Verspätungen und Zugausfälle bei der Bahn sind nichts Neues, aber nun brauchen Bahnreisende starke Nerven. Grund sind Kabelverlegearbeiten für den neuen Digitalen Verkehrsknoten Stuttgart.
Ab Ende April müssen die Bahnreisenden im Großraum Stuttgart mit massiven Beeinträchtigungen rechnen. Die Bahn plant ab 21. April im Bereich Bad Cannstatt/Waiblingen (Rems-Murr-Kreis) Streckensperrungen, die bis Ende Juli reichen werden. Es wird Auswirkungen auf den S-Bahn- sowie den Fern- und Güterverkehr geben. Grund für die Beeinträchtigungen sind laut Bahn Kabelverlegearbeiten für den neuen Digitalen Verkehrsknoten Stuttgart mit dem digitalen Europäischen Zugsicherungssystem (ETCS).
Auch Bahnstrecken Stuttgart-Tübingen und Stuttgart-Ulm betroffen
Die Beeinträchtigungen, die auf Bahnreisende zukommen, gelten unter anderem für die Remsbahn (Bahnstrecke zwischen Stuttgart und Aalen) und die Murrbahn (Bahnstrecke zwischen Stuttgart und Schwäbisch Hall). Auch der Bahnverkehr zwischen Stuttgart und Tübingen sowie Ulm wird ab April beeinträchtigt sein. Die Bahn arbeitet derzeit nach eigenen Angaben "mit Hochdruck" an den Fahrplankonzepten.
Strecke Stuttgart-Waiblingen wird vier Wochen komplett gesperrt
Der größte Einschnitt wird laut Bahnprojekt-Leiter Olaf Drescher, der für die Realisierung des Digitalen Knotens Stuttgart zuständig ist, die Bahnstrecke Stuttgart-Waiblingen betreffen. Sie soll vier Wochen lang gesperrt werden. Die Bahn arbeite derzeit intensiv an geeigneten Ersatzangeboten, um die Beeinträchtigungen für Bahnreisende so gering wie möglich zu halten, teilte die Bahn am Freitag mit. Bis zuletzt habe man alles versucht, um die "erheblichen" Streckensperrungen zu vermeiden, so Drescher. Es werde aber mit Sicherheit tausende von Bahnreisenden betreffen, so Drescher im SWR.
Auf diesen Strecken im Großraum Stuttgart wird der Bahnverkehr ab April beeinträchtigt sein:
Heftige Kritik von Stadt Stuttgart, Region und Land
Die geplanten Streckensperrungen sorgen für massive Kritik. Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) sprach von einem "Riesenärgernis".
Die Bahn müsse einen gut funktionierenden Ersatzverkehr sicherstellen, so Nopper weiter.
Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) kritisierte vor allem die Informationspolitik der Bahn.
Dies sei ein miserables Management des Projekts und der Kommunikation der Bahn, so Hermann weiter.
Nicht nur diese Ankündigung komme sehr kurzfristig, meint SWR Bahnexperte Harald Kirchner, da sei auch zu kurz gedacht worden.
Auch vom Verband Region Stuttgart wird die Kommunikationspolitik der Bahn kritisiert. Regionaldirektor Alexander Lahl sprach von einem "großen Ärgernis" und davon, dass der Verband den Unmut der Fahrgäste teile. "Wir erwarten, dass die Deutsche Bahn für die verursachten Unannehmlichkeiten den Fahrgästen entgegenkommt", sagte Lahl. Der Verbandsvorsitzende Thomas Bopp (CDU) forderte, die Infrastruktur der Bahn "zwingend und schnellstmöglich auszutauschen". Im übrigen erwarte er, dass es darüber hinaus nicht zu weiteren kurzfristigen Einschränkungen käme.
1.200 Kilometer neue Kabel müssen verlegt werden
Allein im Bereich Bad Cannstatt/Waiblingen müssen für den Ausbau des Digitalen Bahnknotens Stuttgart laut Bahn rund 1.200 Kilometer Kabel verlegt werden. Außerdem müssten 70 neue Kabelquerungen unter Gleisen und in Bahnhöfen gebaut werden. Die Maßnahmen seien unter rollendem Rad nicht möglich, so die Bahn.
Weitere Sperrungen im Herbst geplant
Im November und Dezember dieses Jahres wird nach jetzigen Bahn-Informationen dann der Bereich Vaihingen/Stuttgart-Flughafen/Böblingen von monatelangen Sperrungen betroffen sein. Dass die Bahn die Bauarbeiten erst so kurzfristig angekündigt hat, spricht dafür, dass die Bahn den Bau des digitalen Knotens unterschätzt hat. Offenbar hat die Bahn bisher kein Konzept, wie die Streckensperrungen für die Reisenden aufgefangen werden sollen.
Bis zur Inbetriebnahme des Digitalen Knotens Stuttgart werden noch nicht alle Züge digital ausgerüstet sein. Deshalb könne noch nicht auf den Bau von Signalen verzichtet werden. Diese Doppelausrüstung führe zu einem erheblichen Mehraufwand bei der Verkabelung, so die Bahn. "Der Vervielfachungseffekt bei der Verkabelung war so nicht vorhersehbar und ist dem Pilotcharakter des Digitalen Knotens Stuttgart geschuldet, für den es keine Blaupause gibt", sagt Bahnmanager Olaf Drescher.