Erstmals verursacht die Nutzung des Waldes mehr CO2 als die Bäume speichern. Nicht so im Freiburger Stadtwald. Ein Mischung aus natürlichem Glück und jahrzehntelanger Arbeit.
Sternwald, Mooswald oder die Ausläufer des Schwarzwaldes: In und um Freiburg gibt es viele Bäume. Sie können einen Teil des Kohlendioxids speichern, das die Freiburgerinnen und Freiburger ausstoßen. So tragen sie zum Klimaschutz bei.
Doch deutschlandweit sieht das anders aus: Zum ersten Mal stößt der Wald in Deutschland durchschnittlich mehr CO2 aus, als die Bäume aufnehmen können. Schließlich setzen wir das gespeicherte Kohlenstoffdioxid wieder frei, wenn wir Holz verbrennen, zu viel Totholz verrottet oder ganze Wälder brennen. Zu dem Ergebnis kommt die Bundeswaldinventur, die Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/ Die Grünen) Anfang Oktober vorgestellt hat.
Der Freiburger Stadtwald bildet aber eine Ausnahme. Hier spielen die einzigartigen, geografischen Voraussetzungen den Försterinnen und Förstern in die Karten. An den Hängen vom Schlossberg, Kybfelsen oder Schönberg sowie in den Ausläufern der Rheinebene können über 50 verschiedene Baumarten wachsen. So übersteht das Freiburger Revier die Folgen der Klimakatastrophe besser als in anderen Teilen Deutschlands.
Die Mischung macht´s
Kaum an einem anderen Ort sind die Bedingungen für Bäume günstiger als in einer der sonnenreichsten Städte Deutschlands. "Und der Freiburger Boden ist sehr wasserhaltig", weiß die Leiterin des Forstamtes, Nicole Schmalfuß. Reiner Schotter- oder Sandboden würde verhindern, dass die Bäume Wurzeln schlagen können. "Unsere Böden ermöglichen vielfältige Wälder, das ist auch nicht auf allen anderen Standorten der Fall", unterstreicht Nicole Schmalfuß die optimale Qualität der Freiburger Böden.
Sowohl Nadel- wie auch Laubbäume können hier wachsen. Am Stadtrand und in den Mooswäldern habe jeder dritte Baum Nadeln und keine Blätter an den Ästen, in den Bergwäldern Richtung Schwarzwald sogar jeder Zweite. Eine einzige Sorte, wie etwa die klimabeständige Buche, mache maximal ein Sechstel der Fläche aus.
Das liegt daran, dass die Försterinnen und Förster schon seit Jahrzehnten auf Vielfalt setzen. Seit Beginn der 1990er Jahre verfolge das Forstamt Freiburg diese naturnahe Philosophie. Freiburg setzt auf Mischwälder und greift nur in dringenden Fällen in die Natur ein - ganz im Sinne des FSC-Siegels, einem internationalen Zertifizierungssystem für nachhaltigere Waldwirtschaft.
2020 hat der Gemeinderat zusätzlich die "Waldkonvention" beschlossen. Dadurch will die Stadt die Klimaschutzfunktion des Waldes genauso stark fördern, wie den Naturschutz, die Holzwirtschaft und Erholungsmöglichkeiten im Wald. Im Doppelhaushalt 2023/24 wendet die Stadt mehr als fünf Millionen Euro für die Forstwirtschaft auf. "Der Wald ist ein Zuschussbetrieb. Es kostet sehr viel Geld einen Wald so zu erhalten, dass die Funktionen gleichrangig bleiben", meint Freiburgs Bürgermeisterin für Umwelt, Christine Buchheit (Bündnis 90/ Die Grünen).
Forstamstleiterin Nicole Schmalfuß erklärt, wieso der Freiburg Stadtwald nicht in das Bild der Bundeswaldinventur passt:
Wachsen lassen seit jeher
Die unterschiedlichen Baumarten vermehren sich außerdem selbst. Eichhörnchen vergraben Samen und vergessen sie im Boden, der Wind trägt die Saat mehrere hundert Meter weit. Je nach Vorliebe können die jungen Pflanzen dann unter dem Blätterdach der älteren oder in den Lichtungen von toten Bäumen heranwachsen. So muss Nicole Schmalfuß mit ihrem Team kaum neue Bäume pflanzen.
Die einzige Gefahr für die jungen Bäume sind Tiere, die an den Knospen und Blättern knabbern. "Ein Schlüssel zum Erfolg ist eine engagierte Jagd", erklärt Schmalfuß. Weil es wenig privaten Wald gibt, hat sie den Überblick über die ganzen rund 5.200 Hektar Wald. So kann das Forstamt für den gesamten Raum Freiburg entscheiden, wo Jägerinnen und Jäger wie viele Fressfeinde der jungen Pflanzen abschießen dürfen und müssen.
Nachhaltig bis zum Schluss
"Wir entnehmen nur so viel Bäume, wie wieder nachwachsen können", beschreibt Bürgermeisterin Buchheit das Credo des Freiburger Forstamtes. Jährlich ernten die Freiburger Försterinnen und Förster circa 40.000 Kubikmeter Holz. Nach der Ernte kommt es dann darauf an, was mit dem Holz passiert. Am besten lässt man das CO2 weiterhin im Holz, wenn man daraus Häuser, Möbel und andere Produkte baut. "Wenn Holz in seiner Form erhalten wird, können wir das CO2 länger speichern", erklärt Schmalfuß.
Etwa die Hälfte der jährlich abgesägten Baumstämme landet in Sägewerken. Der Rest wird je nach Qualität zu Dämmmaterial weiterverarbeitet. "Wenn das Holz doch verbrannt wird, sollte es ein anderes Material ersetzen, dass mehr CO2 verursachen würde", ist Nicole Schmalfuß überzeugt. Mit Holz könne man zum Beispiel Zement oder Stahl ersetzen. Bei der Herstellung brauchen beide Rohstoffe viel Energie. Auch Bau- und Umweltbürgermeisterin Buchheit möchte in Freiburg auf den Baustoff Holz setzen. "Im neuen Wohnquartier Kleineschholz bekommen Projekte, die mit Holz bauen einen Pluspunkt", erzählt sie.
Baubürgermeisterin Christine Buchheit erklärt, wie Stadt Freiburg das Holz weiterverarbeiten möchte:
Kein Vorbild, aber eine Vorzeigeprojekt
"Wir können nicht als Vorbild dienen, sondern zeigen, dass man weiterhin mit dem Wald einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann", fasst Schmalfuß die Lage des Freiburger Stadtwaldes zusammen. Die Bedingungen für den Wald sind in Freiburg sehr gut. Die Zahlen sprechen für sich: Mit 380 Kubikmetern Holzvorrat pro Hektar ist der Freiburger Wald reicher, als der Bundesdurchschnitt. Entgegen dem deutschen Trend steigt dieser sogar weiter. Die beliebtesten, aber gleichzeitig kaum klimaresistente Baumarten in den deutschen Wäldern, wie Kiefer oder Fichte, spielen in Südbaden nur eine kleine Rolle. Deswegen gibt sich Schmalfuß auch für die Zukunft optimistisch: "In den nächsten sechs Jahren bleibt der Freiburger Wald in jedem Fall ein Klimaschützer. Danach wird sich die Prognose nur in Nuancen verändern."
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