Die Not bei der Unterbringung von Geflüchteten wird in Baden-Württemberg immer größer. Platz ist Mangelware. Immer häufiger regt sich Widerstand aus der Bevölkerung.
Vielen Kreise in Baden-Württemberg haben zunehmend Probleme, ihnen zugewiesene Flüchtlinge unterzubringen. Räume fehlen an allen Ecken und Enden, wie aus einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur hervorgeht. Bis Jahresende wird allgemein eine noch stärkere und schnellere Zunahme der Flüchtlingszahlen erwartet. Die gesellschaftliche Debatte über Migration wird schärfer.
Das wohl drastischste Beispiel für Proteste in Baden-Württemberg ist Burladingens Teilort Killer. Heftig wehren sich die Menschen dort gegen 40 Flüchtlinge, die nach den Plänen des Zollernalbkreises in einen ehemaligen Gasthof ziehen sollen. Die Fronten sind verhärtet. Der Landkreis vermutet eine Verzögerungstaktik. Mehrere Gespräche mit Bürgermeister Davide Licht (parteilos), Alternativorte zu nennen, führten zu nichts. "Die Belegung von Hallen wollen wir, wenn möglich, vermeiden", sagte ein Sprecher.
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Während es immer weniger Unterbringungsmöglichkeiten gibt, kommen immer mehr Flüchtlinge. In mehreren Orten des Zollernalbkreises ist die Stimmung deshalb angespannt.
Laut dem Landkreistag gibt es mehrere Landkreise, die im Rahmen der vorläufigen Unterbringung auf Sporthallen zurückgreifen. So die Landkreise Böblingen, Heilbronn, Rems-Murr-Kreis, Enzkreis und Schwäbisch Hall. "Weitere Landkreise berichten von Planungen für die kommenden Monate", sagte ein Sprecher. Sämtliche verfügbare leerstehende Heime oder Hotels seien bereits angemietet.
So wird entschieden, wie viele Flüchtlinge wo untergebracht werden
Für die Verteilung von Flüchtlingen in Baden-Württemberg im Rahmen der "vorläufigen Unterbringung" ist das Regierungspräsidium Karlsruhe zuständig. Die Zuweisungen richten sich nach der Zuteilungsquote des jeweiligen Kreises. Diese errechnet sich wiederum aus dem prozentualen Anteil des jeweiligen Stadt- oder Landkreises an der Gesamtbevölkerung von Baden-Württemberg. In welcher Erstaufnahmeeinrichtung Asylsuchende vorher untergebracht waren, ist dabei unerheblich.
Immer mehr Landkreise in Baden-Württemberg bereiten sich mit Sorge auf die Flüchtlingsunterbringung im Herbst und Winter vor:
- Rems-Murr-Kreis
- Hohenlohekreis
- Bodenseekreis
- Kreis Esslingen
- Kreis Göppingen
- Kreis Sigmaringen
- Kreis Reutlingen
- Kreis Rottweil
- Alb-Donau-Kreis und Ulm
- Ostalbkreis und Heidenheim
Breite Akzeptanz im Rems-Murr-Kreis - mit Ausnahmen
Der Rems-Murr-Kreis betreibt eine Notunterkunft in einer Turnhalle, die zu einem Berufsschulzentrum des Kreises gehört. Zusätzlich fungiert eine weitere Turnhalle im Kreis als Ankunftszentrum für ukrainische Geflüchtete, wie eine Sprecherin mitteilte. Eine weitere Nutzung von Turnhallen sei nicht geplant. "Der Rems-Murr-Kreis schafft stattdessen mit Hochdruck neue Unterkünfte, um weitere Hallenbelegungen zu vermeiden und die derzeit belegten schnellstmöglich aus der Nutzung zu nehmen".
Der Kreis erlebe eine breite Akzeptanz durch die Bürgerinnen und Bürger. Dennoch sei mitunter der Unmut der Bevölkerung gegen die Migrationspolitik der Bundesregierung spürbar. "Gegen die Geflüchteten selbst richtet sich diese Wut aber selten. Insbesondere die Solidarität mit ukrainischen Geflüchteten ist ungebrochen."
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Wachsender Unmut im Hohenlohekreis
Im Hohenlohekreis werden aktuell eine Schulsporthalle in Trägerschaft des Hohenlohekreises sowie eine Sporthalle in Trägerschaft einer Kommune für eine Flüchtlingsunterbringung vorbereitet beziehungsweise genutzt. In der vorläufigen Unterkunft des Landkreises sind 663 Personen (Stand: 25. September) untergebracht.
Im September wurden dem Landkreis 67 Asylbewerber und 4 Folgeantragsteller zugewiesen sowie 50 Schutzsuchende aus der Ukraine aufgenommen. Im Januar 2023 waren es 44 Asylbewerber und 8 Schutzsuchende aus der Ukraine. "Es zeigt sich ein wachsender Unmut von Angrenzern und Bewohnern betroffener Ortsteile. Der Protest kommt durch Anrufe, Schreiben, Flyer, Unterschriftenaktionen oder initiierte Bürgerbegehren zum Ausdruck", sagte ein Sprecher des Landkreises.
Fünf Notunterkünfte in Sporthallen im Bodenseekreis
Der Bodenseekreis betreibt aktuell 27 reguläre Gemeinschaftsunterkünfte sowie fünf Notunterkünfte in Sporthallen. Eine davon ist eine Berufsschule. Menschen aus der Ukraine sind großenteils privat untergebracht, weil diese einen anderen Aufenthalts- und Sozialstatus haben. "In aller Regel werden die Unterkünfte akzeptiert, bei Neuprojekten gibt es einen großen Informationsbedarf, viele Diskussionen um Details und durch vereinzelte Anwohner kompromisslose Ablehnung", sagte ein Sprecher.
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Zunehmende Ablehnung im Landkreis Esslingen
Im Kreis Esslingen sind Flüchtlinge in kreiseigenen Immobilien untergebracht, die angemietet oder im Eigentum seien. Es handle sich um feste Gebäude, umgebaute Gewerbeimmobilien und große Notunterkünfte. Es sei davon auszugehen, dass die Unterbringung in Turnhallen aber nun erforderlich werde, sagte eine Sprecherin.
"Die Bürgerschaft zeigt sich zunehmend ablehnend gerade gegenüber der Unterbringung von sonstigen Flüchtlingen", so die Sprecherin. Bei Flüchtlingen aus der Ukraine ist noch eine gewisse Solidarität zu spüren. "Es regt sich immer mehr Widerstand, unter anderem in Form von Petitionen, Bürgerbegehren, Leserbriefen und im direkten Gespräch mit der Bürgerschaft."
Keine Proteste im Kreis Göppingen
Im Landkreis Göppingen wurden zwei Sporthallen am Berufsschulzentrum in Göppingen für die Unterbringung genutzt. "Diese konnten aber inzwischen geräumt werden, eine Halle steht dem Schul- und Vereinssport seit Schulbeginn wieder zur Verfügung", sagte eine Sprecherin. Die zweite Halle solle ebenfalls schnellstmöglich wieder dem Schul- und Vereinssport zur Verfügung gestellt werden.
Proteste gegen eine Unterbringung von Geflüchteten gebe es nicht. Vorbehalte hätten in allen Fällen ausgeräumt werden können. "Die Flüchtlingszugänge bewegen sich nach wie vor auf einem hohen Niveau und es ist damit zu rechnen, dass sich die Zugangszahlen nochmals massiv verschärfen werden", so die Sprecherin.
Kreis Sigmaringen findet Kompromisse
Im Landkreis Sigmaringen werden aktuell keine Sporthallen für die Unterbringung von Geflüchteten genutzt. "Sämtliche Planungen und Bemühungen zielen darauf ab, das auch künftig zu verhindern", sagte ein Sprecher. Bisher hätten alle Beteiligten stets tragbare Kompromisse gefunden - auch bei Einwänden gegen die Maßnahmen zur Unterbringung von Geflüchteten.
Ehrenamtliche im Kreis Reutlingen "an Belastungsgrenze"
Auch der Landkreis Reutlingen bereitet sich auf weiter steigende Flüchtlingszahlen vor. Zunehmen werde vermutlich auch die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, die durch das Kreisjugendamt betreut werden. Für Turnhallen gibt derzeit keine konkreten Pläne, wie eine Sprecherin mitteilte.
"In unserem Landkreis und darüber hinaus erleben wir einen Erschöpfungsgrad in unserer bereits vielfältig belasteten Gesellschaft - sei es belastet durch den Fachkräftemangel, die Bewältigung des Klimawandels, den mangelnden Wohnraum oder die Folgen des Ukrainekriegs. Dazukommen die hohen Zahlen an Geflüchteten, die ebenfalls zu bewältigen sind", erklärte die Sprecherin.
Es gebe weiterhin viele Personen, die sich tatkräftig im Haupt- und Ehrenamt engagierten. "Allerdings sind sie seit vielen Jahren aktiv und kommen ebenfalls an ihre Belastungsgrenze."
Vereinzelte Protestschreiben im Landkreis Rottweil
Im Kreis Rottweil werden derzeit keine Turnhallen und Sporthallen für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt. "Sollten die Zuweisungen von Asyl- und Schutzsuchenden weiterhin ansteigen, können wir eine Belegung der kreiseigenen Sporthallen zum Jahresende aber nicht ausschließen", sagte eine Sprecherin.
Den Landkreis erreichten vereinzelt Protestschreiben aus der Bevölkerung, in Einzelfällen gebe es auch öffentlichen Widerstand. Die Anzahl der zugewiesenen Asyl- und Schutzsuchenden allein im September 2023 habe sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast verdreifacht.
Badische Kommunen wenden sich an Kretschmann
In Baden mussten mehrere Kommunen auf Schulturnhallen und teilweise auf Zelte ausweichen. Weil immer mehr unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) kommen, haben sich jüngst Karlsruhe, Mannheim und Freiburg sowie mehrere Kreise direkt an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gewandt.
Die Zugangszahlen in Freiburg und in anderen Stadt- und Landkreisen seien seit Anfang August stark angestiegen, berichtete die Stadt im Breisgau. Freiburg und andere Kommunen im süddeutschen Raum seien weit über die jeweiligen Kapazitätsgrenzen hinaus belastet.
Hallennutzung auch im Alb-Donau-Kreis und Ulm möglich
In Erbach im Alb-Donau-Kreis wird die Jahnhalle nicht mehr als Sporthalle genutzt und soll eigentlich abgerissen werden. Hier sind seit Anfang des Jahres Flüchtlinge untergebracht. Eine Sprecherin sagte, das Landratsamt bemühe sich, die Belegung von Turn- und Sporthallen zu vermeiden. Abhängig von den künftigen Zugangszahlen könne man das für die Zukunft jedoch nicht ausschließen.
Auch das angrenzende Ulm bereitet sich auf mehr Flüchtlinge vor und richtet daher die Kepler Turnhalle wieder her. Diese wird schon lange nicht mehr als Turnhalle genutzt. So sollen, wenn es nötig ist, dort schnell die Menschen untergebracht werden können. Noch werden die Ankommenden in einer Messehalle untergebracht. Darüber hinaus sollen in Ulm leerstehende, ungenutzte Immobilen ausgebaut und genutzt werden.
Freiwillige Aufnahme im Ostalbkreis - Heidenheim sucht Unterkünfte
Im Kreis Heidenheim werden derzeit keine Hallen genutzt, und die bestehenden Kapazitäten werden Schätzungen zur Folge bis Ende des Jahres auch reichen. Aber der Kreis sucht weiter nach geeigneten Unterkünften. In Heidenheim selbst sind seit etwa einem Monat 37 Container an der B19 bezugsfertig, die sind laut Stadt auch noch nicht voll belegt.
Eine Sondersituation besteht im Ostalbkreis. Weil sich dort die Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) befindet, ist der Ostalbkreis offiziell von der Zuteilung von Asylsuchenden befreit. Der Kreis nimmt aber freiwillig Geflüchtete auf. Ukrainische Flüchtlinge oder afghanische Ortskräfte kommen also auch im Ostalbkreis unter. Laut einer Sprecherin habe der Kreis daher seine Aufnahmekapazitäten ausgebaut und tue dies weiterhin.
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