Das frühere Verkehrsamt in Freiburg wird zu einem NS-Dokumentationszentrum umgebaut. Voraus gingen jahrelange Forderungen danach.
Am Rotteckring in Freiburg entsteht ein neues Dokumentationszentrum über die Zeit des Nationalsozialismus in der Stadt und der Region. Die Bauarbeiten haben vor wenigen Tagen begonnen.
4,9 Millionen Euro - dieser Betrag ist angesetzt für den Umbau des historischen Gebäudes aus den 30er Jahren, das im damaligen Stil der NS-Architektur gebaut wurde. Es liegt zentral am Rotteckring unweit von der Universität, dem Rathaus und Hauptbahnhof und gleichzeitig am Eingang der Fußgängerzone Rathausgasse. Ein Bauzaun weist darauf hin, dass die Umbauarbeiten begonnen haben.
Kostensteigerungen sind einkalkuliert
Veranschlagt sind 2,7 Millionen Euro für das Gebäude und weitere 1,7 Millionen Euro für den Innenhof sowie ein Puffer für "unvorhersehbare Ausgaben" in dem fast 100 Jahre alten Haus. Auf 800 Quadratmetern Fläche schafft die Stadt Freiburg erstmals eine Einrichtung, die sich explizit mit ihrer Geschichte im Nationalsozialismus befasst. Sie will damit einen Gedenkort schaffen und einen Lernort für die Zukunft, der Raum bieten soll für offene Diskussionen und neue Erkenntnisse über diese Zeit.
Dokumentationszentrum seit vielen Jahren gefordert
Die Forderungen nach einer solchen Einrichtung bestehen schon seit Jahrzehnten. Es ist dem zivilgesellschaftlichen Engagement von Freiburger Bürgerinnen und Bürgern zu verdanken, dass diese Idee immer wieder diskutiert wurde, unter anderem von der Initiative "Freiburg braucht eine Mahn- und Gedenkstätte". Die Diskussionen um den Brunnen am ehemaligen Standort der alten Synagoge und eine Ausstellung im Augustinermuseum über "Freiburg und die NS-Zeit" haben die Notwendigkeit einer Darstellung und Aufarbeitung dieser Zeit noch einmal deutlich gemacht.
Erinnerungsraum im Innenhof
Das inhaltliche Konzept verfolgt das Ziel, einen Erinnerungsort zu schaffen, der allen Menschen aus Freiburg und Umgebung gewidmet ist, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden, unabhängig von den individuellen Hintergründen der Verfolgung. Weiter soll eine Dauerausstellung über drei Stockwerke von der Zeit der Weimarer Republik bis in die Gegenwart reichen. In der pädagogischen Arbeit, sehr stark auch mit Schulklassen, will das Dokumentationszentrum ein Lernumfeld herstellen, in dem Austausch und Debatten möglich sind und kritisch heutige gesellschaftliche Entwicklungen beleuchtet und diskutiert werden.
Zeitzeugen kommen zu Wort
Das Dokumentationszentrum hat in Zusammenarbeit mit dem SWR Freiburg Zeitzeugen interviewt, die als Videos in der Ausstellung zu sehen sind. Ausschnitte werden der Öffentlichkeit erstmals bei der Gedenkveranstaltung zum Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am Donnerstag, den 26. Januar 2023 um 19:30 Uhr in Freiburg gezeigt. Die Veranstaltung steht unter der Fragestellung "Ende der Zeitzeugenschaft?" und beschäftigt sich damit, wie Erinnerungskultur gesellschaftlich funktionieren kann.
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Ausgehend von der gleichnamigen Ausstellung "Ende der Zeitzeugenschaft?" im Jüdischen Museum Hohenems spricht die Ko-Kuratorin Miriam Bürer über erzählte Erinnerung, gesellschaftlichen Umgang mit Zeugnissen und über Erinnern und Gedenken ohne Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Im anschließenden Podiumsgespräch mit Miriam Bürer, der Zeitzeugin Ursula Giessler, Julia Wolrab vom Dokumentationszentrum Nationalsozialismus sowie Petra Gaus und Julius Gromann vom Projekt Nemory wird das Thema vertieft. Für die Veranstaltung ist eine Anmeldung erforderlich.
Förderverein gegründet
Zur Unterstützung des Dokumentationszentrums hat sich in Freiburg ein Förderverein gegründet. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, den Aufbau der Einrichtung finanziell zu unterstützen und weitere wissenschaftliche Forschung zum Nationalsozialismus auf regionaler Ebene zu ermöglichen. Die Einrichtung soll durch den Förderverein breit in der Gesellschaft verankert werden, hat die stellvertretende Vorsitzende, Philine Weyrauch-Herrmann in einem SWR-Interview gesagt.
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Holocaust, Schoah, Porajmos: Der grausamen Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten fielen vor allem Juden und Jüdinnen, Sinti*ze und Rom*nja, Menschen mit Behinderungen und psychisch Kranke zum Opfer. Andere Bevölkerungsgruppen wie Homosexuelle, Zeugen Jehovahs und sogenannte Asoziale und Berufsverbrecher wurden ebenfalls systematisch verfolgt, gequält und ermordet. Ihrer und aller anderen Opfer der Nationalsozialisten – darunter auch politische Gefangene, Zwangsarbeiter*innen und Widerstandskämpfer*innen – wird seit 1996 am 27. Januar in Deutschland gedacht. Der Tag markiert die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee 1945 und ist seit 2005 auch weltweit Gedenktag der Opfer des Holocaust. 2021 steht er in Deutschland außerdem im Kontext des Festjahres „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“.