Der SC Freiburg schreibt eine Erfolgsgeschichte wie kaum ein anderer Verein. Doch mit der Größe kommen die Probleme - besonders in der Fan-Kurve. Die Zahl der Gewaltdelikte steigt. War's das mit der Idylle?
"Das Gute hat gesiegt", titelte die "tageszeitung" in Berlin 1994, als sich der SC Freiburg den Klassenerhalt sicherte. Und weiter: "Der SC Freiburg wird ein weiteres Jahr unsere Illusion nähren, daß Fußball fast ungetrübt schön sein kann." Viel hat sich getan seither. Statt gegen den Abstieg spielt Freiburg jetzt gegen Juventus Turin. Doch mit der Größe wachsen auch die Herausforderungen, besonders bei der Fan-Betreuung, mahnen Fan-Gruppierungen des SC Freiburg.
Helen Breit kennt den Verein seit den 1990er Jahren. Damals im Dreisamstadion sei sie als junges Mädchen das typische Schoßkind gewesen, erzählt sie. Alles war vergleichsweise klein, jeder kannte jeden. Heute ist Helen Breit im Vorstand der Fan-Gruppierung Supporters Crew. Und kennt schon lange nicht mehr jeden. Wie auch? Waren die Mitgliedszahlen 2003 noch mit 2.300 im unteren vierstelligen Bereich, zählt der Verein mittlerweile über 60.000 Mitglieder. Fußball wird jetzt nicht mehr im Dreisamstadion, sondern im Europa-Park-Stadion gespielt - vor 34.000 Menschen. An Karten zu kommen, sei schwierig, beklagen viele Fans. Trotzdem sind viele Stadionbesucherinnen und -besucher nach eigenen Angaben sehr glücklich über den Erfolg ihres Vereins. Auch die Stimmung im Stadion beschreiben viele Fans im Gespräch mit dem SWR als besonders und atmosphärisch.
Es gebe einerseits diese positive Entwicklung, sagt Helen Breit. Durch die Größe gebe es aber auch mehr Anonymität. "Wir haben zum Beispiel Fälle von Rassismus, von Sexismus, von anderen Diskriminierungsformen hier im neuen Stadion erlebt, die wir im alten Stadion nicht so hatten", so Breit. Es gebe einige Besucherinnen und Besucher im Stadion, die sich nicht an die Regeln halten - auch nicht an die internen der Fan-Gruppierungen. Ein Eindruck, den auch die Statistik der Polizei belegt. In den vergangenen Jahren hat es laut Polizei einen Anstieg an Gewaltdelikten und Anzeigen gegeben.
Seltene Fan-Krawalle, wie etwa jene beim Pokalspiel gegen RB Leipzig im Mai 2023, trüben das Bild des beschaulichen Vereins im Breisgau. Cheftrainer Christian Streich verurteilte die Aktion damals scharf. Solche Leute hätten im Stadion nichts verloren, sagte er.
Helen Breit findet, dass der SC Freiburg auf der Südtribüne präsenter sein muss:
Mehr Fan-Beauftragte gefordert
Helen Breit sieht hier auch den Verein in der Pflicht – der sei zu wenig präsent auf der Tribüne. Sie fordert deswegen vom SC unter anderem mehr Fan-Beauftrage. Sie gelten als Bindeglied zwischen Kurve und Verein, sollen zum Dialog beitragen. Derzeit führt der Verein auf seiner Website nur drei Fan-Beauftragte auf. Eine weitere Stelle ist seit längerem vakant. Damit erfüllt der Verein aktuell nicht die von der DFL geforderte Anzahl von vier Fan-Beauftragen.
Andere Vereine seien da schon weiter und hätten mehr als zehn Fan-Beauftrage, kritisiert Breit. Das sei auch wichtig. Denn aktuell zeige der Verein keine Präsenz auf der Südtribüne, wo sich eben auch jene treffen, denen es wenig um Fußball, sondern mehr um Krawall gehe. Das Ziel müsse sein, dass alle Menschen ihr Stadionerlebnis so ausleben können, dass sie sich wohl, sicher und gut fühlen.
Der Verein will sich zum Thema nicht äußern - eine Anfrage für ein Fernsehinterview blieb unbeantwortet.
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