Die Hitze im Sommer beschäftigt viele. Wie haben sich der Umgang und der Blick darauf verändert? Vier Generationen einer Familie aus der Region Stuttgart erzählen von früher und heute.
Auf der Terrasse eines Wohnhauses in Freudental (Kreis Ludwigsburg) sitzen sie zusammen: der 87-jährige Uropa Walter Gerber und die 61-jährige Oma Karlin Stark. Außerdem die 34-jährige Monja Lampert zusammen mit ihrer acht Jahre alten Tochter Mia auf dem Schoß. Vor ihnen stehen Wassergläser und aufgeschnittene Wassermelone. Im Interview mit dem SWR beschreiben sie, wie sehr sich der Umgang mit Sonne und Hitze in der Familie über die Jahrzehnte verändert hat.
SWR: Monja, wenn Sie morgens mit ihren drei Kindern loslegen, was passiert da alles an einem heißen Sommertag?
Monja Lampert, 34 Jahre: Natürlich Frühstücken, Zähneputzen, Anziehen. Bevor es rausgeht, werden alle offenen Hautstellen mit Sonnencreme eingecremt. Über die Jahre haben wir immer höher gegriffen und aktuell sind wird bei 50. Jeder greift sich dann noch eine Cappy oder wird nochmal zurückzitiert, falls sie doch vergessen wurde.
Ist die Mütze auch in der Schule dabei?
Mia, 8 Jahre: Ja, die ist dabei. Meistens gehen wir, wenn es heiß ist, auf den Pausenhof, da sind nämlich Bäume. Und wenn es ein bisschen kälter ist, dann gehen wir auf den Tartanplatz, da sind keine Bäume.
Karlin, Sie sind die Mutter von Monja. Wie haben Sie das damals mit ihren Kindern in den 1990er Jahren gemacht?
Karlin, 61 Jahre: Es war tatsächlich kein großes Thema und wir haben die Kinder morgens nicht eingecremt. Wenn man ins Freibad oder an den Baggersee gegangen ist, da hat man die Sonnencreme dabei gehabt. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass wir höher als 20 gecremt haben und das war schon extrem.
Walter, Sie sind der Uropa. Wie war das bei ihnen früher als Kind, wenn es heiß war?
Walter, 87 Jahre: Als Kleinkind mit drei oder vier Jahren, kann ich mich erinnern, da gab's keine anderen Maßnahmen als einen Zuber im Garten, wo man im Wasser spielen konnte. Und ich hatte einen weißen Hut mit breiter Krempe. An Maßnahmen gegen die Temperatur kann ich mich erst in der Schule erinnern. Da gab es immer bei 30 Grad schulfrei. Das war immer ein Highlight.
Zwischen meiner Jugend und heute habe ich ein anderes Temperaturgefühl entwickelt. Früher bin ich bei zehn Grad in Hemdsärmeln zur Schule gelaufen. Heute fröstelt es mich da. Wenn heute 30 Grad sind im Sommer, dann ist das fast schon normal. Es ist ein bisschen warm, aber man fühlt sich wohl.
Wie unterscheidet sich Ihre Sicht auf den Sommer damals und heute?
Karlin, 61 Jahre: Früher habe ich warme Tage oder Sommer immer als sehr schön empfunden und war auch gern und viel in der Sonne, als Kind auch. Freibad oder Baggersee waren das größte. Und heute vermeide ich direkte Sonne, wenn es irgendwie geht - weil ich weiß, dass es ungesund ist. Und ich meine, früher war es gefühlt nicht so heiß. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir in meiner Kinder- und Jugendzeit Zuhause mal über 30 Grad gehabt hätten. Im Urlaub in Italien mal - aber bei uns Zuhause nicht. Wir hatten auch noch hitzefrei damals, ich meine das war ab 27 Grad. Da sind wir dann alle ab ins Freibad, den ganzen Tag im Wasser in der Sonne, ohne Sonnenschutz.
Hatten Sie oft einen Sonnenbrand?
Karlin, 61 Jahre: Ja, hatte ich. Das war immer die Einleitung vom Sommer: Einmal hat man Sonnenbrand gehabt und dann ist man braun geworden und dann war es ok.
Heute würde man das vermutlich anders entscheiden ...
Karlin, 61 Jahre: Ich hatte seit bestimmt 20 Jahren keinen Sonnenbrand mehr, wenn nicht noch länger.
Du bist in der Grundschule Mia, hattest Du schon mal hitzefrei?
Mia, 8 Jahre: Ne. Bei uns gibt's das nicht.
Wann ist Ihnen heutzutage heiß?
Monja, 34 Jahre: Ich muss gestehen, die ganz große Hitze, da bin ich kein Fan von. Deswegen habe ich auch die Zeit in Hamburg - da habe ich für neun Jahre gelebt - sehr genossen, weil da die Sommer so angenehm sind. 28 Grad in Hamburg bei einer leichten Brise, das ist meine Wohlfühltemperatur. Und das, was wir hier dann manchmal haben, mit 35 Grad und schwül, da ziehe ich mich dann sehr schnell zurück. Rollladen runter, in den Keller am liebsten und dort auch nächtigen. Und auch im Urlaub - wir gehen da lieber in die Berge als an die Küste.
Haben Sie eine Lieblingsjahreszeit?
Walter, 87 Jahre: Früher in meiner Jugend war es der Winter, weil ich viel Ski gefahren bin. Ich war auch im Württembergischen Skiverband. Und später war es dann Baden und Schwimmen im Sommer, da hab ich auch meine Frau kennengelernt. Meine Lieblingsjahreszeit ist weiterhin der Sommer, auch wenn er so heiß ist.
Karlin, Sie sind die Leiterin des Kreisgesundheitsamts im Landkreis Ludwigsburg und haben einen Hitzeaktionsplan mitentwickelt, bei dem es darum geht, wie sich Leute vor Hitze schützen können. Eine reinberufliche Aufgabe oder ein echtes Anliegen?
Karlin, 61 Jahre: Es ist mir ein echtes Anliegen, dass es Leuten gut geht und dass sie wissen, wie sie sich schützen und anpassen können. Der Hauptinhalt des Hitzeaktionsplan ist ja Anpassung an die erhöhten Temperaturen.
Mia, wenn du dich mit deinen Freunden unterhältst, redet ihr da auch über Hitze und dass es immer wärmer wird, oder ist das kein Thema?
Mia, 8 Jahre: Also eigentlich sprechen wir da nicht so drüber. Manchmal ist es so, wenn es so heiß ist, dass wir sagen, dass wir ins Freibad gehen.
Monja, 34 Jahre: Auch eine beliebte Argumentationskette bei Mia: Heute ist es so heiß, wir brauchen ein Eis.
Thema Klimawandel: Ist das etwas, worüber Sie sich Gedanken machen?
Karlin, 61 Jahre: Als ich Oma geworden bin, war das tatsächlich einer meiner Gedanken, dass ich mir wünsche, dass die Welt bei meinen Enkeln noch so ist, dass sie das erleben können, was ich erlebt hab. Dass sie sich nicht nur schützen müssen vor irgendwelchen Umwelteinflüssen. Also ich würde die Welt gern erhalten. Es ist ja wissenschaftlich bewiesen, dass die Menschen großen Einfluss hatten und diesen Klimawandel vorangebracht haben - und dass Menschen aber auch die Macht hätten, den zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen. Deswegen bin ich sehr dafür, dass man das auch tut.
Monja, 34 Jahre: Tatsächlich versuche ich das optimistisch-hoffnungsvoll zu sehen und die negativen Gedanken nicht so richtig zuzulassen.
Mia, 8 Jahre: Meine Wünsche für die Zukunft sind, dass man wieder hitzefrei kriegt und dass es ein bisschen kühler wird. Und dass im Winter schneller Schnee wieder fällt.
Walter, 87 Jahre: Für die Zukunft wünsche ich, dass unsere Nachkommen, meine Urenkel und die danach, noch eine lebenswerte Welt vorfinden. Wir müssen sehr viel tun, wenn auch gegen Schmerzen, dass wir diesem immer steigenden Fortschritt der Katastrophe entgegenwirken. Wir, als ältere Generation, muss ich sagen, wir haben im Grunde genommen versagt dabei. Das ist leider so.
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