Machtwechsel in der Heimat

Nach Assad-Sturz: Warum ein Chefarzt aus Syrien in Waldkirch bleiben will

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David Zastrow
David Zastrow
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Jan Lehmann
SWR Redakteur Jan Lehmann

Mahmoud Al Kutaifan kam 2014 mithilfe eines Arbeitsvisums nach Deutschland. Inzwischen ist er Chefarzt in einer Klinik in Waldkirch - und will das auch bleiben.

Rund 6.000 syrische Ärztinnen und Ärzte arbeiten in Deutschland, mehr als 300 in Baden-Württemberg - die allermeisten von ihnen in Kliniken. Würden sie alle in ihre Heimat zurückkehren, kämen viele Krankenhäuser in Not, vor allem in ländlichen Regionen - zum Beispiel in Waldkirch (Kreis Emmendingen).

Mahmoud Al Kutaifan ist einer dieser Ärzte. Er kam 2014 mit einem Arbeitsvisum aus Syrien nach Deutschland. In Südbaden lernte er seine Frau kennen. Inzwischen ist er Chefarzt der BDH-Klinik in Waldkirch. Der Vater von zwei Kindern ist mit seinen Gedanken derzeit viel in seinem Heimatland. Eltern und Geschwister leben noch in Syrien. Vor zwei Jahren war er das letzte Mal dort. Doch inzwischen ist seine Heimat aber auch hier, sagt Mahmoud Al Kutaifan. Deshalb ist er innerlich zerrissen, will nicht ganz weg aus Deutschland.

Der Arzt aus Syrien will auch in seiner Heimat operieren

Einige syrische Ärzte in Deutschland überlegten sich zurückzukehren, sagt er. Auch Al Kutaifan verspürt den Wunsch, beim Wiederaufbau seiner Heimat zu helfen. Geld spenden fürs Gesundheitswesen will er und auch seine Urlaubstage opfern, um in Syrien geplante Operationen durchzuführen.

Dieses Können und dieses Wissen soll nicht nur bei mir bleiben, sondern wir wollen auch, und das ist auch ein Teil des Wiederaufbaus, dass wir den Kollegen dort beibringen, wie sie solche Interventionen durchführen können.

Seine Frau Dunja Younes hat Verständnis für seine Syrien-Pläne. "Er ist ein Teil von Syrien, und Syrien ist ein Teil von ihm", erzählt sie. Sie freut sich, dass er auch in seiner alten Heimat helfen und unterstützen möchte.

Lucha: Wegzug würde große Lücke hinterlassen

Sollten viele syrische Fachkräfte nach dem Umsturz in ihrem Heimatland nach Syrien zurückkehren, hätte das aus Sicht von Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung in Baden-Württemberg. Sehr viele syrische Geflüchtete übernähmen wichtige Aufgaben im Gesundheitssystem und leisteten einen enorm wichtigen Beitrag, dieses am Laufen zu halten, sagte der Grünen-Politiker. "Ein Wegzug dieser qualifizierten Fachkräfte würde eine große Lücke hinterlassen. Auch deshalb verwahre ich mich gegen jedwede populistische und kurzsichtige Forderung, wonach Geflüchtete schnellstmöglich wieder nach Syrien zurückkehren sollen", sagte Lucha. 

Angesichts des Fachkräftemangels sei jeder Arzt und jede Ärztin, die Baden-Württemberg verlässt, ein Verlust, sagte eine Sprecherin der baden-württembergischen Krankenhausgesellschaft. "Es ist aber auch verständlich, wenn syrische Ärztinnen und Ärzte in Syrien beim Aufbau helfen möchten", so die Sprecherin. Versorgungslücken erwarte man derzeit keine. Man habe keine Erkenntnisse über die geplante Rückkehr von Medizinerinnen und Medizinern nach Syrien, hieß es von der Landesärztekammer. Die Entscheidung, wo Kolleginnen und Kollegen ihren Beruf ausübten, liege vor allem bei diesen selbst. "Die Tätigkeit von Ärztinnen und Ärzten ist traditionell international", teilte die Kammer mit.

"Ich habe mir eine Existenz gegründet"

Nach Ansicht der syrischen Gesellschaft für Ärzte und Apotheker in Deutschland haben viele Fachkräfte aus Syrien grundsätzlich den Wunsch, in ihre Heimat zurückzukehren. "Viele haben die schnelle Reaktion: Ich gehe morgen wieder zurück", sagte Vorstandsmitglied Yasser Kaiyas. In einer Facebook-Gruppe syrischer Ärzte habe man eine Umfrage gemacht, bei der 900 von 1.200 teilnehmenden Medizinern gesagt hätten, der Wunsch nach Syrien zurückzukehren sei da. Wie realistisch eine Rückkehr ist, sei aber fraglich, meint Kaiyas: "Man muss erstmal schauen, wie das in Syrien weitergeht und was von der neuen Regierung zu erwarten ist." Für ihn selbst sei eine Rückkehr in naher Zukunft nicht realistisch, sagte der HNO-Arzt, der eine eigene Praxis hat. "Ich habe mir eine Existenz gegründet."

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