BW-Ministerpräsident Kretschmann zeigt sich bestürzt über den Missbrauchsbericht für das Erzbistum Freiburg. Derweil verzichtet Alt-Erzbischof Zollitsch auf Ehrungen aus der Vergangenheit - wie das Bundesverdienstkreuz.
Nach der Veröffentlichung des Berichts über sexuellen Missbrauch durch Geistliche im Erzbistum Freiburg verzichtet Alt-Erzbischof Robert Zollitsch (84) auf bedeutende Auszeichnungen, die er in der Vergangenheit erhalten hatte. Zollitsch habe angeboten, die Staufermedaille und den Verdienstorden des Landes zurückzugeben, teilte das baden-württembergische Staatsministerium am Freitag mit. Außerdem wolle er das Bundesverdienstkreuz nicht behalten. Das habe der Geistliche in einem Brief an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geschrieben, berichtete Zollitschs Sprecher am Freitag.
Zollitsch hatte das Bundesverdienstkreuz 2014 vom damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck erhalten. Detaillierte Gründe für die Entscheidung sie zurückzugeben, wurden nicht mitgeteilt.
Kretschmann: "Ergebnisse machen fassungslos"
"Die Ergebnisse der Freiburger Missbrauchsstudie schockieren mich. Sie machen mich fassungslos", sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) laut Mitteilung vom Freitag. "Die Opfer des Missbrauchs waren diesem offensichtlichen Versagen der kirchlichen Strukturen über Jahre hilflos ausgesetzt", so Kretschmann. Der Prozess der Aufarbeitung müsse mit aller Konsequenz und Nachdruck fortgeführt werden. Das Angebot Zollitschs, die Ehrenzeichen des Landes zurückzugeben, habe er angenommen.
Auch der aktuelle Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hat sich von Zollitsch distanziert. "In seiner Zeit als Vorsitzender der Bischofskonferenz im Jahr 2010 wurden entscheidende Maßnahmen zur Missbrauchsaufarbeitung in der katholischen Kirche gesetzt. Diese hat er selbst in seinem Bistum offenbar in derselben Zeit nicht angewandt und übergangen", sagte Bätzing der "Rhein-Neckar-Zeitung". Offensichtlich habe wirksame Kontrolle gefehlt, so Bätzing weiter.
Per Video hatte Zollitsch schon Fehler und Schuld eingeräumt
Zollitsch war von Februar 2008 bis März 2014 auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz gewesen. Aus dem am Dienstag veröffentlichten Missbrauchsbericht geht hervor, dass seine Amtszeit in Freiburg bis 2013 durch "konkretes Vertuschungsverhalten" geprägt war. Der mittlerweile 84-jährige ehemalige Erzbischof Zollitsch hatte bereits im Oktober in einem Video schwerwiegende Fehler und persönliche Schuld eingeräumt. Schon vor der Veröffentlichung des Berichts kündigte Zollitsch dann über den Sprecher an, sich nicht zu dem Abschlussbericht äußern zu wollen.
Nach Missbrauchsbericht Freiburg Alt-Erzbischof Zollitsch drohen nun auch Sanktionen
Die Autoren des Freiburger Missbrauchsberichts erheben schwere Vorwürfe gegen Alt-Erzbischof Robert Zollitsch. Nun drohen ihm in einem Vatikan-Verfahren auch Sanktionen.
Verzicht auch auf Privileg der Bestattung in der Bischofsgruft
Wie der Sprecher nun weiter erklärte, verzichtet der Alt-Erzbischof auch auf das Privileg, in der Bischofsgruft des Freiburger Münsters bestattet zu werden. Das habe er seinem Amtsnachfolger Stephan Burger mitgeteilt. Zollitsch habe bereits seit einiger Zeit "im Stillen seine anderen bischöflichen Privilegien nicht mehr wahrgenommen", hieß es in einer Mitteilung.
Reaktion auf Missbrauchsbericht Ordinariat Freiburg: Portraits der Erzbischöfe Zollitsch und Saier entfernt
Die Portraits der Alt-Erzbischöfe Zollitsch und Saier im Ordinariat Freiburg wurden abgehängt. Das hat das Erzbistum auf SWR-Anfrage bestätigt.
Striet: Kirche muss sich jetzt schonungslos ihrer eigenen Geschichte stellen
Abgehängte Portraits, der Verzicht auf Privilegien, die Rückgabe von Ehrenzeichen, Entschuldigungen für eingestandene Fehler und Schuld - das ist nur eine Seite. Eine letztlich wohl unvermeidliche äußerliche Reaktion etwa auf Forderungen Betroffener. Was jetzt folgen müsse, so Magnus Striet, Vorsitzender der unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des Umgangs mit Missbrauchs im Erzbistum Freiburg: Die Kirche als eine Gemeinschaft von Glaubenden, aber auch als Kulturinstitution, müsse sich schonungslos ihrer eigenen Geschichte stellen. Nur so werde sie eine Chance haben, künftig noch präsent zu sein. Tut sie es nicht, werde sie zu Recht immer weiter mit solchen Fragen konfrontiert. Ob es ihr gelingt, ist für Striet eine "völlig offene Frage".