In Deutschland sterben immer mehr Menschen am Drogenkonsum. Doch es fehlt an Prävention und niederschwelligen Beratungsstellen für Suchtkranke.
In den vergangenen sieben Jahren hat sich die Zahl der Drogentote unter 22 Jahren verdoppelt. Heike und Rajco Mohrmanns Sohn war gerade mal 22 Jahre alt, als er an einer Überdosis Heroin starb.
Drogen und ihre Sucht verändert alle in der Familie
Für die ganze Familie ist die Sucht eines Angehörigen eine enorme psychische Belastung. Ehepartnerinnen, Lebensgefährten, Eltern oder Kinder erleben hautnah mit, wie Suchtkranke sich zunehmend verändern, entfremden und ihnen entgleiten.
Jenny war acht Jahre alt, als ihre Mutter immer häufiger zur Flasche griff. Jenny übernahm die Hausarbeiten, kochte, putzte, machte ihrer geliebten Mutter Tee und holte, wenn sie nicht mehr weiter wusste, den Krankenwagen.
Hilfe bei Drogen-Sucht für die Kranken und ihr Umfeld wichtig
Allein in der Bundesrepublik starben im vergangenen Jahr 1.990 Menschen durch den Missbrauch illegaler Drogen, so die Bilanz des Drogenbeauftragten der Bundesregierung Burkhard Blienert (SPD). Das sind 164 Fälle und neun Prozent mehr als im Jahr davor. Doch die Dunkelziffer dürfte weit höher sein, denn viele Menschen sterben erst Jahre später an den Folgen. Und von legalen Drogen wie Alkohol, der Volksdroge Nummer 1, ist keine Rede. Jedes fünfte Kind kommt aus einer psychisch- und suchtbelasteten Familie. Viele können zuhause nicht unbeschwert Kind sein, sondern müssen sich um ihre Eltern und Geschwister kümmern, erklärt Astrid Schmeel, Sozialarbeiterin bei Pro Kids, einer Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche suchtkranker Eltern.
Doch es fehlt an Psychologen, Therapeutinnen und Sozialarbeitern. Und es werden zu wenige Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche finanziert. Wie die meisten Angehörigen Suchtkranker wusste auch Heike Mohrmann zuerst nicht, an wen sie sich wenden soll.
„Sucht ist kein Stigma, sondern eine Krankheit“, erklärt Heike Mohrmann. Sie leitet eine Elterngruppe im Rems-Murr-Kreis und ist im Vorstand der baden-württembergischen Elternselbsthilfe. Die veranstaltet Seminare, um Eltern suchtkranker Kinder zu schützen und zu stärken.
Sucht ist ein Tabuthema. Familien fürchten das Gerede der Nachbarn, das Jugendamt oder die Polizei. Etwa 8.700 Selbsthilfegruppen für Suchtkranke und ihre Angehörigen gibt es in Deutschland (Jahrbuch Sucht 2019).
In Rottenburg leitete Meinrad Göhner den Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe, eine Gruppe anonymer Alkoholiker.
Miteinander über die Sucht sprechen, in Beziehung kommen, das sei der Schlüssel zum Erfolg,
sagt der 64-jährige. Er war selbst Alkoholiker und ist nach Entzug und Therapie seit 20 Jahren trocken.
Die heute 18-jährige Jenny hatte Glück und fand in Pro Kids, einer der wenigen Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche, ein zweites Zuhause.
Burkhard Blienert, Drogenbeauftragter der Bundesregierung, fordert mehr professionelle Hilfe und niedrigschwellige Angebote. Dafür steht auch Heike Mohrmann, die sich in der Elternselbsthilfe engagiert.
Eine SWR-Wiederholung vom 25.06.2023