Alkoholfreier Secco ist schon normal, auch beim Stuttgarter Weindorf gibt es ihn. Aber auch alkoholfreier Wein wird immer beliebter. In der Region Stuttgart setzen einige Winzer auf Tropfen ohne Promille.
Immer mehr Winzerinnen und Winzer bringen alkoholfreie Weine auf den Markt, auch in der Region Stuttgart - und aktuell beim Stuttgarter Weindorf. Wie beim alkoholfreien Bier wird die Qualität des edlen Tropfens ohne Promille auch immer besser. Längst genießen nicht nur Autofahrerinnen und Autofahrer "bleifrei".
Auch jenseits der Diskussion um Alkohol "ist es einfach total spannend, was man alles aus dem Produkt Traube machen kann", sagt Birthe Meseke vom Weingut der Stadt Stuttgart. Die Uhlbacherin ist auch die amtierende Württembergische Weinprinzessin.
Dt. Weininstitut: Handel und Marktanteil wachsen
Menschen, die sich vegan, alkoholfrei oder einfach bewusster ernähren wollen, greifen zunehmend zum alkoholfreien Wein. Bei Sekt und Secco sind alkoholfreie Varianten schon etablierter - beim Bier sowieso -, aber auch Wein "ohne Umdrehungen" kommt zunehmend in den Handel. 2022 dürfte sich dessen Anteil am gesamtdeutschen Weinkonsum noch bei unter einem Prozent bewegt haben, so das Deutsche Weininstitut, "allerdings mit wachsender Tendenz, wie nahezu alle Anbieter berichten. Der Absatzzuwachs bei entalkoholisierten Weinen im Lebensmittel-Einzelhandel belief sich 2022 auf etwa 18 Prozent."
Eindeutige Zahlen für Wein gebe es allerdings nicht. Aber für Sekt: "Der Absatz alkoholfreier Sekte war 2021 mit etwa 23 Millionen Flaschen pro Jahr bereits deutlich größer und ebenfalls wachsend. Für 2022 geht man beim alkoholfreien Sekt bereits von einem Marktanteil von sieben bis acht Prozent an den hierzulande insgesamt konsumierten Schaumweinen aus. Der Umsatz mit alkoholfreien Schaumweinen lag 2022 bei 91 Millionen Euro", heißt es beim Deutschen Weininstitut.
Weinbauverband: Immer mehr Betriebe beschäftigen sich mit alkoholfreiem Wein
Dass alkoholfreie und alkoholreduzierte Erzeugnisse sich zunehmender Beliebtheit erfreuen, bestätigt auch Hermann Morast, Geschäftsführer des Weinbauverbandes Württemberg e.V.: "Auch in Württemberg befassen sich immer mehr Betriebe mit diesen Segmenten und erzeugen hervorragende Weine. Wenngleich wir keine belastbaren Zahlen haben, haben die Betriebe immer mehr alkoholfreie Erzeugnisse im Angebot."
Preise etwas höher als letztes Jahr Zwölf Tage lang: Stuttgarter Weindorf gestartet
Am Mittwoch hat das 47. Stuttgarter Weindorf begonnen. Wie immer steht Regionalität an oberster Stelle. Allerdings sind die Preise fürs heimische Viertele angestiegen.
Bei der schnellen Suche lassen sich direkt mindestens sechs alkoholfreie Weine von Herstellern aus der Region Stuttgart finden. Und die werden auch via Online-Shop über die Regionsgrenzen hinaus vertrieben. Oder zunehmend in regionalen Supermärkten.
Zentralgenossenschaft: Markt ist stark rückläufig
Uwe Kämpfer, Sprecher der Württembergischen Weingärtner-Zentralgenossenschaft, erklärt auf Anfrage, dass der Lebensmitteleinzelhandel grundsätzlich dem Thema gegenüber sehr aufgeschlossen sei. Es gebe aber andere Probleme: "Der Weinmarkt ist seit etwa anderthalb Jahren stark rückläufig." Die Verbraucherinnen und Verbraucher seien durch den Krieg in der Ukraine und die hohen Inflationsraten verunsichert. "Das hat dazu geführt, dass der Verbraucher beim Wein spart - und zwar einerseits durch Konsumverzicht und andererseits durch verstärkte Aktions-Käufe", so Kämpfer.
Synergie der Genossenschaften
Der Kampf um den Verbraucher findet auf allen Ebenen statt, viele haben das Gefühl, sie müssen sich permanent etwas Neues einfallen lassen. Württemberg ist das viertgrößte Wein-Anbaugebiet in Deutschland, die hiesigen Genossenschaften sind starke Gemeinschaften. Und gemeinsam ist man noch kreativer. So haben sich 2021 beispielsweise die Winzer-Genossenschaften Marbach am Neckar (Kreis Ludwigsburg), Esslingen, Neuffen (Kreis Esslingen) und Metzingen (Kreis Reutlingen) zusammengeschlossen und einen alkoholfreien Wein kreiert. Ein gemeinsames Produkt, das aber jeder der Betriebe unter seiner eigenen Marke vertreibt. Für eine Genossenschaft allein wäre das Projekt ein Wagnis gewesen, so profitieren alle bei geringerem Risiko.
Nicht nur gesellschaftlicher, auch kultureller Wandel
Auch im kulturwissenschaftlichen Kontext finden alkoholfreier Wein und alkoholfreies Bier mittlerweile statt. Beispielsweise waren die Getränke und die Gefahren von Alkohol von Herbst 2022 bis April Thema der großen Ausstellung "Berauschend - 10.000 Jahre Bier und Wein" im Landesmuseum Württemberg in Stuttgart.
Und noch ein anderes seitheriges Tabu ist inzwischen keines mehr: Bier-Wein-Hybride gibt es ebenfalls immer mehr. In der Region kreierte Christoph Kern vom Weingut Wilhelm Kern in Kernen im Remstal (Rems-Murr-Kreis) zusammen mit den Stuttgarter Craft-Brauern vom "Kraftpaule" bereits 2019 den ersten Bier-Wein-Hybrid, einen Riesling-Bock. Dabei wird das Bockbier mit Riesling-Maische des Cannstatter Zuckerle gebraut, zusätzlich wird Sekthefe verwendet. Dass Biere mit Champagner-Hefe versehen werden oder Wein-Maische hinzugefügt wird, ist inzwischen beim Brauen gar nicht mehr so selten. Kern, ausgezeichnet als einer der besten Jungwinzer Deutschlands und beim Unternehmen seiner Familie verantwortlich für die Stuttgarter "Edition Kesselliebe", findet die hybriden Ergebnisse großartig: "Es ist spannend, wenn es immer wieder etwas Neues auf dem Markt gibt."
BW hat den höchsten Wein-Konsum
Aber auch, wenn immer mehr Menschen sparen oder zu alkoholfreiem Wein und Sekt greifen: Generell wird in Württemberg zu viel Alkohol getrunken. Der Alkohol-Konsum hat sich hier wie deutschlandweit während der Corona-Pandemie erhöht. Laut den Zahlen, die auch in der Stuttgarter "Berauschend"-Ausstellung verwendet wurden, haben die Deutschen einen alkoholischen Pro-Kopf-Konsum von 131,3 Litern im Jahr. Davon macht jedoch nicht Wein, sondern Bier mit 102 Litern pro Einwohner im Jahr den größten Teil aus. Damit liegt Deutschland auf Platz drei hinter Tschechien (141 Liter) und knapp hinter Österreich (107 Liter).
Gott sei Dank wird immer noch mehr Wasser getrunken, nämlich 151,6 Liter pro Jahr. Und noch viel mehr Kaffee und Tee, da sind es 230,1 Liter. 28 Flaschen Wein öffnet allerdings jeder im Schnitt pro Jahr. Baden-Württemberg hat dabei den höchsten Pro-Kopf-Konsum von Wein, nämlich 26,3 Liter. Der Bundesdurchschnitt liege bei rund 21 Litern. Eigentlich wäre es da nur logisch, dass in Baden-Württemberg auch zunehmend alkoholfreier Wein produziert wird.