Teure Mieten und zu wenig Neubau. 71 Prozent der Menschen, die Stuttgart verlassen, ziehen weg, weil sie keine Wohnung finden. Die Gründe sind bekannt. Doch gibt es auch Lösungen?
Die Wohnungsnot in Stuttgart zwingt viele Menschen dazu, die Stadt zu verlassen. Hier sind einige wichtige Punkte aus der neuesten Forschung und Erkenntnissen, die dazu beitragen könnten, die Situation zu verbessern:
- Hohe Mieten und zu wenig Neubau: 71 Prozent der Menschen, die Stuttgart verlassen, tun dies, weil sie keine bezahlbare Wohnung finden. Die Mieten sind teuer, und der Neubau stagniert. Um diesem Problem zu begegnen, müssen Maßnahmen ergriffen werden, um den Wohnungsbau zu fördern und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
- Vermieterstruktur: Der Stuttgarter Wohnungsmarkt wird nicht von großen Mietkonzernen dominiert, sondern von vielen einzelnen Vermietern. Etwa 80 Prozent der Mietwohnungen in Stuttgart befinden sich im sogenannten Kleinbesitz, wo Eigentümer ein oder zwei Mietshäuser besitzen. Die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) verwaltet 20.000 Wohnungen. Es ist wichtig, mit diesen Vermietern zusammenzuarbeiten, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
- Soziale Kriterien berücksichtigen: Die SWSG wählt Interessenten für ihre Wohnungen beispielsweise per Zufallsgenerator aus und bevorzugt nach sozialen Kriterien Familien für größere Wohnungen. Dieser Ansatz kann dazu beitragen, den sozialen Frieden zu wahren und die Bedürfnisse verschiedener Bevölkerungsgruppen zu berücksichtigen.
- Fachkräfte und junge Leute: Die Wohnungssituation betrifft nicht nur junge Menschen, sondern auch Fachkräfte. Eine Studie der Unternehmensberatung PWC zeigt, dass in Stuttgart mehr Fachkräfte als in anderen Ballungsräumen darüber nachdenken, die Stadt und ihren Arbeitsplatz zu verlassen, um woanders neu zu starten. Die Nachfrage nach günstigem Wohnraum für junge Haushalte ist besonders groß, und Familien mit Kindern haben zusätzliche Platzbedürfnisse.
- Zusammenarbeit und Lösungen: Um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, müssen Stadtverwaltung, Wohnungswirtschaft und andere Akteure zusammenarbeiten. Gemeinsame Anstrengungen, transparente Kommunikation und gezielte Maßnahmen sind entscheidend, um die Wohnungsnot zu lindern.
Judith und Jonathan wollen nach Jahren Fernbeziehung endlich in Stuttgart zusammenziehen. Das verkünden sie für jeden sichtbar im Internet auf einem Wohnungsportal. Im Inserat versprechen die Bauingenieurin und der Lehrer, hilfsbereite Nachbarn zu sein. Single Pia bietet 300 Euro Belohnung, wenn sie als verbeamtete Lehrerin endlich eine Wohnung findet. Und Maxi und Luca wollen künftige Vermieter mit Weinlieferungen locken, das junge Paar arbeitet in der Branche. Knappe, anonyme Zeitungsannoncen waren gestern. In Online-Mietgesuchen für Stuttgart wird Privatestes offenbart: von Hochzeitsfotos bis zu Hobbys und Kochvorlieben.
Wer vermietet in Stuttgart?
Der Stuttgarter Wohnungsmarkt wird nicht von großen Mietkonzernen bestimmt, sondern von vielen einzelnen Vermietern. Von den 317.000 vermieteten Wohnungen in der Stadt gehören etwa dem großen Immobilienkonzern Vonovia lediglich 4.000. Die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) hat 20.000 Wohnungen. Mit 80 Prozent ist der größte Teil der Mietwohnungen in Stuttgart im sogenannten Kleinbesitz. Eigentümer haben ein oder zwei Mietshäuser.
Wer wie die Beamtin Pia ein sicheres Einkommen bieten kann, hat bessere Chancen. Denn die meisten dieser Wohnungseigentümer sehen ihre Immobilie als Geldanlage. Auch größere Vermieter wie Konzerne, die städtische SWSG oder Kirchen mit Immobilien setzen auf verlässliche Mieteinnahmen. Die SWSG wählt Interessenten aber beispielsweise per Zufallsgenerator aus und bevorzugt nach sozialen Kriterien Familien für größere Wohnungen.
Vom bezahlbaren Wohnen hängt der soziale Frieden ab, meint Kerstin Renz von der Evangelischen Akademie. Wie das vor Ort gelingen kann, hat die Forscherin bei einer Tagung in Bad Boll vorgestellt:
Wer findet am schwersten eine neue Wohnung?
Wie Judith und Jonathan haben viele junge Leute in Stuttgart zwar einen Job gefunden, aber keine Bleibe. Wie sie trifft es mittlerweile auch Fachkräfte. Nach einer neuen Studie der Unternehmensberatung PWC ist das zunehmend auch ein Problem für Arbeitgeber, weil wichtige Mitarbeiter abwandern. In Stuttgart überlegen mit 38 Prozent mehr Fachkräfte als in anderen Ballungsräumen, die Stadt und ihren Arbeitsplatz zu verlassen, um woanders neu zu starten.
Junge Leute tun sich noch einmal schwerer auf dem Wohnungsmarkt, weil ihr Budget meist klein ist. In Stuttgart mit vielen Ausbildungs- und Studienplätzen ist die Nachfrage nach günstigem Wohnraum für junge Haushalte besonders groß. Sollte es bei Judith und Jonathan Nachwuchs geben, wird es noch schwieriger. Denn Familien mit mehr Platzbedarf für Kinder gehören ebenfalls oft zu denen, die verzweifelt nach einer Wohnung in Stuttgart suchen. Senioren und Menschen, die aufgrund von Behinderung oder anderen Einschränkungen besondere Bedürfnisse beim Wohnen haben, zählen ebenfalls dazu und auch Geflüchtete finden nur schwer Wohnraum.
Wie könnten neue Wohnungen entstehen?
Maxi und Luca suchen ihre neue Wohnung da, wo sie gerne ausgehen: im Stuttgarter Westen oder Süden. Doch gerade hier kommen wenige neue Wohnungen hinzu. Selbst wenn nach Jahren Vorplanung und Stress mit dem Baurechtsamt mal ein Dach zusätzlich ausgebaut wird, sind diese meist teuer und im Luxussegment.
Wer als Vermieter neuen Wohnraum schafft, der guckt insbesondere auf die Rendite. Laut der Vermieter-Interessenvertretung Haus und Grund müssen in Stuttgart pro Quadratmeter etwa 4.000 Euro Anschaffungskosten kalkuliert werden. Um eine sinnvolle Rendite zu erwirtschaften, müssten Vermieter demnach eine Quadratmeter-Miete von 20 Euro im Monat verlangen - viel zu viel für Maxi und Luca. Sie können maximal 1.300 Euro zahlen.
Auch auf einen Neubau können sie sich wenig Hoffnung machen. Denn in Stuttgart wird seit Jahren weniger neu gebaut, als gebraucht wird. Nach Bedarfsanalysen müssten mehrere Tausend neue Wohnungen pro Jahr in Stuttgart hinzukommen. In den vergangenen beiden Jahren waren es aber unter 1.000 pro Jahr.
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Wer bietet neuen Wohnraum an?
Da Immobilien als Geldanlage durch gestiegene Baukosten und teurere Kredite aus Sicht von Investoren unrentabel geworden sind, können Judith und Jonathan ihren Traum vom Wohnen im angesagtesten Viertel vielleicht nicht realisieren. Aber sie können auf gemeinwohlorientierten Wohnungsbau hoffen. Nur klappt es da nicht mit dem von den beiden gewünschten Einzugsdatum Anfang Mai.
Im Stuttgarter Stadtteil Rot baut die städtische SWSG derzeit eine Siedlung mit 400 Wohnungen. Vorbild sind verdichtete Wohnungen wie aus den 70er-Jahren, lange als Brennpunkte im Plattenbau verschrien. Bis Judith und Jonathan hier einziehen könnten, wird es dauern. Seit über 15 Jahren laufen die Planungen für diese neuen Wohnungen hier bereits.
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Lange Planungszeiten, ein überlastetes Baurechtsamt und viel Gegenwind von klagefreudigen Nachbarn behindern zusätzlich Neubauten. Und in Stuttgart werde wenig neues Bauland ausgewiesen, beklagen die, die gerne bauen würden. Kritiker wie beispielsweise Ulrich Wecker von Haus und Grund bemängeln, dass dabei auch zu viel Rücksicht auf Umwelt- und Klimaschutz genommen wird, statt Wohnraum zu schaffen.
Die Kommunalpolitik setzt bei ihren Entscheidungen vor allem auf gemeinwohlorientierte Bauträger. Der Stuttgarter Gemeinderat hat der städtischen SWSG deshalb zuletzt 200 Millionen Euro zusätzlich bewilligt.
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In Stuttgart soll bis 2033 der Bau von 20.000 neuen Wohnungen ermöglicht werden. Diesen Beschluss fasste der Gemeinderat am Donnerstag. Streit über die Wohnbauziele gibt es weiterhin.
Wie könnte unkonventionell Wohnraum entstehen?
Die Chancen von Judith, Jonathan, Pia, Maxi und Lucas auf eine neue bezahlbare Wohnung stehen aus vielen Gründen schlecht. Der Hauptgrund ist, dass wenig frei wird. Denn wer eine Wohnung in Stuttgart hat, zieht nicht gerne aus. In Umfragen sagen 80 Prozent, sie seien mit ihrer Wohnsituation zufrieden. Obwohl die Stuttgarter Bestandsmieten ähnlich hoch sind wie in München, wechseln wenige Mieter, da sich keine günstigeren Alternativen finden.
Wer wie Maxi und Luca zusammen zieht, könnte versuchen, die bisherige Bude im Tausch anzubieten. Doch Erfahrungen der Gemeinden zeigen, dass über Plattformen zum Wohnungstausch nur wenige zum neuen Zuhause finden. Auch Versuche mit "Tiny Houses" bieten nur sehr vereinzelt Menschen ein neues Heim.
Ideengeber wie die Projekte der Internationalen Bauausstellung (IBA'27) in der Region Stuttgart versuchen deshalb andere Ansätze und wehren sich gegen die strenge Trennung von Wohnen, Gewerbe und Produktion in Bebauungsplänen. Wie das geht, wollen sie zum Beispiel in der alten Spinnerei in Wendlingen (Kreis Esslingen) zeigen. Mit Beginn der IBA im Jahr 2027 soll man sich dann in den neuen Wohnungen umsehen können. Auch zu spät für Maxi und Luca.
Weg frei für mehr als 5.000 neue Wohnungen Stuttgart: Rahmenplan für das Rosenstein-Quartier beschlossen
Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik im Stuttgarter Gemeinderat hat am Dienstag den Rahmenplan für das neue Stadtviertel Rosenstein beschlossen. In dem neuen Stadtteil sollen mehr als 5.000 neue Wohnungen entstehen.
Und in Stuttgart? Da erhofft man sich viel neuen Wohnraum im neuen Stadtviertel Rosenstein-Quartier, das im Zuge von Stuttgart 21 entsteht. Doch bis hier die ersten Umzugswagen rollen, müssen erst S21 fertig und die oberirdischen Gleise abgebaut sein. Maxi und Luca sind bis dahin möglicherweise längst Eltern und ins Umland ausgewichen. Dorthin, wo nach der letzten Wohnungsbefragung die meisten hingezogen sind, die in Stuttgart nichts gefunden haben.
Neue Modelle für Fachkräfte: Job nur mit Wohnung?
Immer mehr Arbeitgeber verlieren wegen der schwierigen Wohnungssituation Mitarbeitende. Um Fachkräfte zu halten oder zu gewinnen, überlegen Unternehmen und Institutionen, den Beschäftigten zum Job auch gleich eine Bleibe anzubieten. Nicht nur Unternehmen setzen auf Werkswohnungen. Auch bei Kliniken wie etwa dem Robert-Bosch-Krankenhaus oder bei der Stadt Stuttgart gibt es entsprechende Überlegungen. Vielleicht auch eine Chance für die Bauingenieurin Judith - die wohl leichter eine neue Stelle als eine neue Wohnung findet.
Bezahlbares Wohnen wird zum Standortfaktor für Jobsuchende
Wohnen wird immer teurer. Durch den Fachkräftemangel sind Unternehmen darauf angewiesen, für ihre Beschäftigten sicheren und bezahlbaren Wohnraum in ihrer Nähe zu garantieren. Außerdem ist die Suche nach einer freien, bezahlbaren und passenden Wohnung in vielen Regionen deutlich schwerer geworden. Beide Aspekte, der Mangel an Fachkräften und bezahlbarem Wohnraum, gehören momentan zu den größten Risiken für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Über dieses Problem hat SWR Aktuell-Moderator Sebastian Felser mit Christian Bruch gesprochen. Er ist Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau. Ein Schwerpunkt des Verbandes ist die Förderung des Wohnungsbaus.