Barbara Zander hat als Fünfjährige in einem Heim im Schwarzwald Schreckliches erlebt. Ihre Vergangenheit, die sie bis heute zeichnet, hat sie mit dem Landesarchiv aufgearbeitet.
Kinder, die körperlich nicht ganz fit sind, werden für ein paar Wochen zur Kur geschickt. Eine weit verbreitete Praxis in Deutschland nach 1949 bis in die 1980er Jahre. So harmlos das klingt, so traurig sind die Geschichten dieser sogenannten Verschickungskinder, die nicht selten misshandelt wurden.
Eine bundesweite Aufarbeitung stockt immer noch. Baden-Württemberg hatte vor über zwei Jahren eine Vorreiterrolle eingenommen und ein Projekt zur Aufarbeitung gestartet, das noch bis Ende Oktober finanziert wird. Am Dienstag wird der Abschlussbericht vorgestellt. Ist damit alles aufgearbeitet, was den Verschickungskindern damals widerfahren ist?
Mit der Faust die Scheibe eingeschlagen
Eines der Heime befand sich in Königsfeld im Schwarzwald. Die große rote Villa am Park mit grünen Fensterläden wirkt eigentlich ganz friedlich. Barbara Zander ist extra her gefahren, um das Haus nochmal zu sehen. 1964 kam die Stuttgarterin für sechs Wochen "zur Erholung" in das damalige private Kinderheim.
Was sie dort erlebt hat, zeichnet sie bis heute - auch mit einer Narbe an der rechten Hand. "Entweder war ich unartig, wie man damals gesagt hat oder ich habe nicht gefolgt", erzählt Zander. Zur Strafe sei sie als damals Fünfjährige allein im Haus eingeschlossen worden. Sie habe Panik bekommen und dann mit der Faust die Scheibe der Tür eingeschlagen. "Das war furchtbar", erinnert sie sich.
Eltern fröhliche Kinderkur vorgegaukelt
Ein anderes Mal habe sie vor lauter Heimweh in der Nacht erbrechen müssen. Aber aufstehen sei verboten gewesen und sie habe liegen bleiben müssen.
So ging es nachweislich in rund 500 Kinderheimen in Baden-Württemberg zu. Möglich war das, weil es nach dem Nationalsozialismus keine staatliche Heimkontrolle gab.
Gemeinsam mit den Archivarinnen und Archivaren des Landesarchivs Baden-Württemberg hat Barbara Zander etliche Dokumente von früheren Kinderverschickungen zusammengetragen. Diese sammelte sie zusammen mit Fotos und alten Briefen an ihre Eltern in krakeliger Kinderschrift. Selbst geschrieben habe sie die nicht, sondern die Betreuerinnen. Sie hätten den Eltern eine fröhliche Kinderkur vorgegaukelt und vor Ort mit den schutzlosen Kindern teilweise gemacht, was sie wollten, berichtet sie.
Recherchen des Landesarchivs BW enden
Bei Barbara Zander wirken sich die seelischen und körperlichen Machtspiele und Misshandlungen bis heute aus: Die Verlustangst und manchmal der gesteigerte Bedarf nach Aufmerksamkeit resultierten aus dieser Zeit, sagt sie. Durch die Aufarbeitung könne sie leichter damit umgehen.
Dass die Recherchen vom Landesarchiv jetzt erstmal eingestellt werden müssen, weil die Förderung endet, ärgert sie. "Es gibt bestimmt noch viele, die noch nicht so weit gekommen sind und jetzt mitten in der Recherche ihrer Vergangenheit ausgebremst werden", sagt Barbara Zander, die durch die Aufarbeitung mit ihrer Vergangenheit ein bisschen Frieden schließen kann.
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