ein junger Waschbär auf einem Hausdach (Archivbild)

Immer mehr Schäden

Waschbären im Raum Stuttgart: Stadtjäger soll Tiere schießen

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Autor/in
Olga Henich
Olga Henich

Sie sehen süß aus, sind mittlerweile aber eine Plage. Waschbären breiten sich nicht nur im Wald aus, sondern wüten auch im Stuttgarter Stadtgebiet. Ein Stadtjäger schafft Abhilfe.

Putzige Schnauzen, schwarze Kulleraugen und ein flauschiges Fell - Waschbären sehen süß und harmlos aus. Wenn es von ihnen zu viele gibt, können sie aber massiven Schaden anrichten - sowohl in der Natur als auch bei Menschen.

Seit Ende der Schonzeit am 1. Juli dürfen Stadtjäger wie Jürgen Friedle in Stuttgart Waschbären erlegen. Viele Betroffene in Stuttgart empfinden das als ihre langersehnte Rettung. Brigitte Kienle beispielsweise muss ihren Garten im Raum Stuttgart seit einigen Wochen wieder jeden Tag auf Waschbär-Kot absuchen. Sie hat Angst, dass ihre Kaninchen, der kleine Hund oder spielende Kinder damit in Kontakt kommen.

Stadtjäger Jürgen Friedle aus Fellbach (Rems-Murr-Kreis) über Schäden durch Waschbären:

Waschbären-Kot ist gefährlich für die Gesundheit

Brigitte Kienles Nachbar hat ein Loch in seiner Dachfassade. Vor einigen Wochen habe er dort nachts ein Trippeln gehört und dann später einen toten Igel entdeckt, den Waschbären erlegt und hingebracht haben. Zerstörte Dächer, durchwühlte Gärten und stinkende Exkremente auf der Terrasse - das sind oftmals nur die sichtbaren Probleme nach einem Waschbären-Besuch. Dabei können die Tiere in ihrem Kot auch viele gefährliche Krankheitserreger transportieren, sagt Jürgen Friedle.

Kot von Waschbären
Waschbären-Kot kann von der Größe an Hundekot erinnern. Man sollte ihn nur mit Gummihandschuhen oder mit einem Hundekotbeutel berühren und im Restmüll entsorgen, so der Stadtjäger Jürgen Friedle. Würmer und Bakterien in den Exkrementen können gefährliche Krankheitserreger verbreiten.

"Waschbären verbreiten häufig noch schlimmere Krankheiten als Füchse, in ihrem Kot kann man oft Spulwürmer finden", so der promovierte Biochemiker Friedle. Seit vier Jahren arbeitet der 73-Jährige nun als Stadtjäger. Die Hinterlassenschaften der Tiere sollte man deshalb nur mit Gummihandschuhen oder einem Hundebeutel und am besten auch mit Mundschutz entfernen und im Restmüll entsorgen. Ansonsten kann man sich anstecken.

Schäden von Waschbären in der Dachdämmung
Im Dach finden manchmal ganze Waschbären-Familien gemütlichen Unterschlupf. Dort können sie Dachziegel abreißen, die Dämmung durchbeißen und sich einnisten.

Schäden am Dach für mehrere Zehntausend Euro

Darüber hinaus können die Kleinbären auch noch für erheblichen finanziellen Schaden an Häusern sorgen, warnen Friedle und sein Stadtjäger-Kollege Frank Beutelspacher. Wenn sich die Tiere am Dach ansiedeln, zerstören sie meist die Dachziegel und das Dämmmaterial. Im Schnitt kann das die Bewohner dann schnell eine fünfstellige Summe kosten. "Ich habe schon Einsätze gehabt, bei denen der Schaden bei bis zu 50.000 Euro pro Dach lag", erinnert sich der Stadtjäger.

Dachschäden von Waschbären
Wenn sich Waschbären unter dem Dach einnisten, können am Haus schnell finanzielle Schäden im fünfstelligen Bereich entstehen. Die Tiere können sich durch das Dämmmaterial durchwühlen und so auch ins Haus gelangen.

Waschbären gefährden heimische Tierarten

Aber nicht nur Menschen spüren die Konsequenzen der wachsenden Waschbären-Population. Auch die heimischen Tierarten seien bedroht, so der Stadtjäger. Die nachtaktiven Raubtiere fressen vor allem kleinere Wirbeltiere, aber auch Frösche, Lurche, Schildkröten und Vögel. Selbst vor giftigen Kröten machten die Waschbären nicht Halt, sagt Friedle.

Waschbären sind sehr clever. Bei Kröten ziehen sie die giftige Haut ab und fressen nur das Fleisch.

Waschbären verusachen eine Menge Schaden bei Mensch und den heimischen Tierarten.
So sehen Kröten aus, die von Waschbären gehäutet wurden.

Auch Nester kann der vor etwa 100 Jahren aus Nordamerika eingeschleppte Räuber plündern. In Deutschland hat er keine natürlichen Fressfeinde wie in seiner Heimat. Hier kann sich die invasive Art deswegen ungestört vermehren.

Immer häufiger dringen die Tiere auch in Städte vor. Sie seien für viele Wildtiere ein Rückzugort, erklärt Julia Stubenbord, Landestierschutzbeauftragte im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg. In der Natur fürchten die Tiere die Bejagung, weshalb sie in die Städte flüchteten. Nach Ansicht von Stadtjägern ist es aber eher das große Nahrungsangebot in der Nähe von Menschen, das die Waschbären immer weiter in Städte lockt.

Bei Verdacht sofort Stadtjäger rufen

Unter der Waschbärplage leiden mittlerweile auch Unternehmen und soziale Einrichtungen. Im Waldorfkindergarten Sillenbuch in schöner Hanglage in Stuttgart haben sich die Tiere ein Loch in den Sandkasten gegraben und auf der Terrasse Kot und Urin hinterlassen. "Für die kleinen Kinder, die gerne alles anfassen und in den Mund nehmen, aber auch für unsere Mitarbeiter, die es aufräumen mussten, ist das eine gesundheitliche Gefahr", sagt Sabrina Rodrigues von der Kindergartenverwaltung. Bis sie vom Stadtjäger erfahren hat, fühlte sie sich mit dem Waschbären-Problem von den städtischen Behörden zunächst im Stich gelassen. "Wir stehen in der Fürsorgepflicht für die Kinder, und keiner konnte uns sagen, an wen wir uns da wenden sollen."

Mit getrockneten Aprikosen in die Lebendfalle gelockt

Jürgen Friedle empfiehlt, selbst bei kleinstem Verdacht auf Waschbären direkt einen Stadtjäger zu kontaktieren. Der kann sich die Lage vor Ort ansehen und die Maßnahmen am besten bestimmen. Mit einer Wildtierkamera überprüft er zunächst über Nacht, ob Tiere da sind.

Wenn es nicht gelingt, sie mit Lärm oder Lavendelöl zu vergrämen und die Tiere wieder kommen, stellt der Stadtjäger sogenannte Lebendfallen auf. Dafür muss er zuvor eine Genehmigung beantragen und Formulare ausfüllen. Die Kosten für einen Einsatz liegen zwischen 300 und 500 Euro. Die Betroffenen müssen sie in der Regel selbst tragen.

Waschbären verusachen eine Menge Schaden bei Mensch und den heimischen Tierarten.
So sieht eine Waschbärfalle für den Garten aus. Etwa 1,80 Meter lang und ca. 30 Kilogramm schwer. In der Mitte liegt das Futter als Köder. Läuft das Tier herein, löst die Falle aus und die Klappen auf beiden Seiten gehen zu. Um Stress für das nachtaktive Tier zu vermeiden, ist es in der Falle innen dunkel.

Gefangene Waschbären müssen erschossen werden

Angelockt wird der Waschbär dann mit Süßigkeiten: Marshmallows und getrockneten Aprikosen. Kommt das Tier zum Futter in der Mitte, löst die Falle aus. Jürgen Friedle wird darüber dann über einen Melder informiert. Geraten in die dunkle Falle andere Tiere, lässt der Stadtjäger sie frei.

Waschbären muss er mit einem Kopfschuss erlegen - keine schöne, aber eine notwendige Aufgabe für ihn. Sie woanders auszusetzen, ist in Baden-Württemberg nämlich per Gesetz verboten, da es sonst zu Revierkämpfen kommt. Auf keinen Fall dürfe man Köder oder Fallen selbst auslegen, warnt er. Denn das unerlaubte Fangen oder Töten von Waschbären sei ein schwerwiegender Verstoß gegen das Tierschutzgesetz.

Tipps gegen Waschbären

Um sich die Begegnung mit den Kleinbären zu ersparen, empfehlen die Stadtjäger, keine Essensreste frei zugänglich im Garten und vor dem Haus zu lassen. "Mülltonnen sollten immer geschlossen sein - und kein Tierfutter draußen stehen lassen." Da Waschbären geschickte Kletterer sind, raten die Experten, alle offenen Stellen am Haus zu verschließen, Man solle an Regenrinnen zum Beispiel Hindernisse anbringen sowie Gitter am Kamin.

Über 6.000 erlegte Waschbären in BW

Nach Angaben der Stadtjäger haben sich ihre Einsätze mit Waschbären in den letzten zwei Jahren verdoppelt, Tendenz steigend. Wie viele Waschbären es in Baden-Württemberg mittlerweile genau gibt, lässt sich schwer ermitteln. In der Saison 2022/23 haben die Jäger in Baden-Württemberg laut Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz 6.322 Waschbären erlegt. In Hessen, wo es die meisten Waschbären deutschlandweit geben soll, waren das in derselben Saison 30.427.

Geldprämie für erlegte Waschbären

Stoppen könne man die Ausbreitung der Tiere nicht mehr, sagt Friedle. Um aber die heimischen Tierarten zu schützen, müsse man die Waschbärpopulation zumindest stärker in Schach halten. Friedle fordert deshalb eine Prämie für Jäger, wenn sie einen Waschbären schießen. "Sie sollten zumindest zehn Euro pro Waschbärschwanz erhalten." Damit könne man den Anreiz für die Jäger erhöhen.

Ob die Jagd ein geeignetes Mittel ist, die Population der Waschbären zu verringern, ist aktuell umstritten. Laut der Landestierschutzbeauftragten Julia Stubenbord kann die Tötung der Waschbären dazu führen, dass sie sich noch mehr vermehren. Sie spricht sich für eine Sterilisation oder Kastration der Tiere aus und beruft sich auf ein laufendes Pilotprojekt dazu in Berlin.

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