Was können Gehbehinderte oder Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer auf dem Stuttgarter Frühlingsfest alles unternehmen? Autoscooter, Geisterbahn? Ein Test auf dem Wasen.
Wir haben getestet, was für Menschen mit Behinderung auf dem Stuttgarter Frühlingsfest alles möglich ist. Bei welchen Fahrgeschäften können sie beispielsweise gut einsteigen?
Henriecke Pfalzgraf ist auf den Rollstuhl angewiesen, seit sie denken kann. Sie ist als extremes Frühchen auf die Welt gekommen, in der Folge hat sie unter anderem Lähmungen in den Beinen und konnte nie richtig laufen. Heute ist sie 43 Jahre alt, lebensfroh, unternehmungslustig und unerschrocken trotz all der Hürden, die sie im Alltag zu bewältigen hat. Sie hat ausprobiert, wie es um die Barrierefreiheit beim Stuttgarter Frühlingsfest bestellt ist.
Man sieht fast nichts außer Bäuche und Hinterteile
Sie habe sogar schon einen Fallschirm-Tandemsprung gewagt, erzählt sie, während sie sich mit dem Rollstuhl zwischen den Buden und den Festbesuchern hindurch manövriert. Veranstaltungen wie das Frühlingsfest stellen sie aber vor besondere Herausforderungen. "Wenn es voll ist, dann ist es als Rollifahrer eine Qual hier auf dem Wasen. Man sieht fast nichts außer Rücken, Rucksäcke, Bäuche und Hinterteile."
Das Problem ist nicht nur, dass sie nichts sehen kann, sondern dass sie auch nicht gesehen wird. Sie berichtet, wie sie einmal an einer Imbissbude etwas kaufen wollte, andere Gäste am Tresen mit dem Rücken zu ihr standen und sie einfach nicht bemerkten: "Ich musste die Leute richtig anschreien, damit die mal ein Stück zur Seite gehen." Selbst wenn sie Tresen oder Stehtisch erreiche, könne sie kaum drüber schauen, die Kanten seien für sie immer auf Stirnhöhe.
Barrierefreie Highlights: Autoscooter und Riesenrad
Es gibt mittlerweile aber durchaus einige barrierefreie Angebote auf dem Frühlingsfest. Eines der Highlights ist der Autoscooter "Top In". Betreiber Thomas Hahn hat ein Boxauto angeschafft, das auf Handgas umgerüstet ist und einen speziellen Rückhaltebügel hat, der die Fahrerinnen und Fahrer im Sitz hält, die sich nicht mit den Beinen abstützen können. In dem Boxauto könne man, auch wenn man eingeschränkt sei, alleine fahren, niemand müsse sich daneben setzen, so Thomas Hahn. Beim Umsteigen vom Rollstuhl ins Boxauto helfen Mitarbeitende. Henriecke Pfalzgraf fährt gleich drei Runden und strahlt anschließend: "Das macht süchtig."
Das Riesenrad "Bellevue" hat Gondeln, deren Bänke mit wenigen Handgriffen hochgeklappt werden können, sodass Pfalzgraf mit dem Rollstuhl reinfahren kann. Chefin Wiebke Bruch sagt, nicht nur bei einer oder zwei Gondeln, sondern bei allen 42 Gondeln könne so Platz für Rollstühle geschaffen werden. Da Henriecke Pfalzgraf einen manuellen Rollstuhl hat, darf sie mitfahren und kann den Blick von oben über den Wasen und die Stadt genießen. Mit Elektro-Rollstühlen geht das wegen des Akkus und des Gewichts allerdings nicht.
Beim Frühlingsfest ist ein "Anfang zur Teilhabe gemacht"
Der Landesverband für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung (LVKM) lobt, beim Frühlingsfest sei ein Anfang zur Teilhabe gemacht. Zum ersten Mal gebe es auch eine "Toilette für alle", also einen Raum, der ausreichend groß auch für Elektro-Rollstühle ist, der eine höhenverstellbare Pflegeliege und einen Lifter für den Transfer vom Rollstuhl auf die Liege oder auf die Toilette hat.
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Verband: "Informationen zur Barrierefreiheit müssen verfügbar sein"
Es gebe aber durchaus noch Luft nach oben, so LVKM-Geschäftsführerin Jutta Pagel-Steidl. Sie bemängelt, dass die Informationen zur Barrierefreiheit auf dem Frühlingsfest vom Veranstalter in.Stuttgart nicht ausreichen: "Es braucht Informationen vorab. Welche Fahrgeschäfte sind zugänglich? Welche Festzelte sind zugänglich? Welche Bude ist barrierefrei? Wo gibt es Rollstuhlplätze? Auch die Toiletten, die müssen sichtbar sein." Und ihr ist wichtig zu erklären, dass es nicht ausreiche, wenn Wirte bereit seien, auch mal eine Bierbank wegzustellen. Man fühle sich nicht willkommen, wenn man Umstände mache, sondern es müsse feste und zugängliche Plätze für Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer geben.
Das Fazit von Henriecke Pfalzgraf nach Autoscooter- und Riesenrad-Fahrt und einem Imbiss an einer Bude: Es sei ein bisschen schade, dass sie es selbst als gute Rolli-Fahrerin nicht ohne Hilfe schaffe, die Rampen hoch zu fahren, und dass es keine höhenverstellbaren Tische gebe. Aber: Der Autoscooter sei "cool", und das Riesenrad sei eine schöne, ruhige Fahrt zum Abschluss des Frühlingsfest-Besuchs gewesen. Alles in allem also: Daumen hoch!
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