Die Wege von Christian Streich und SWR-Reporter Sebastian Bargon haben sich in den vergangenen zwölf Jahren immer wieder gekreuzt - bei Interviews und Heimspielen des SC Freiburg.
Sie haben sich immer wieder getroffen - vor Heim- oder Auswärtsspielen des Sport-Clubs Freiburg, bei offiziellen Pressekonferenzen oder am Rand des Trainingsplatzes. Sebastian Bargon, langjähriger Hörfunkreporter des SWR und gebürtiger Hamburger, hat den Trainer des SC Freiburg, Christian Streich, gebürtiger Eimeldinger (Kreis Lörrach), jahrelang hautnah erlebt.
Beide haben etwas gemeinsam: Christian Streich und Sebastian Bargon hören auf. Streich beim SC Freiburg und Bargon beim SWR-Studio Freiburg. Für den Hörfunk-Reporter ein Grund, Christian Streich einen offenen Brief zu schreiben, mit persönlichen Erinnerungen.
Lieber Christian Streich,
in den letzten zwölfeinhalb Jahren habe ich Sie immer gesiezt, aber jetzt zum Abschied erlaube ich mir das schon immer gefühlte Du. Ich bin, wie viele meiner KollegInnen, die Deine Pressekonferenzen hautnah miterleben durften, sehr dankbar für die Zeit, in der Du nicht nur über Fußball gesprochen hast, sondern auch immer wieder Dinge angesprochen hast, die gesellschaftspolitisch relevant sind - seien es Fremdenhass, Homophobie oder die Auswüchse des kapitalistischen Systems.
Empathie
Dass Du ein empathischer Mensch bist, wurde mir bei einer Pressekonferenz im ehrwürdigen Dreisamstadion an der Schwarzwaldstraße klar: Vor der Partie gegen Paderborn hast Du lang und breit die Taktik erörtert ("... alles abarbeiten, kompakt stehen, Konterabsicherung"), als ich mich gemeldet habe.
Eigentlich wollte ich fragen, ob Du nicht zur Freude des Publikums volle Pulle offensiv gegen Paderborn "to-be-wild“ spielen wolltest - nach dem Motto: lieber 4:3 als 1:0 gewinnen. Aber irgendwie druckste ich bei der Frage rum und bekam als Antwort "Haben Sie jetzt nicht zugehört, was ich gesagt habe?“ Ich war beschämt und stammelte "... doch, doch, Herr Streich“.
Nach der Pressekonferenz bist Du zu mir gekommen, hast mir die Hand gegeben und fast entschuldigend gesagt, dass Du mich nicht bloßstellen wolltest. Das, fand ich, war eine wunderbare Geste.
Bücherfreund des Jahres 2017
Es war ein Tag nach einem Spiel - ich glaube gegen Eintracht Frankfurt, bei dem Du Dich höllisch über ein vermeintliches Foul gegen Deine Mannschaft aufgeregt hast. Der Konter der Hessen blieb aber torlos. Später bewiesen die TV-Bilder, dass es kein Foul war. Dir war Dein Ausraster peinlich und Du meintest: "Ich darf nicht so emotional reagieren, das muss ich mir abgewöhnen!“
"Aber nein", sagte ich, "genau dafür werden Sie von den Fans geliebt." Später kamen wir auf Dein mögliches Karriere-Ende zu sprechen. Ich meinte, wie geil die Anfangszeit mit Volker Finke gewesen sei und wie beschissen der Abschied. Du meintest, dass Dein größter Wunsch sei, den richtigen Zeitpunkt zu finden. Das ist Dir gelungen - Glückwunsch!
Talk mit Matthias Brandt
Deine bewundernswerte Ehrlichkeit kam bei einem Talk mit dem Schauspieler Matthias Brandt zum Tragen. Nachdem ihr euch über eure fußballverrückte Kindheit und Jugend ausgetauscht hattet, hat Dich der Schauspieler gefragt, ob Du auch manchmal von Dir beeindruckt bist? Oder war es umgekehrt? Egal - ihr beide kanntet das Gefühl.
In Europa
Am 19.05.2013 hatte Dein SC Freiburg am letzten Spieltag gegen Schalke 04 die Chance sich für die Champions League zu qualifizieren. Aber es wurde eine unglückliche, unverdiente Niederlage inklusive Eigentor. Du warst in der anschließenden Pressekonferenz sichtlich frustriert. Da meldete sich der Unternehmenssprecher eines SC-Sponsors und sagte: "Herr Streich, jetzt machen Sie doch nicht so ein Gesicht. Das war doch eine tolle Saison!“ Dein Wutausbruch war spektakulär: "Soll ich mich jetzt freuen, dass wir verloren haben?", hast Du zurückgegiftet.
In dem Moment dachte ich, so soll die Saison nicht enden und habe mich gemeldet. Tatsächlich bekam ich ein Mikro gereicht und sagte: "Herr Streich, wir Journalisten haben zusammengelegt und schenken Ihnen aus gegebenem Anlass das Buch "In Europa - eine Reise durchs 20. Jahrhundert" von dem niederländischen Journalisten Gert Maak." Deine Antwort: "Ihr denkt immer, ich bin ein Intellektueller, aber das stimmt nicht!“, hast Du dann gesagt, aber - Du hast das Geschenk angenommen.
Monate später, beim Auftakt zur neuen Saison, habe ich vorsichtig gefragt, ob Du schon mal reingeschaut hast. Deine Antwort hat mich dann sehr gefreut: "Ich bin schon auf Seite 767.“
Zukünftige Ziele
Jetzt, bei der letzten Pressekonferenz in Freiburg, hast Du erzählt, dass Dir die vielen Geschenke, der Zuspruch und die Liebe von den Menschen fast peinlich waren und Du Dich fast wie ein Hochstapler fühltest. Davon kann keine Rede sein. Ich wünsche Dir, dass Du jetzt nicht in ein Loch fällst, sondern Zeit für Deine Familie hast, zum Lesen, Fahrradfahren, Reisen und irgendwann wieder beim Sport-Club auftauchst. Zum Beispiel als Talentscout-Assistent an der Seite von Deinem alten Freund Klemens Hartenbach auf Reisen gehst, nach Mailand oder Madrid. Hauptsache Spanien!
Dein Sebastian Bargon (Bargonelli)
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