Mitten in der Teuerung schlägt seine Aktion ein wie eine Bombe: Ein Gastwirt aus Waiblingen senkt alle Preise auf 6,90 Euro. Jetzt zieht er sein Fazit.
Mit der Wiedererhöhung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie zum Jahresbeginn ging ein Aufschrei durch die Branche. Rund 80 Prozent der Betriebe sahen sich in der Folge gezwungen, ihre Preise zu erhöhen, wie aktuelle Umfrageergebnisse des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) zeigen. Ein Gastwirt aus Waiblingen (Rems-Murr-Kreis) hat mitten in der Teuerung den Spieß einfach umgedreht und die Preise aller Tagesgerichte auf 6,90 Euro gesenkt. Das Experiment ist beendet: Zeit für einen Kassensturz.
Marketingaktion: Gäste pilgern für Rostbraten nach Waiblingen
Im Februar machte Gastronom Matthias Hönes mit seinem Wirtshaus am alten Postplatz in Waiblingen überregional Schlagzeilen: Mitten in der Teuerung senkte er die Preise aller Gerichte auf seiner Karte auf den Einheitspreis von 6,90 Euro. Befristet auf zunächst einen Monat, zwischen 11 und 17 Uhr. Sein Kalkül: Spricht sich das herum, kommen dreimal so viele Gäste wie bisher. Die Rechnung geht auf. Die Aktion zieht Gäste weit über Waiblingen hinaus an.
Kristina Bunn aus Stuttgart-Rohr ist mit ihrem Mann zum Mittagessen mit der S-Bahn angereist. Nachdem sie im Internet auf die Aktion aufmerksam wurde, sei sie gleich mehrfach vorbeigekommen, erzählt sie. Als Rentnerin könne sie sich essen gehen nicht mehr so häufig leisten. Ohne die Aktion wäre sie nie ins Waiblinger Wirtshaus gekommen, meint sie. Und damit unterstütze sie den Gastronomiebetrieb trotz Schnäppchen ja auch.
Hauptgerichte für unter 7 Euro: Warum die Rechnung für den Gastwirt aufgeht
Auf solche Neukundschaft hat Matthias Hönes gesetzt, um seinen Mittagstisch zu beleben. Weil das Konzept funktioniert, hat er die Aktion sogar um einen weiteren Monat verlängert.
Besonders hoch im Kurs: der Zwiebelrostbraten. Hier sparen die Gäste am meisten: Während der Aktion kostet er mit knapp 7 Euro weniger als ein Viertel des Normalpreises von rund 29 Euro. An der Qualität hat Hönes dabei nicht gespart, versichert er.
Weder Portionsgrößen noch Warenqualität habe er während der Aktion reduziert. Die Masse macht es möglich, erklärt Ilir Haskgasa, seit zehn Jahren Koch im Wirtshaus. "Es ist zwar wenig Geld für ein Essen, aber wenn du 600 bis 700 Essen am Tag rausgibst, bleibt unterm Strich trotzdem noch was."
Idee im Restaurant: Waren unter Wert, verdient wird am Getränk
Das liegt vor allem an den Getränken. Hier hat Matthias Hönes die Preise nicht verändert. Kommen mehr Gäste, werden auch mehr Getränke konsumiert und die Einnahmen stimmen, auch wenn das Essen teils unter Warenwert verkauft wird, erklärt er. Zudem bestelle nicht jeder den teuren Zwiebelrostbraten, rund 70 Prozent konsumierten günstigere Speisen - eine Mischkalkulation.
Hinzu kam der Trick, den Preisknaller mit einer Spendenaktion zu verbinden: Wer wollte, konnte bei der Rechnung eine Spende an drei Hilfsorganisationen der Region geben: Kinderhospiz, Tafel oder Tierschutzverein. Die kann Hönes von der Einkommenssteuer absetzen. Und weil die Gäste am Essen gespart haben, hat auch die Belegschaft profitiert: Das Trinkgeld saß wieder lockerer.
Preisdumping: Ist das eine Dauerlösung für Restaurants?
Am Sonntag ist die Aktion ausgelaufen. Das Fazit von Gastwirt Matthias Hönes nach zwei Monaten: ein voller Erfolg. Zehnmal so viele Gäste wie sonst kamen ins Wirtshaus, die Tische waren täglich vierfach belegt, teilweise sei die Telefonanlage zusammengebrochen, so viele Reservierungen seien eingegangen, erzählt er. Auffällig sei gewesen, so Hönes, dass auch viele Rentner und Familien unter den Gästen waren. Gesellschaftsgruppen, die sich den Restaurantbesuch nicht mehr so häufig leisten können.
Am Ende seien seine Erwartungen noch übertroffen worden, freut sich Matthias Hönes. Er habe nicht nur gut Gewinn gemacht, es sei auch eine mittlere fünfstellige Zahl an Spenden für den guten Zweck zusammengekommen. "Win-Win-Win" meint Hönes, der schon den nächsten Preisknaller im Köcher hat: alle Gerichte tagsüber zum halben Preis. "Man kann bei der ganzen Preispolitik auf Dauer nicht immer teurer und teurer werden." Man müsse neue Ideen erarbeiten, um zu überleben, sagt Hönes.
Runter mit den Preisen, wenn die Kosten steigen - in Hönes' Fall hat das funktioniert. Mit 160 Plätzen im Wirtshaus und einem großen Mitarbeiterstamm aufgrund mehrerer Restaurantstandorte kann er auf Masse setzen. Eine Lösung für die gesamte Branche? Eher nicht.
DEHOGA: Mehrzahl der Gaststätten muss Preise erhöhen
Der Gaststättenverband DEHOGA Baden-Württemberg will sich auf SWR-Anfrage nicht zu diesem Fall äußern. In die Preis- und Marketingaktionen einzelner Betriebe wolle man sich als Verband nicht einmischen, so Sprecher Daniel Ohl. Klar sei aber: "Die aktuelle wirtschaftliche Situation im Gastgewerbe ist gekennzeichnet durch gestiegene Kosten und eine angespannte Ertragslage in vielen Gastronomiebetrieben." Für die Mehrzahl der Unternehmen seien Preiserhöhungen infolge der Mehrwertsteuererhöhung unausweichlich.
Gastwirt Matthias Hönes will an seinem Preis-Modell festhalten. Wenn im Mai sein Biergarten im Remstal öffnet, soll es auch hier alle Gerichte für 6,90 Euro geben. Dank Selbstbedienung und noch mehr Fläche lasse sich das Konzept hier vielleicht sogar dauerhaft umsetzen, meint er.
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