In mehreren deutschen Städten laufen derzeit Prozesse gegen Gruppierungen der sogenannten Reichsbürger. Laut Verfassungsschutz bleibt die Bewegung trotzdem eine beständige Gefahr.
Der Verfassungsschutz glaubt nicht, dass mit der Festnahme der "Reuß-Gruppe" das Gefahrenpotenzial der "Reichsbürger"-Szene entschärft ist. Beate Bube, Präsidentin des Landesamtes für Verfassungsschutz in Stuttgart, rechnet mit einer anhaltenden Bedrohungslage durch militante "Reichsbürger" und Verschwörungsanhänger.
Radikalisierung und Schusswaffen nach wie vor ein Risiko
In einem SWR-Interview wies Beate Bube auf die Vielzahl von Gruppierungen innerhalb der "Reichsbürger"-Bewegung hin. Diese seien nur schwer zu überwachen. Mit Blick auf die Gerichtsverhandlungen in Koblenz, Stuttgart, Frankfurt und München sagte Beate Bube: "Möglicherweise ist das, was dort jetzt verhandelt wird, die Spitze des Eisbergs. Wir müssen aber damit rechnen, dass es in den verschiedenen 'Reichsbürger'-Gruppierungen und bei der Vielzahl der Einzelpersonen, die es da gibt, nach wie vor ein Radikalisierungspotenzial gibt, was möglicherweise sich auch zeigen wird."
Terrorprozess gegen "Reichsbürger" Die "Gruppe Reuß" und ihr geplanter Staatsstreich
Am Oberlandesgericht Stuttgart hat am Montag ein besonderer Terrorprozess begonnen. Neun Männer sind angeklagt, weil sie einen Staatsstreich geplant haben sollen.
Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, sieht ebenfalls ein weiterhin bestehendes Risiko, das eine konsequente Entwaffnung von Extremisten erfordere. Gegenüber dem SWR sagte Strobl: "Jede einzelne Schusswaffe, die nicht in der Hand eines Extremisten, eines 'Reichsbürgers' ist, ist ein Sicherheitsgewinn für unser Land. 576 Schusswaffen haben wir jetzt eingezogen und das machen wir mit großer Konsequenz weiter."
Hohes Gewaltpotenzial bei Mitgliedern
Für die Polizei ist der Umgang mit diesen Extremisten sehr gefährlich, weil diese manchmal wie aus dem Nichts eskalierten, so das Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg. Andreas Taube, Leiter Staatsschutz beim LKA: "Wir haben die Erfahrung gemacht bei den Zusammentreffen mit 'Reichsbürgern', den jüngsten, dass es keinerlei Halt mehr gibt. Also das hört nicht auf, sondern es wird so lange betrieben, bis es zur Festnahme kommt." Dies könne schon bei einer normalen Verkehrskontrolle geschehen.
Beate Bube, Thomas Strobl und Andreas Taube äußerten sich in der SWR-Dokumentation "Reichsbürger im Südwesten", die sich vor allem mit dem Umfeld militanter "Reichsbürger" und Verschwörungsanhänger beschäftigt. Der Film thematisiert die Vernetzungen von unterschiedlichen Szenen und den Einfluss von "Reichsideologen" wie beispielsweise Matthes Haug aus Horb am Neckar (Kreis Freudenstadt), der an Treffen der Reuß-Gruppe teilgenommen hat.
Haug, ein ehemaliger Physiklehrer, gilt als wichtiger Vordenker der deutschen "Reichsbürger"-Szene. Er verbreitet öffentlich die falsche Behauptung, dass die alliierten Militärgesetze aus den 1940er Jahren nach wie vor Gesetzeskraft in Deutschland hätten - und daher Staatsbedienstete bei fehlerhaftem Handeln mit der Todesstrafe rechnen müssten.
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