Das CDU-geführte Justizministerium zeigt sich offen für ein bundesweites Modell mit Guthaben- oder Chipkarten. Kritik kommt von den Grünen und vom Flüchtlingsrat.
In der Debatte um Sachleistungen statt Bargeld für Asylbewerber fordert das baden-württembergische Justizministerium ein bundesweites Modell, zum Beispiel mit Guthaben- oder Chipkarten. "Wir stehen im Austausch mit anderen Bundesländern über Möglichkeiten zur Reduzierung von Geldleistungen, etwa durch eine Chipkarte", sagte der Staatssekretär für Migration Siegfried Lorek (CDU) am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Es sei wichtig, Fehlanreize für eine illegale Migration nach Deutschland abzubauen. "Das bedeutet unter anderem auch, Leistungen einzuschränken." Ein solches Kartenmodell muss laut Lorek jedoch bundesweit zum Einsatz kommen.
Grüne Koalitionspartner: Sachleistungen teurer und aufwendiger
Die Fraktion der Grünen im Landtag hingegen lehnt eine solche Lösung als teurer und aufwendiger ab. "Aktuell haben wir Sachleistungen dort, wo sie sinnvoll sind: in Erstaufnahmeeinrichtungen", sagte der Grünen-Sprecher für Migration, Daniel Lede Abal dem SWR. Flächendeckend Sachleistungen auszuhändigen, würde zu bürokratischem Mehraufwand führen und die Kommunen zusätzlich belasten. Die Auszahlung von Geldmitteln hat sich laut Abal bisher als einfachste und kostengünstigste Lösung bewährt. Politisch sinnvoll und erstrebenswert sei es vielmehr, die Versorgung von Flüchtlingen auf europäischer Ebene anzugleichen.
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr hatte die Debatte angestoßen und die Länder aufgefordert, bis zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 6. November den Weg für Prepaid-Bezahlkarten für Asylbewerber freizumachen. "Die irreguläre Migration muss runter - dafür müssen Bargeldauszahlungen zügig gestoppt werden", hatte Dürr der "Bild"-Zeitung gesagt. Wenn sich bis zum 6. November nichts tue, "müssen wir über Steuergelder vom Bund gar nicht erst sprechen".
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Debatte trifft auch Gesundheitsversorgung für Geflüchtete
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz fordert zudem, Ausreisepflichtigen frühestens nach drei Jahren einen Anspruch auf erweiterte Leistungen bei der Gesundheitsversorgung zu geben - bisher bekommen sie ihn nach eineinhalb Jahren. "Wir dürfen keine Anreize zur Bleibe geben, wenn kein Bleiberecht in Deutschland besteht", sagte Merz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland zu seinem Vorstoß. Auch Staatssekretär Lorek zeigte sich überzeugt davon, solche Analogieleistungen erst nach einem deutlich längeren Aufenthalt bereitzustellen.
Die SPD in Baden-Württemberg wirft Lorek vor, hilflos auf die Ampelregierung in Berlin zu zeigen und die Verantwortung auf andere abzuschieben. "Dabei überlässt es der Bund weitgehend den Ländern, in welchem Umfang Asylsuchenden Sachleistungen statt Geldleistungen gewährt werden", sagte der Rechtsexperte der SPD-Landtagsfraktion, Boris Weirauch. "Diesen Rechtsrahmen nutzt die Landesregierung noch gar nicht aus." Wolle Grün-Schwarz, dass insbesondere vollziehbar Ausreisepflichtige verstärkt Sachleistungen beziehen, könne die Koalition das veranlassen.
Flüchtlingsrat: Schlechtere Aufnahmebedingungen stoppen Migration nicht
Der Flüchtlingsrat in Baden-Württemberg kritisiert die Vorschläge zur Einführung von Sachleistungen für Geflüchtete. Schlechtere Aufnahmebedingungen hätten laut Flüchtlingsrat keineswegs zur Folge, dass weniger geflüchtete Menschen nach Deutschland kommen würden. "Als ob sich weniger Menschen auf die Flucht begeben müssten, nur weil sie in Deutschland mit Chipkarten bezahlen sollen", sagte die Co-Geschäftsführerin des Vereins, Anja Bartel. Außerdem wäre die Einführung von Chipkarten mit einem hohen Verwaltungs- und Kostenaufwand verbunden. "Völlig offen ist, wer im Kontext des aktuellen Fachkräftemangels in Verwaltung und sozialer Arbeit mit solchen bürokratischen Zusatzaufgaben belastet werden soll", kritisierte Bartel.
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Landkreise in Baden-Württemberg für Umstellung
Zustimmung kommt von den Landkreisen in Baden-Württemberg. Die Umstellung wäre ein wichtiger und überfälliger Schritt in die richtige Richtung, sagte der Präsident des Landkreistags, der Tübinger Landrat Joachim Walter (CDU), auf Anfrage. "Durch die Bezahlkarte wird verhindert, dass die der Existenzsicherung dienenden Leistungen in Heimatländer überwiesen oder auch korrupte Schleuserbanden bezahlt werden", zeigte er sich überzeugt.
Die Zahl der Asylbewerber in Baden-Württemberg steigt unterdessen weiter. Allein im September wurden laut dem CDU-geführten Migrationsministerium mehr als 4.740 Anträge registriert. Im September 2021 hatte es nur rund 1.700 Anträge gegeben. Menschen, die in Baden-Württemberg Asyl suchen, kommen vor allem aus der Türkei. Ihr Anteil liegt mit 46 Prozent deutlich über dem der Menschen aus Syrien und Afghanistan.