In Wendlingen entsteht am Bahnhof ein neues Parkhaus - nicht wie üblich aus Beton, sondern aus Holz. Die Macher glauben, das werde bald viele Nachahmer finden.
Die Stadt Wendlingen (Kreis Esslingen) setzt beim Bauen neue Maßstäbe. Direkt an der S-Bahnhaltestelle entsteht ein neues "Park and Ride"-Parkhaus und das fast komplett aus Holz. Die Idee dafür hatte das Stuttgarter Architekturbüro Herrmann und Bosch. Das Besondere: Es ist nachhaltig, weit in die Zukunft gedacht und laut der Stadt Wendlingen vermutlich mit eines der ersten seiner Art.
"Kolosseum von Wendlingen"
Im Wendlinger Bauamt hat das Holzparkhaus schon einen Spitznamen. "Meine Kollegen sagen, es sieht aus wie das Kolosseum von Wendlingen", sagt Stadtbaumeister Axel Girod. Doch im Unterschied zum antiken römischen Amphitheater, das aus jeder Menge Steinen besteht, ist das neue Wendlinger Parkhaus fast vollständig aus Holz. Nur einzelne Elemente wie zum Beispiel die Rampen, die die fünf Etagen miteinander verbinden, und die Treppenhaustürme sind aus Beton.
Holzparkhaus könnte zur Gewerbefläche umgebaut werden
Den Architekten war es wichtig, dass das Gebäude mehr kann als konventionelle Bauten aus Stahl und Beton. Das Parkhaus punkte mit drei Nachhaltigkeits-Aspekten, sagt Architekt Gerhard Bosch vom Architekturbüro Herrman und Bosch. Zum ersten werde mit Holz gebaut, also einem nachwachsenden Rohstoff. "Das zweite ist die Nachnutzbarkeit." Das Parkhaus lasse sich also auch in Gewerbeflächen oder Wohnungen umbauen. Möglich macht das unter anderem eine Geschosshöhe, die mit 2,30 Metern höher ist als in anderen Parkhäusern. Das Dritte sei die Wiederverwendbarkeit: "Alle Elemente des Hauses können an anderer Stelle wieder eingebaut werden", so Bosch.
So hat SWR1 Baden-Württemberg am 23. Februar 2023 über das Holzparkhaus berichtet:
Damit die Einzelteile des Gebäudes wiederverwendbar bleiben, wurde alles wie ein Puzzle in einer Art Stecksystem zusammengebaut, erklärt Stadtbaumeister Axel Girod. Die Deckenbalken wurden extern von einer Firma gefertigt und auf der Baustelle nur noch montiert. Alles musste genau passen, zurecht gesägt wurde nichts mehr.
Interesse an Bauprojekt in Wendlingen riesig
Kaum etwas ist verschraubt oder geklebt. Fast alles ist so gemacht, dass es sich bei Bedarf relativ einfach wieder auseinander bauen ließe. Das wird auch dann wichtig, wenn man die Baustoffe recyceln will. Holz, Metallschienen, Betonrampen - alles lässt sich später mal relativ leicht sortenrein trennen.
Auf dem Dach des Parkhauses entsteht außerdem eine riesige Photovoltaik-Anlage. Diese soll den Strom für die 20 Ladestationen für E-Autos im Parkhaus liefern. Der restliche Strom wird nach Angaben des Stadtbaumeisters ins Netz eingespeist. Das Interesse an dem Bauprojekt sei extrem groß. Dutzende Führungen mit Interessierten sowie Fachleuten aus anderen Städten hat Girod schon über die Baustelle gemacht.
Wendlinger Holzparkhaus ist Projekt der IBA 2027
Auch die Macher der Internationalen Bauaustellung (IBA) in der Region Stuttgart im Jahr 2027 sind begeistert. Im Dezember 2023 wurde das Holzparkhaus als offizielles IBA-Projekt aufgenommen. Insgesamt entstehen im neuen Wendlinger Parkhaus rund 350 Auto-Parkplätze, rund 220 Fahrradstellplätze, zwei Reparaturstationen und Schließfächer für Akkus.
Alles zusammen wird laut Axel Girod vermutlich knapp elf Millionen Euro kosten - wegen der Baukostensteigerungen mehr als ursprünglich veranschlagt. Die Stadt geht trotzdem davon aus, dass ein konventionelles Parkhaus aus Stahl und Beton in dieser Größe nicht günstiger gewesen wäre. Holz habe sich in der letzten Zeit deutlich weniger stark verteuert als Stahl und Beton. Die Eröffnung des Parkhauses ist für Ende Juni oder Juli geplant. Es ist damit außerdem das einzige IBA-Projekt, das dieses Jahr schon fertig wird.
Auch in Rheinland-Pfalz in Kaiserslautern wird aktuell ein Parkhaus aus Holz gebaut. Es entsteht auf einem ehemaligen Industrieareal, dem sogenannten Pfaff-Gelände.
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