Auf Tauben folgen Ratten

Warum Tuttlingen jetzt ein Rattenproblem hat

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Autor/in
Tim Richter
Tim Richter ist Reporter für Hörfunk, Online und Fernsehen beim SWR im Studio Tübingen.

Schon länger hat die Stadt Tuttlingen mit zu vielen Tauben zu kämpfen. Jetzt breiten sich stellenweise auch noch Ratten aus. Der Grund: Passanten legen illegal Futter aus.

In Tuttlingen wurden in der Rudolf-Diesel-Straße laut der Stadt mehrere Ratten gesichtet. Wie Pressesprecher Arno Specht dem SWR mitteilte, ist das illegale Füttern von Tauben die Ursache.

Taubenfütterung zieht Rattenschwanz nach sich

Das Problem: Laut Specht gibt es in Tuttlingen einige engagierte Tierfreunde mit falschem Antrieb. Meist nachts füttern sie trotz Verbot die Tauben. Das viele Futter auf der Straße habe die Ratten angelockt, so Specht. Direkt an der Rudolf-Diesel-Straße in einem niedrigen Gebüsch haben sie sich in Erdhöhlen eingenistet. Der Bereich ist nun abgesperrt, um weitere Fütterungen zu verhindern. Außerdem liegen für die Ratten Giftköder aus.

In der Rudolf-Diesel-Straße in Tuttlingen haben sich Ratten eingenistet.
In der Rudolf-Diesel-Straße in Tuttlingen haben sich Ratten eingenistet.

Bäckerei fürchtet Rattenplage

Die Ratten sind schlechte Neuigkeiten für die Stadt. Besonders für Marina Sulzer, die Betriebsleiterin der Tuttlinger Bäckerei Felsenbeck. Denn die Tiere haben es sich nur wenige Meter vor ihrer Bäckerei gemütlich gemacht. Präventiv habe sie einen Schädlingsbekämpfer hinzugezogen, der das Haus gründlich durchsucht habe, so Sulzer. Glück im Unglück - noch ist die Bäckerei Felsenbeck von den Ratten verschont geblieben. Doch das könne sich jederzeit ändern, dann müsse sie schließen, befürchtet Sulzer.

Problematische Tierliebe in Tuttlingen

Immer wieder hatte Marina Sulzer mit ihrem Team neues Futter bei dem Gebüsch entdeckt. Säcke voller Essensreste und kistenweise Tomaten wurden dort ausgeleert. Und das etwa fünf Mal pro Woche, scheinbar auf systematische Art und Weise: "Immer, wenn die Spätschicht gegangen ist, war noch kein Futter an der Ecke. Aber in der Früh lag dann wieder neues da", so Sulzer. Wer genau das Futter für die Tiere ausgelegt hat, war unklar. Gemeinsam mit dem benachbarten Drogeriemarkt ist die Betriebsleiterin deshalb auf das städtische Ordnungsamt zugegangen.

Trotz Verbot und abgesperrtem Bereich werden in Tuttlingen illegal Tauben gefüttert.
Trotz Verbot werden in Tuttlingen weiter illegal Tauben gefüttert.

Wiederholungstäterin in Tuttlingen erwischt

Der Kommunale Ordnungsdienst hat dann eine Frau auf frischer Tat ertappt. Laut dessen Leiter Benjamin Hirsch ist die Frau Wiederholungstäterin. Schon zum dritten Mal habe sie an verschiedenen Orten in Tuttlingen illegalerweise massenhaft Futter ausgelegt. Die Verdächtigte erwarte jetzt eine Anzeige und ein saftiges Bußgeld, so Hirsch. Denn selbst bei vielleicht guten Absichten habe die Taubenfütterung mit Tierschutz nichts zu tun.

Die Fütterungsaktionen locken im schlimmsten Fall Ratten, auf jeden Fall aber mehr und mehr Tauben nach Tuttlingen. Dabei gibt es laut Benjamin Hirsch in der Stadt ohnehin schon zu viele von den Vögeln. Die Tauben müssen sich dann einen zu engen Lebensraum teilen, auch mit vielen kranken Vögeln. Mit illegalen Fütterungen sei also niemandem geholfen, so Hirsch.

Besonders weil die Vögel in Tuttlingen durch einen Taubenschlag bereits gut versorgt und tiergerecht gefüttert werden. Einmal pro Woche reinigt der Taubenverein den Taubenschlag und ersetzt die Brut-Eier durch Zement-Eier. So wirkt Tuttlingen eigentlich einer Überbevölkerung entgegen. Wer die Tiere gerne sinnvoll füttern möchte, solle sich also gerne an den Taubenverein wenden, so Hirsch.

Im Taubenschlag in Tuttlingen werden die Vögel artgerecht gefüttert und versorgt.
Im Taubenschlag in Tuttlingen werden die Vögel artgerecht gefüttert und versorgt.

Reutlingen und Tübingen arbeiten mit Stadttauben-Konzept

Generell fühlen sich Tauben in Städten wohl. Hier finden sie laut Benjamin Hirsch viele Möglichkeiten, um zu nisten und zu fressen und breiten sich deshalb schnell aus. Die Stadt Tübingen hat deswegen beispielsweise ein eigenes Stadttauben-Konzept entworfen: Wilde Brutstellen in der Altstadt werden demnach durch Netze, Gitter oder andere Barrieren verbaut. Stattdessen können die Vögel in den dafür errichteten Taubenhäusern brüten. Dort werden laut Stadt regelmäßig die Bruteier gegen Gipseier ausgetauscht. Mit Erfolg: 2012 gab es in Tübingen nach eigenen Angaben noch rund 870 Tauben, zehn Jahre später waren es nur noch 204.

Auch Reutlingen arbeitet nach eigenen Angaben schon seit 2015 mit einem ähnlichen Konzept. Zu viele Tauben gibt es dort aber nach wie vor an der Bahnhofsbrücke. Wie in Tuttlingen auch werden die Tiere dort mit illegalen Futtergaben und Essensresten hingelockt, so die Stadt. Durch ein Netz konnten die Tiere bisher nicht ferngehalten werden, ein weiteres Taubenhaus soll stattdessen in Zukunft Abhilfe schaffen.

Tuttlingen möchte mehr aufklären

Auch in Tuttlingen ist laut Benjamin Hirsch ein weiterer Taubenschlag geplant. Außerdem möchte das Ordnungsamt noch mehr über die Gefahren von illegalen Taubenfütterungen informieren und bei Verstößen weiter klar durchgreifen. Wie sich das Problem mit den Ratten weiterentwickelt, ist bisher noch unklar. Der Kommunale Ordnungsdienst werde den befallenen Bereich im Blick behalten, so Hirsch. Ob die platzierten Giftköder wie erhofft Wirkung zeigen, könne man erst in ein paar Wochen sagen.

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