Als weiterer invasiver Schädling ist die Amerikanische Rebzikade in Baden-Württemberg aufgetaucht. Ein Experte erklärt, warum die winzige Zikade so bedrohlich für den Weinbau ist.
Die Fallen stehen entlang der Autobahn A5, die vor den Weinbergen des Markgräflerlands verläuft: Es sind gelbe Leimtafeln, an denen Insekten kleben bleiben. Sie dienen der Überwachung und sollen zeigen, ob es bestimmte Schädlinge in der Region gibt.
Jetzt hat das Staatliche Weinbauinstitut Freiburg mitgeteilt: Im August wurden an mehreren dieser Fallen im Markgräflerland Hunderte Exemplare der Amerikanischen Rebzikade gefunden. Damit ist ein gefürchteter Schädling in Baden-Württemberg angekommen. Denn die höchstens fünf Millimeter lange Zikade schadet dem Weinbau.
Rebzikade breitet sich in Europa aus
Überraschen konnten die Funde eigentlich nicht mehr. Schon seit Jahren breitet sich die Amerikanische Rebzikade in Europa von Süden Richtung Norden aus. In Italien, Österreich, der Schweiz und im Elsass müssen die Winzerinnen und Winzer bereits mit ihr leben. Nun also auch das Markgräflerland. Damit ist Baden das erste der 13 deutschen Weinanbaugebiete, in denen die Amerikanische Rebzikade nachgewiesen wurde.
Weshalb der Schädling problematisch für die Reben ist
Problematisch ist, dass der Schädling eine Krankheit übertragen kann: die Goldgelbe Vergilbung. Ist eine Rebe von ihr befallen, verfärben sich ihre Blätter, ihre Triebe entwickeln sich nicht mehr richtig, die Trauben bleiben klein und unreif. Besonders gravierend: Die Krankheit ist nicht heilbar, die Reben sterben also früher oder später ab.
Ob es in der betroffenen Region bereits eine Übertragung der Krankheit auf Reben gegeben hat, ist allerdings bisher unklar. "Die Krankheit tritt zeitverzögert zum Auftreten der Insekten auf. Frühestens im Folgejahr, spätestens in zwei Jahren wird sie sichtbar," sagt Andreas Kortekamp dem SWR. Er ist Leiter des Instituts für Phytomedizin am Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz (Rheinland-Pfalz). Er fügt hinzu: "Das ist kein Automatismus, aber das Risiko ist doch deutlich erhöht."
Auch Christoph Hofmann vom Institut für Pflanzenschutz in Obst- und Weinbau am Julius Kühn-Institut in Siebeldingen (Rheinland-Pfalz) ist wenig optimistisch, dass ein Ausbruch der Krankheit noch verhindert werden kann: "Das ist erfahrungsgemäß nur eine Frage der Zeit, wenn das Insekt erst mal da ist."
Experten empfehlen: Insektizide spritzen
Die Sorgen vor den Folgen sind groß. "Das Wichtigste ist jetzt, konsequent gegen den Überträger vorzugehen", sagt Andreas Kortekamp. Den Winzerinnen und Winzern in der Region empfiehlt das Staatliche Weinbauinstitut in Freiburg deshalb dringend, Insektizide gegen den Schädling zu spritzen. Eine Notfallzulassung für ein wirksames Mittel wurde bereits erteilt.
Sollte jedoch eines Tages die Krankheit an einer Rebe nachgewiesen werden, wird es nicht bei dieser Empfehlung bleiben. Dann wird es strengere Maßnahmen geben. Um eine epidemische Ausbreitung der Goldgelben Vergilbung zu verhindern, hat die EU sie als sogenannte Unionsquarantänekrankheit eingestuft. Tritt sie auf, müssen Reben oder sogar ganze Weinberge gerodet werden. Außerdem wird dann die Bekämpfung des Überträgers, also der Amerikanischen Rebzikade, mit Insektiziden in bestimmten Bereichen verpflichtend.
Experte vermutet, dass sich Rebzikade Richtung Norden ausbreitet
Keine schönen Aussichten also für die Weinwirtschaft - und das nicht nur in Baden. Denn es ist zu vermuten, dass die Amerikanische Rebzikade ihren Vormarsch Richtung Norden fortsetzt. "Wenn es uns nicht gelingen sollte, diese ersten Befallsherde zu kontrollieren und auszurotten, dann steht zu befürchten, dass sich das Insekt auch in die benachbarten Anbaugebiete ausbreitet", sagt Andreas Kortekamp.
Ähnlich sieht das Christoph Hoffmann: "Die Bekämpfung des Schädlings soll ja die Ausbreitung eigentlich verhindern. Dennoch ist das Szenario wahrscheinlich, dass sich die Amerikanische Rebzikade weiter Richtung Norden ausbreitet."
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