Jahrelang haben Forschende der Uniklinik Freiburg an einer Maschine getüftelt, die die Überlebenschancen bei einem Herzstillstand erhöht. Eine erste Studie belegt: Sie funktioniert.
Groß wie ein Bierkasten, tragbar und lebensverlängernd: Ein an der Freiburger Universitätsklinik entwickeltes Gerät soll die Chancen, einen plötzlichen Herzstillstand zu überleben - etwa nach einem Herzinfarkt - deutlich steigern. Nun belegt eine internationale Studie mit rund 70 Patienten: Mit dem Gerät lässt sich die Überlebensrate offenbar verdoppeln - auf 42 Prozent. Bei Fällen außerhalb einer Klinik erhöht sich die Rate sogar um das Dreifache.
Über Jahre hinweg haben die Freiburger Forschenden an dem kompakten Hightech-Paket gearbeitet, denn in Deutschland erleiden jedes Jahr rund 60.000 Menschen einen plötzlichen Herzstillstand. Die meisten überleben ihn nicht. Und wenn, dann bleiben oft irreparable Schäden im Körper zurück.
Um die Überlebenschancen zu erhöhen und Folgeschäden zu mildern, gibt es nun "CARL". Das steht für Controlled Automated Reperfusion of the whoLe Body - und macht Hoffnung.
"CARL" ist im Prinzip eine Herz-Lungen-Maschine. Doch er kann noch viel mehr. So lässt sich mit ihm venöses Blut aus der Leiste entnehmen und messen, erläutert Friedhelm Beyersdorf, der ehemalige Ärztliche Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie und einer der Väter von "CARL". Sauerstoffgehalt, Blutdruck und -temperatur können so schnell ermittelt werden. Anhand der Analyse könnten 14 verschiedene Blutwerte geändert und durch den Herzstillstand bereits geschädigte Organe wieder repariert werden - etwa indem Kalzium- oder Sauerstoffgehalt im Blut reduziert werden.
Auch Schäden am Körper können repariert werden
Besonderer Clou der Maschine: Eine Doppelpumpe, mit der das Blut pulsierend und mit hohem Druck zurück in den Körper gepumpt werden kann. So gelangt das Blut bis in den Kopf und kann dort bereits verschlossene Äderchen wieder öffnen. "Vor allem für die Durchblutung des Gehirns ist das wichtig", betont Herzchirurg und Oberarzt Georg Trummer. "Das war ein ganz wichtiger Punkt in unseren Forschungen."
Trummer und weitere Freiburger Forschende haben gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Österreich und den Niederlanden in einer Studie 69 Patientinnen und Patienten im Alter von 21 bis 86 Jahren betrachtet. Sie sind in sieben spezialisieren Herz-Zentren mit dem neuen Verfahren behandelt worden. Das Ergebnis: 42 Prozent aller Betroffenen konnten nach einem Herzstillstand durch die Herz-Lungen-Maschine gerettet werden - doppelt so viele wie bisher. Außerdem hätten die Patienten im Vergleich zu herkömmlichen Reanimationen oft nur geringere oder gar keine neurologischen Schäden davon getragen, so Beyersdorf.
Hightech in Miniaturgröße
Das neue Gerät, das in Freiburg inzwischen von einem 50-köpfigen Start-up-Unternehmen in Serie produziert wird, ist vollgestopft mit Hightech. Mit seinen 19 Kilogramm ist "CARL" zudem tragbar und kann im Notfall also auch vor Ort eingesetzt werden. Ein spezielles "CARL-Mobil", das die Uniklinik gemeinsam mit dem Roten Kreuz und den Maltesern betreibt, bringt das Gerät schnell zum Patienten. Bisher gebe es zehn Minuten nach einem Herzstillstand kaum Hoffnungen auf Überleben, sagt Beyersdorf. Mit dem Gerät könne die Zeitspanne deutlich ausgeweitet werden.
Ein Mann überlebt nach 50 Minuten Wiederbelebung - dank "CARL"
So war es auch bei Peter Kunzelmann aus Bollschweil (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald). Als nach einem Herzinfarkt sein Herz aussetzte und er in seiner Küche bewusstlos zusammenklappte, hatte er gleich mehrfach großes Glück. Seine Frau reagierte schnell und dank der "Lebensretter-App" waren bereits nach drei Minuten Ersthelfer vor Ort. 50 Minuten lang reanimierten sie ihn, bevor er in der Freiburger Uniklinik an "CARL" angeschlossen werden konnte. Heute steht der 71-Jährige wieder auf zwei Beinen und hat auch kaum Folgeschäden davongetragen. Dafür ist Peter Kunzelmann sehr dankbar.
Weltweites Interesse an der Freiburger Entwicklung
Nach Angaben der Uniklinik ist "CARL" bislang weltweit einzigartig. Vor allem, weil es erstmals Schäden, die durch Sauerstoffmangel infolge eines Herzversagens entstanden sind, rechtzeitig wieder reparieren kann. "Das Interesse wächst enorm", sagt Friedhelm Beyersdorf. Nicht nur in mehreren deutschen, auch in einigen europäischen Kliniken ist das Gerät bereits im Einsatz.
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