In Stuttgart hoffen Suchthelfer auf einen Drogenkonsumraum. Sie versprechen sich davon, dass er Leben rettet. Auch Jacko würde lieber dort spritzen als auf der Straße.
Der Start eines Drogenkonsumraums in Stuttgart dürfte sich weiter verzögern. Die Stadt Stuttgart begründet dies mit den umfangreichen Planungen. Kritik kommt vor allem von der Stuttgarter Suchthilfe.
Planungen für Drogenkonsumraum seit 2019 In Stuttgart
In Stuttgart gab es nach Angaben der Caritas 2021 insgesamt 13 Drogentote. 2022 waren es demnach schon 35 Tote. Die Dunkelziffer liege in solchen Fällen allerdings höher, so Stefan Michel von der Hilfsorganisation und spricht von einem Drogenproblem in Stuttgart. Dringend brauche man einen Drogenkonsumraum in der Stadt. Einen Ort, an dem Drogenabhängige Hilfe bekommen und der ein niederschwelliges Angebot für Suchtkranke sein soll - mit hygienischen Plätzen zum Fixen, ärztlicher Betreuung, Treffpunkten, Sozialarbeitern, Angeboten zur Substituierung und zum Entzug.
Bereits 2019 hat die Landesregierung den Weg für Kommunen frei gemacht. Seitdem gibt es eine Landesverordnung, die Regeln und Pflichten festschreibt, unter denen eine Kommune einen solchen Drogenkonsumraum einrichten darf. Trotz eines Drogenproblems steckt Stuttgart seitdem in der Planung fest.
Suchtkranke wünschen sich Drogenkonsumraum
Jacko hofft auf einen Raum in Stuttgart, wo er sicher spritzen kann. Er sitzt auf kaltem Beton in einem Parkhaus mitten in Stuttgart und setzt die Spritze mit Subutex an. Die gelbliche Flüssigkeit ist ein Ersatzmittel für Drogenabhängige wie ihn. Subutex sei clean, sagt er, da müsse er sich keine Sorgen machen. Aber bei Heroin, Kokain und vielen weiteren Drogen, die hier in Stuttgart konsumiert werden, wisse er das nicht. Dazu kommt die mangelnde Hygiene. Jedes mal spritzt sich Jacko daher auch ein großes Risiko in die Adern: Das Risiko vor Ansteckung, Verunreinigung, Überdosis.
Neben ausreichend Schutz würde ein Drogenkonsumraum ihm einen Ort bieten, wo er nicht sein Gesicht verliere, wenn er sich etwas spritzt, betont der 32-Jährige. Er würde sofort zu einem solchen Raum gehen. Nicht nur, um zu "ballern", wie er es nennt, sondern auch weil er hofft, dass es dort Möglichkeiten und Chancen für Menschen wie ihn gibt, besser mit der Sucht klarzukommen.
Weitere Verzögerungen sorgen für Ärger
In der Ossietzkystraße 6 soll der Stuttgarter Drogenkonsumraum nach den Planungen der Stadt entstehen. Spät genug, aber ein Start im Januar 2026 sei von der Stadt versprochen, sagt Stefan Michel von der Caritas. Alles sei geplant, die Anträge gestellt, doch dann wieder ein Rückschlag: Im Sozialgesundheitsausschuss der Stadt wurde ihnen am 19.Juni 2023 mitgeteilt, dass es wieder nichts wird. Frühestens Mitte oder Ende 2027, verkündete die Stadt nun als neuen Starttermin für den Drogenkonsumraum. Das sei zu spät für die Suchtkranken und für die Suchthelfer, findet die Caritas.
Stadt Stuttgart: Das Umfeld muss betrachtet werden
Auf SWR-Anfrage begründet die Stadt Stuttgart die Verzögerungen mit anderen Bauprojekten in der Nachbarschaft. Das mache die Planung kompliziert. Schriftlich teilt die Stadt mit: „Bei der Standortfrage eines Drogenkonsumraums muss insbesondere das direkte Umfeld betrachtet werden […] wie z.B. Größe und Lage einer notwendigen Kindertagesstätte im Zusammenhang mit dem geplanten Office-Hub und der angrenzenden geplanten Wohnbebauung.“
Etwa vier Jahre werde es vom Beschluss bis zum Start des Drogenkonsumraums dauern, erläutert ein Sprecher der Stadt Stuttgart. Das sei viel Zeit, die die Suchtkranken nicht hätten, kritisiert Stefan Michel von der Caritas. Er fordert von der Stadt, zumindest den Termin Anfang 2026 einzuhalten, damit möglichst schnell mit der Hilfe für die suchtkranken Menschen begonnen werden könne.
Niederschwelliges Angebot fehlt
Auch die Sozialarbeiterinnen Sabrina Piegnard und Julia Dominke sprechen sich seit Jahren für einen Drogenkonsumraum aus. Für den Verein "Release", der in der Stuttgarter Suchthilfe aktiv ist, sind sie regelmäßig in der Stadt unterwegs. Ein Drogenkonsumraum rette Leben, sagen sie.
Studien aus anderen Städten belegten den Sinn eines solchen Raums, erklären die beiden Sozialarbeiterinnen. In Stuttgart fehle einer, betonen sie: Es gebe hier zwar eine sehr gute Suchthilfe, aber nichts "niederschwelligen Bereich". Deshalb müsse die Stadt Stuttgart die Pläne für einen Drogenkonsumraum zeitnah beschließen und umsetzen.