Eine Frau wird in ihrer Wohnung im Kreis Lörrach von ihrem Ex-Partner überfallen und bedroht. Auch danach lässt er sie nicht in Ruhe. Ein Urteil gegen den 58-Jährigen wurde jetzt rechtskräftig.
Nur selten landen Stalking-Fälle vor Gericht. Sie sind schwer nachzuweisen und die Opfer befürchten weitere Übergriffe der Täter. In einem der wenigen Fälle wurde 2021 ein Mann vor dem Amtsgericht Lörrach zu einer 15-monatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Das war der betroffenen Frau aus dem Kreis Lörrach aber nicht genug. Sie legte Berufung ein. Die blieb vor dem Landgericht Freiburg jetzt zwar ohne Erfolg, doch die Verurteilung des 58-jährigen Mannes ist nun rechtskräftig. Und darin sieht ihre Anwältin ein wichtiges Signal.
Überfall in der eigenen Wohnung
Anfang August 2019: In den frühen Morgenstunden klettert Roland F. auf den Balkon seiner Ex-Partnerin im Kreis Lörrach. Über die geöffnete Balkontür dringt er in ihre Wohnung ein. Seine ehemalige Lebensgefährtin ist gerade aufgestanden. Plötzlich steht Roland F. vor ihr. Er packt sie, hält ihr den Mund zu und wirft sich mit ihr auf ein Sofa. Sie solle ihm das gesamte Geld aus dem Verkauf des gemeinsamen Hauses geben. Andernfalls werde er ihr das Leben zur Hölle machen, droht er.
Stalking-Opfer leben in ständiger Angst
So schilderte es Beate G. (Namen geändert) vor Gericht. Die Richter haben daran keinen Zweifel, zumal auch Zeugenaussagen und Spuren die Aussage stützen. Tatsächlich scheint Roland F. seine Drohung wahr zu machen. In den folgenden Wochen ruft er sie zigfach an, hinterlässt Zettel, schreibt E-Mails, lauert ihr auf. In seinen Nachrichten mischen sich Vorwürfe und Liebesschwüre. Auch ein gerichtliches Annäherungs- und Kontaktverbot hält ihn davon zunächst nicht ab. Beate G. lebt fortan in Angst. Bis heute leidet sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Zerstochene Reifen, Schmierereien, Drohungen
Dennoch fasst Beate G. den Mut, vor Gericht zu ziehen. Denn sie ist nicht die erste Frau, der so ergeht: Roland F.s langjährige Ehefrau und eine weitere Ex-Partnerin berichten von Stalking, zerstochenen Reifen, Schmierereien auf Hauswänden und verleumderischen Zetteln in den Briefkästen der Nachbarn. Eine vierte Frau sagte am Dienstag vor dem Freiburger Landgericht aus. Obwohl sie selbst offenbar nicht ins Visier von Roland F. geriet, fällt es ihr sichtlich schwer, über die Beziehung zu ihm zu sprechen. Zu ihrem Schutz sitzt ein Polizist an ihrer Seite.
Die Zeugin schildert Roland F. als Narzissten, sehr dominant und vor allem schnell gekränkt. "Er war immer das Opfer", sagt die Frau. Roland F., ein Mann mit markanten Gesichtszügen, verfolgt ihre Aussage ruhig, ab und zu schüttelt er den Kopf. Der medizinisch-psychiatrische Gutachter wird ihm später einen "starken Verdacht auf eine mittelgradige Persönlichkeitsstörung" attestieren. Sein Verhalten habe möglicherweise auch wahnhafte Züge.
Viele Stalking-Opfer scheuen eine Anzeige
Die Kriminalitätsstatistik für das Polizeipräsidium Freiburg weist für das vergangene Jahr 144 Anzeigen wegen Nachstellung, wie Stalking juristisch heißt, aus (plus knapp zehn Prozent). Die meisten Fälle dürften einen Beziehungshintergrund haben. Die Zahl der Betroffenen liegt aber wohl weitaus höher. "Viele scheuen eine Anzeige", sagt Martina Raab-Heck von der Freiburger Fachstelle Intervention gegen Häusliche Gewalt (FRIG). Denn sie könnten die Folgen nicht abschätzen. Die Frauenberatungsstelle der FRIG hat 2023 mehr als 20 Frauen unterstützt, die von ihren früheren Partnern gestalkt wurden. Fünf weitere Menschen berichteten von Nachstellungen durch Nachbarn oder Arbeitskollegen.
Anwältin wertet Gerichtsverfahren als Erfolg
Es gingen "definitiv noch zu wenig" vor Gericht, sagt auch die Freiburger Rechtsanwältin Christina Gröbmayr. "Es findet viel zu viel Leid im Verborgenen statt." Gröbmayr hat Beate G. vor dem Landgericht vertreten. Obwohl sie die Berufung wegen mangelnder Erfolgsaussichten wieder zurückziehen musste, sieht die Anwältin das gesamte Verfahren letztlich als großen Erfolg. Denn nun sei das Lörracher Urteil gegen Roland F. rechtskräftig. "Dass hier endlich mal den Geschädigten geglaubt wird, sie ernst genommen werden", das findet sie ein wichtiges Signal.
Der Opferschutz bei Stalking wird ernster genommen
Nicht zuletzt werde auch der Opferschutz inzwischen ernst genommen, sagt Gröbmayr. So wurde Roland F. während der Gerichtsverhandlung vier Wochen lang in U-Haft gehalten - wegen Gefährdung der Zeuginnen und Verdunklungsgefahr. Zudem waren neben Justizbeamten sicherheitshalber auch zwei Polizeibeamte in Zivil mit im Gerichtssaal. Für Beate G. ist das Leiden damit allerdings noch lange nicht zu Ende. Ihr gehe es nach wie vor sehr schlecht, sagt Gröbmayr, sie sei hochtraumatisiert und könne kaum arbeiten. Der Schock des Überfalls in ihrer eigenen Wohnung sitzt tief: "Die Angst lebt mit und verhindert ein normales Leben."
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