Die Vergewaltigung auf der Stuttgarter Königstraße fand in einem Bereich statt, der nicht videoüberwacht ist. Die Stadt will nicht mehr Kameras, aber die Polizei ist jetzt mit mehr Kräften unterwegs.
Nach einer Vergewaltigung auf der Königstraße am vergangenen Samstag ist die Stuttgarter Polizei alarmiert. Dass die Tat auf der auch nachts belebten Einkaufsstraße passieren konnte, bereite der Polizei Sorge, so der Stuttgarter Polizeipräsident Markus Eisenbraun. Es seien mittlerweile eine Handvoll Hinweise eingegangen. Aus ermittlungstaktischen Gründen wollte ein Sprecher der Polizei jedoch keine weiteren Informationen geben. Mittlerweile wurde eine Ermittlungsgruppe gegründet.
Tat lag außerhalb des videoüberwachten Bereiches
Dass die Tat auf der belebten Königstraße passiert ist, warf zunächst die Frage auf, warum der Übergriff auf keiner der Überwachungskameras in der Innenstadt zu sehen ist. Erst im vergangenen Jahr war die Anzahl der Kameras in der Innenstadt erhöht worden.
Allerdings liegt der Tatort nach Angaben der Polizei in der oberen Königstraße. In diesem Bereich gibt es keine Videoüberwachung. Diese konzentriere sich auf den Bereich um den Schlossplatz und die oberen Schoßgartenanlagen. Sie wird immer freitags, samstags und in Nächten vor einem Feiertag aktiviert, wie die Stadt Stuttgart auf Anfrage des SWR erläutert.
Eine Ausdehnung der Videoüberwachung sei momentan nicht Grundlage der Diskussion. Sie werde derzeit an Orten eingesetzt, wo sich die Kriminalität häufe. Aber die Stadt arbeite an Konzepten, bei denen es auch um die Sicherheit von Frauen im öffentlichen Raum gehe.
Polizei will Präsenz erhöhen
"Grundsätzlich ist die Videoüberwachung für uns ein positives Werkzeug", sagt Polizeipräsident Eisenbraun. Die Polizei nehme aber auch wahr, dass das subjektive Sicherheitsgefühl beeinträchtigt sei. Auch deshalb wolle die Polizei jetzt die Polizeipräsenz in der Innenstadt erhöhen.
Die Polizei hatte den Personaleinsatz nach eigener Aussage bereits in den letzten Wochen erhöht, weil es vor allem in den Sommermonaten vermehrt zu Straftaten komme. Jetzt soll an den Wochenenden noch mehr Präsenz gezeigt werden.
Statistik: Sexualisierte Gewalt in Stuttgart 2022 gestiegen
Laut der polizeilichen Kriminalstatistik 2022 für Stuttgart sind die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung im Vergleich zum Vorjahr angestiegen: um sechs Prozent auf 920 Taten. Im öffentlichen Raum sind diese Straftaten im vergangenen Jahr sogar um 22 Prozent auf 315 Fälle gestiegen. Das heißt, dass etwa ein Drittel dieser Straftaten im öffentlichen Raum stattgefunden haben. Mit einem Anteil von rund zwei Dritteln finden die meisten Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung aber im privaten Raum, beispielsweise in Form von sexualisierter häuslicher Gewalt, statt.
Weniger Fälle als vor Corona Kriminalstatistik: So kriminell ging es 2022 in Stuttgart zu
Die Polizei war 2022 mit mehr Straftaten beschäftigt. Ein Teil der neuen Stuttgarter Kriminalstatistik lässt sich mit dem Ende von Corona-Maßnahmen erklären - aber nicht alles.
Laut dem Sicherheitsbericht des baden-württembergischen Innenministeriums für 2022 sind die Fallzahlen zu sexueller Belästigung, sexuellen Übergriffen und vor allem Vergewaltigungen im Land auf ein Fünfjahreshoch gestiegen.
Frauenberatung spricht von hoher Dunkelziffer
Heidrun Hiller vom Fetz, dem Frauenberatungs- und Therapiezentrums in Stuttgart, bewertet die Zahlen kritischer. Sie geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Außerdem gebe es einen verstärkten Beratungsbedarf: "Wir hatten im letzten Jahr 1.400 Beratungskontakte nach sexualisierter Gewalt", sagt Hiller. Sie glaubt auch, dass Frauen sexuelle oder sexualisierte Gewalt mittlerweile deutlicher erkennen würden.
Präventionsmaßnahmen bei sexueller Gewalt
Hiller macht auch klar: Schuld ist immer der Täter. Aber auch die Umgebung und die Gesellschaft haben laut Hiller eine Verantwortung. Trotzdem gibt sie den Frauen, die in die Beratungsstelle kommen, auch Ratschläge, wie sie sich eventuell vor einem Angriff schützen können. Sie rät zum Beispiel zu einem Schrillalarm, um schnell auf sich aufmerksam machen zu können. Das würde allerdings nicht vor der eigentlichen Gewalt schützen. "Es geht darum, dass die Gewalt wahrgenommen wird und auch die Umgebung aufmerksam ist", sagt Hiller.