Er kleckst, trocknet aus und braucht Zeit. In einem Reutlinger Schreibwarenladen lebt der kultige Füllfederhalter aber wieder auf. Und ein Tübinger Künstler schwört auf den Füller.
Ob im Schreibwarenladen Ehinger in Reutlingen-Betzingen oder beim Hobby-Kalligrafen Sotiris Dandanas: Die Faszination für Handgeschriebenes mit Füllfederhalter ist hier groß. In einer Welt, die zunehmend auf digital setzt, erinnert der "Tag des Füllfederhalters" an das analoge Schreiben mit Tinte. Immer am ersten Freitag im November findet der inoffizielle Feiertag statt und zeigt auf, dass es noch einige Liebhaber des Federstiftes gibt.
Der Füller: Immer noch gefragt bei Kunden
In der Region Neckar-Alb faszinieren sich weiterhin Menschen für das Schreiben mit Füller - zum Beispiel im Schreibwarenladen Ehinger im Reutlinger Stadtteil Betzingen. Hier stehen zwischen bunt gefüllten Postkartenständern, Zeitschriften und Magazinen Regale voll mit Füllern in allen Farben, Formen und Preisklassen.
Schreibwarenhändler Michel Ehinger sagt, dass er auch heutzutage einen nicht unwesentlichen Teil des Umsatzes mit dem Verkauf von Füllern macht. Jedes Schulkind beispielsweise müsse ab der zweiten Klasse den sogenannten Füller-Führerschein machen. Neben Schülerinnen und Schülern gebe es aber auch hin und wieder echte Sammler, die Füller kaufen. Der teuerste Füller bei ihm im Laden liegt bei 170 Euro. Manche Kunden fragen laut Ehinger nach hochpreisigen Marken mit einer Füllfeder aus Massivgold.
Mit Füller schreiben - eine Generationenfrage?
Den Schreibwarenladen Ehinger gibt es bereits seit über 50 Jahren. Diedrich Greher ist dort Stammkunde. Wenn er im liebevoll eingerichteten Geschäft nach passenden Postkarten Ausschau hält, nutzt er die Gelegenheit, einen neuen Füller zu testen.
Greher gehört noch zu der Generation, die in der Schule noch mit Feder und Tintenfass geschrieben hat. Seitdem hegt er eine besondere Leidenschaft zum Handgeschriebenen mit Tinte. Er und auch andere Kunden schätzen den ideellen Wert, den so ein handgeschriebener Brief mit Füller bei einem Leser auslösen kann. Er sei so viel hochwertiger und persönlicher als mit Bleistift oder Kugelschreiber geschrieben, sagen sie im Gespräch mit dem SWR.
Ende des 19. Jahrhunderts hat Lewis Edson Waterman den ersten Füllfederhalter erfunden. Zuvor haben die Menschen noch mit Gänsefedern geschrieben. In den 1960er-Jahren sind dann die Kugelschreiber hinzugekommen und haben nach und nach den Füller verdrängt.
Kalligrafie mit Füller und Tinte als Meditation
Auch für Menschen der jüngeren Generation kann ein guter Füller ein entscheidendes Werkzeug für Kunstwerke sein. Sotiris Dandanas aus Tübingen zum Beispiel kreiert in seiner Freizeit gern mit Füllfederhalter Kalligrafien. Das Wort stammt aus dem Griechischen und steht für die Kunst des Schönschreibens. Dabei wird Schrift mit Tinte in geschwungenen Formen auf Papier gebracht.
Dandanas Leidenschaft ist 2017 entstanden, als er in einem Buch von Paulo Coelho erstmalig auf Kalligrafie aufmerksam wurde. Nach einer intensiven Recherche im Internet hat er nach eigenen Aussagen "nicht mehr genug bekommen" von den Werken der Künstler, die er entdeckt hat. Seine ursprüngliche Idee war eigentlich nur, sein Schriftbild zu verbessern. Er hat aber schell gemerkt, wie meditativ das Schreiben auf ihn wirkt.
Kalligrafie braucht Ruhe und Zeit - und Übung
Beim Schreiben nimmt er sich immer viel Zeit: Er müsse sich sehr konzentrieren, damit er die Formen und den Schwung der Buchstaben richtig hinbekommt, sagte er dem SWR. Bis er so gut zeichnen konnte wie heute, dauerte es einige Jahre, so Dandanas. Jedes Mal, bevor er sich an ein neues Werk setzt, zeichne er auf einem Übungsblock immer und immer wieder die gleichen Bewegungen.
Mittlerweile hat er eine riesige Sammlung von Füllfederhaltern, mit denen er unterschiedliche Kalligrafien aus aller Welt zeichnet - auch religiöse. Seine Tinte macht er selbst. Er hat auch ein ganz besonderes Füller-Exemplar: mit vergoldeter Feder. Zu Dandanas Kunstwerken gehören Geburtstags- und Postkarten sowie Gedichte.
Inzwischen kommen auch Menschen auf ihn zu, die eine Tattoo-Vorlage benötigen oder die ein Design für ein Buchcover anfragen, erzählt er. Füller und Tinte sind also längst nicht Geschichte.
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