Ein Freiburger Museum hat seine Sammlung auf Raubkunst untersucht. An einigen Gegenständen klebt vermutlich Blut. Sie stammen aus Pohnpei - einer ehemaligen deutschen Kolonie.
"Forschungsprojekt Cormoran" - unter diesem Titel hat das Freiburger Museum Natur und Mensch seine Ethnologische Sammlung auf Raubkunst untersucht. Rund 400 Objekte aus der Sammlung stammen aus Mikronesien im Pazifik. Von 1885 bis 1914 war das Gebiet Teil des deutschen Kolonialreichs.
Der Ethnologe Godwin Kornes hat sämtliche Sammlungsstücke erfasst, auf ihre Herkunft untersucht, dokumentiert und digitalisiert. Im vergangenen Jahr war Kornes mit einer Kollegin zudem zwei Mal in Mikronesien. Das Ziel der Reisen: Rekonstruieren, wie bestimmte Gegenstände vor mehr als einhundert Jahren in den Besitz des Freiburger Museums gelangt sind.
Wieviel Raubkunst befindet sich im Besitz der Sammlung?
Inwiefern befinden sich einige Stücke unrechtmäßig in Freiburger Besitz? Welche Gegenstände sind problematisch und direkt mit einem Gewaltkontext verbunden, und welche eher unproblematisch? Diesen Fragen ist Kornes nachgegangen.
Eher problematisch ist der Fall Paul Werber. Der gebürtige Rastätter war 1910 Teil einer Strafexpedition der kaiserlichen Flotte. Sie fuhr nach Mikronesien, in die deutsche Kolonie Pohnpei. Als Offizier des Kriegsschiffes "SMS Cormoran" half er mit, einen Aufstand der einheimischen Bevölkerung niederzuschlagen. Nach dem Kriegseinsatz brachte er Sammlungsstücke nach Deutschland. Sie befinden sich heute im Depot des Museum Natur und Mensch in Freiburg.
Viele dieser Objekte sind laut Kornes unbedenkliche Reiseandenken. Doch einige Werke scheinen die Besatzungsmitglieder der Cormoran nicht durch gewöhnlichen Handel in ihren Besitz gebracht zu haben. "Bei den Objekten der Paul-Werber-Sammlung aus Pohnpei würde ich mit einer hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass sie aus dem Zusammenhang dieses Krieges stammen", sagt Kornes.
Forschungsprojekt zur Raubkunst läuft noch bis Jahresende
Bei einem Grasrock aus Hibiskusfasern, den einige Menschen in Pohnpei bei zeremoniellen Anlässen auch heute noch tragen, liege der Verdacht der Raubkunst besonders nahe. Ein Gewalt- und damit Unrechtskontext sei bei diesem Stück "sehr plausibel", wie Kornes sagt. Und trotzdem: "Wir können diese Aussagen nie in letzter Konsequenz treffen. Dafür ist die Quellenlage meistens zu schlecht."
Das Projekt "Cormoran" läuft noch bis Januar nächsten Jahres. Oftmals ist das Ziel einer solchen Provenienzforschung klar: Die Forscher wollen herausfinden, welche Objekte sich europäische Akteure in der Kolonialzeit gewaltsam angeeignet haben. Dadurch soll die Rückgabe dieser Objekte an die Herkunftsländer ermöglicht werden.
Raubkunst aus Ozeanien: Rückgabe nach Pohnpei ungewiss
Doch ob auch der Grasrock aus Pohnpei an seinen Ursprungsort zurückkehren wird, ist ungewiss. Dies hänge laut Kornes auch davon ab, was die Menschen in Pohnpei möchten. "Wenn sie bestimmte Gegenstände wieder haben wollen, wird man das mit der Stadt Freiburg aushandeln und dann eine Übereinkunft treffen", sagt Kornes.
Grundsätzlich habe die Stadt sich bereit erklärt, Sammlungsstücke bei Bedarf auch zurückzugeben. Doch ist dieser Bedarf auf Pohnpei auch wirklich vorhanden? Kornes ist sich da nicht so sicher. "Es ist nicht so, dass wir von Anfragen überrannt werden, gewisse Gegenstände zurückzugeben - anders, als manchmal in der Öffentlichkeit angenommen wird."
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