mehrere Implantate fertig sind.
Die werden dann noch nachbearbeitet. Die Oberflächenstruktur der Implantate würde immer mehr einer natürlichen gleichen, erklärt Holger Reinecke, Vorstandsmitglied von Aesculap. Eine Gitterstruktur macht das Implantat stabiler und elastischer. So würden die Implantate schneller einwachsen, die Krankenhauszeiten für Patientinnen und Patienten verkürzten sich und man fühle das Implantat weniger, erklärt Reinecke.
Aesculap nutzt außerdem Robotik in der Mikroskoptechnik für eine hochaufgelöste Sicht in den Körper. Eine neue Operationsmikrokopie-Plattform, die mit einem Roboterarm funktioniert, macht Strukturen, wie etwa Tumore besser sichtbar. Der Chirurg kann mit einer 3D-Brille die Strukturen auf einem Bildschirm deutlicher erkennen und daraufhin bessere Entscheidungen treffen. Auch die Diagnostik ist so einfacher.
Die Robotik sei dabei aber immer nur ein Hilfsmittel, betont Reinecke. Sie helfe dabei, zu navigieren, also genau zu wissen, wo operiert und wo beispielsweise ein Implantat eingesetzt werden müsse.
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