Die Ampel hat Steuererleichterungen in Höhe von 23 Milliarden Euro angekündigt. Die Länder müssen das mitfinanzieren - und zwar nicht zu knapp. Kretschmann sieht es als Chance.
Nach den Ampel-Beschlüssen zu weitreichenden Steuersenkungen rechnet Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) mit deutlich weniger Einnahmen für das Land. "Fiskalisch bedeutet das allerdings etwa eine halbe Milliarde Euro Steuerausfälle für Baden-Württemberg pro Jahr. Das ist schon mal ein Wort", sagte Kretschmann am Dienstag in Stuttgart. Das seien erste Berechnungen, aber es sei klar, dass die Beschlüsse weitere Löcher in den Landesetat für die Jahre 2025 und 2026 reißen. Kretschmann hält das geplante Wachstumspaket der Ampel aber für richtig. "Ich will nicht bezweifeln, dass es notwendig ist, Deutschland steuerlich attraktiver zu machen."
Kretschmann hofft auf Wachstumsimpulse
Wenn das Maßnahmenpaket Wachstumsimpulse setze, könnten auch die Steuereinnahmen wieder steigen. Auch habe der Staat weniger Ausgaben, wenn es gelinge, Menschen ohne Job wieder schneller in Arbeit zu bringen. "Im Großen und Ganzen ist das in Ordnung", sagte der Grünen-Politiker. Die Ampel will die Bürgerinnen und Bürger in den kommenden zwei Jahren um insgesamt 23 Milliarden Euro entlasten. Gelingen soll das durch Erhöhungen von Freibeträgen, Änderungen bei der Lohn- und Einkommenssteuer sowie Verschiebungen beim Solidaritätszuschlag.
Steuererleichterungen: Grün-Schwarz muss nun beim Haushalt "kreativ" werden
Bei den weiteren Haushaltsberatungen müsse die grün-schwarze Koalition nun "kreativ" werden, sagte Kretschmann. Bisher hat Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) in den Eckpunkten für den Haushalt 2025/2026 nur 40 Millionen Euro für den Ausgleich von möglichen Steuerausfällen vorgesehen. Nun müssen Grüne und CDU klären, woher das zusätzliche Geld kommen soll. Am 22. Juli wollen die Spitzen der Koalition über die Prioritäten im Haushalt beraten.
Wegen Milliardenlücke im nächsten Haushalt Grün-Schwarz in BW sucht Geldquellen: Drohen Kürzungen im Pensionsfonds?
Grüne und CDU suchen angesichts der großen Lücke im Haushalt händeringend nach weiteren Geldquellen. Es gibt da zum Beispiel eine gutgefüllte Rücklage für Pensionäre.
Weitere Kürzungen beim Pensionsfonds für Beamte im Gespräch
Für den Landeshaushalt sind die Steuerausfälle in jedem Fall eine weitere schwere Belastung. Wegen der schwachen Konjunktur muss das Land sowieso schon mit weniger Steuereinnahmen auskommen als in den vergangenen Jahren. Zwar hat der Finanzminister in seinen Eckpunkten neue Investitionen in Höhe von einer Milliarde Euro vorgesehen. Aber im Gegenzug sollen die Ministerien auch eine Milliarde Euro bei bestehenden Projekten streichen.
Hinzu kommt: Grün-Schwarz will laut Haushaltsentwurf die regelmäßigen Zahlungen an den Pensionsfonds für Landesbeamte in den nächsten beiden Jahren um insgesamt eine Milliarde Euro kürzen. Doch da ist offensichtlich das letzte Wort nicht gesprochen. Wie der SWR aus der Koalition erfuhr, ist im Gespräch, die Zuführungen an den Fonds noch stärker zu kürzen. Hier könnte man nochmal etwa 700 Millionen Euro holen.
Kretschmann sagte am Dienstag, nur mit der Kürzung sei man im Juni in der Lage gewesen, überhaupt einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. "Der Fonds ist eigentlich gut gefüllt." Die elf Milliarden Euro werfen zudem gute Zinsen ab. Ob er bereit ist, die Zahlungen an den Fonds weiter zu kürzen, sagte er nicht.
Kretschmann spricht von "Vertreibung aus dem Paradies"
In den Ministerien gibt es SWR-Informationen zufolge massiven Unmut über die Sparvorgaben. Es ist der letzte Haushalt dieser Wahlperiode, das heißt, die Parteien und Minister müssten im Wahlkampf dann auch erklären, warum sie bestimmte Vorhaben nicht mehr umgesetzt haben. Der 76-jährige Regierungschef, der bei der nächsten Landtagswahl nicht mehr antritt, rechtfertigte das Sparen mit einer Anekdote aus der Bibel. "Seit der Vertreibung aus dem Paradies lebt der Mensch unter Knappheiten." Doch das mache frei, weil er sich dann entscheiden müsse, was wirklich wichtig sei.
In der langen Wachstumsphase mit hohen Steuereinnahmen habe man das in der Politik ein bisschen vergessen, sagte Kretschmann, der tatsächlich in den 13 Jahren seiner Amtszeit kaum sparen musste. Das Geld begrenze die Erfüllung von Wünschen. "Das gehört einfach zum politischen Leben elementar dazu." Nun müsse man überlegen, "wie man Ziele anders erreicht". Auch für notwendige Dinge brauche man Geld. Das gelte auch, wenn man darüber nachdenke, welche Konsequenzen man aus der Corona-Pandemie ziehe und was für Vorkehrungen man künftig treffen wolle.
Mehr zum BW-Haushalt
600 Millionen Euro weniger Einnahmen als angenommen Sinkende Steuereinnahmen: BW muss auf noch mehr Geld verzichten
Die fetten Jahre scheinen definitiv vorbei: Baden-Württemberg hat im Jahr 2023 nochmals weniger Steuern eingenommen. Der Finanzminister sieht weniger finanzielle Spielräume.
Länder wollen grundlegende Wirtschaftsreformen BW-Finanzminister Bayaz fordert "großen Wurf" für Investitionen in Infrastruktur
Mitten im Haushaltsstreit kommen aus mehreren Ländern Rufe nach Wirtschaftsreformen. BW-Finanzminister Bayaz wünscht "große Investitionen über Legislaturperioden hinweg".