Nach dem Eklat um den Tübinger OB haben verschiedene Politiker Palmers Parteiaustritt kommentiert. Viele finden die Entscheidung richtig und respektabel.
Tübingens OB Boris Palmer (parteilos) will nicht länger Mitglied der Grünen sein. Das gab der 50-Jährige am Montag bekannt, nachdem am Freitag eine Auseinandersetzung zwischen Palmer und Demonstranten bei einer Migrationskonferenz in Frankfurt verbal eskaliert war. In einer persönlichen Erklärung vom Montag betonte Palmer, er hätte als Oberbürgermeister "niemals so reden dürfen".
Kretschmann: Palmer hat Partei "streitbar bereichert"
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann bezog am Dienstag auf der Landespressekonferenz Stellung zu Palmers Parteiaustritt. Ihm persönlich tue es leid "um diesen klugen Kopf", so der Ministerpräsident. Dieser habe seine Partei und die Politik über eine sehr lange Zeit streitbar bereichert.
Nun sei Palmer aber deutlich über die Grenzen hinausgegangen. Insbesondere sprach Kretschmann den von Palmer getätigten Vergleich mit dem Judenstern an. So eine Äußerung könne man "unter gar keinen Umständen" machen, so der Ministerpräsident. Das habe er Palmer auch so gesagt. Am persönlichen und geschäftlichen Verhältnis der zwei Politiker wird sich laut Kretschmann aber nichts ändern: "Ich bin mit Palmer persönlich und politisch befreundet und das bleibe ich auch", so Kretschmann.
Reaktion auf Kritik an Auftritt in Frankfurt Tübingens OB Palmer tritt bei den Grünen aus und kündigt Auszeit an
Tübingens OB Palmer hat in einer Erklärung auf die Kritik an seinen Äußerungen zum N-Wort reagiert. Er kündigte eine Auszeit an und erklärte seinen Parteiaustritt bei den Grünen.
Deutlich nüchterner geht die Parteiführung auf Landesebene mit Palmers Aus bei den Grünen um. Der Co-Vorsitzende der Grünen in Baden-Württemberg, Pascal Haggenmüller, äußerte sich in einer Pressemitteilung: Man könne nun "aufreibende Debatten" hinter sich lassen und den Fokus wieder voll und ganz auf die inhaltliche Arbeit richten. Seine Amtskollegin Lena Schwelling drückte gegenüber dem SWR ihren Respekt vor Palmers Entscheidung aus: "Auch wenn wir nicht immer in allem einer Meinung waren und auch wenn wir es uns gegenseitig nicht immer leicht gemacht haben, ist das ein schwerer Schritt für ihn gewesen, das weiß ich."
Auch Grünen-Spitze im Bund begrüßt Austritt
Die Führungskräfte der Bundes-Grünen äußerten sich ebenfalls positiv zu Palmers Rückzug. "Dieser Schritt ist folgerichtig", sagte die Politische Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Emily Büning, dem Nachrichtenportal "t-online" nach Angaben vom Montagabend. Auch der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour äußerte kein Bedauern. Allerdings nannte dieser Palmers Schritt "respektabel". "Es gab ja Gründe, warum wir viele Diskussionen alle miteinander hatten", sagte Nouripour am Dienstag im ZDF-"Morgenmagazin". Er wünsche dem Tübinger OB "ein gutes Leben". Zuvor hatte sich schon Palmers Anwalt und Weggefährte Rezzo Schlauch von ihm distanziert.
Nach Eklat bei Migrationskonferenz Anwalt und Weggefährte Schlauch entzieht Palmer Unterstützung
Nach den Äußerungen zum N-Wort bei einer Migrationskonferenz ebbt die Kritik an Tübingens OB Palmer nicht ab. Jetzt wendet sich auch sein Anwalt Rezzo Schlauch (Grüne) von ihm ab.
Tübinger Grüner Chris Kühn äußert Respekt
Respekt für Palmer äußerte auch der Tübinger Bundestagsabgeordnete Chris Kühn (Grüne). Nachdem er zu den Vorgängen in Frankfurt getwittert hatte, dass er sich als Tübinger wieder einmal für den Oberbürgermeister seiner Heimatstadt schäme, sagte er am Montagabend, dass er großen Respekt für Palmers Schritt habe. Kühn, derzeit Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium, sprach von einer Zäsur für die Tübinger Grünen. Dass die Partei nun Klarheit habe, sei gut.
Palmer habe sich besonders seit 2015 inhaltlich und programmatisch weit von der Partei entfernt, sagte Kühn in Stuttgart. "Insoweit war das ein konsequenter Schritt." Kühn, der einige Jahre im Tübinger Kreisvorstand der Grünen saß und Landeschef der Grünen war, galt als parteiinterner Gegner des Tübinger OBs.
Deutlichere Worte fand die Berliner Grünen-Politikerin Antje Kapek. Sie sprach von einer "toxischen Beziehung". "Endlich!", schrieb sie auf Twitter. Palmer sei schon immer streitbar gewesen. "Aber seine letzte Entgleisung war das übelste, was ein deutscher Politiker von sich geben konnte. Mit den Grünen hatte das schon lange nichts mehr zu tun. Gut, dass diese ultra toxische Beziehung hiermit endet."
Tübinger OB nimmt Auszeit Politikwissenschaftler: "Palmer hat eine Linie überschritten"
"So geht es nicht weiter" hat Boris Palmer selbst in seiner Erklärung geschrieben. Mit dieser Ansicht ist er nicht alleine. Wissenschaftler sind sich einig: Diesmal ging er deutlich zu weit.
BW-Antisemitismus-Beauftragter kritisiert Palmer
Kritik gab es auch vom Beauftragten der baden-württembergischen Landesregierung gegen Antisemitismus, Michael Blume. Nach dessen Ansicht haben die "Judenstern-Entgleisung" und andere Äußerungen Palmers "dem Ansehen nicht nur von Tübingen geschadet". Wiederholt habe Palmer Betroffene von Rassismus verletzt, so Blume am Dienstag gegenüber dem "Evangelischen Pressedienst".
Konferenz-Organisatorin nennt Palmer-Äußerungen "unsäglich"
Und auch die Organisatorin der Konferenz, bei der Palmer vergangene Woche zu Gast war, Prof. Susanne Schröter, kritisierte Palmer mit deutlichen Worten. "Das hat enormen Schaden angerichtet", so Schröter. "Das ist mehr als ein Sturm im Wasserglas." Schröter leitet das Forschungszentrum Globaler Islam in Frankfurt. Dort fand die Tagung statt, bei der Palmer Dinge sagte, die auch Schröter als "unsäglich" betitelte.
Das Zentrum selbst steht seit Jahren in der Kritik. Schon bei einer Konferenz zum Thema Kopftuch wurde Schröter angefeindet. Auch im Vorfeld dieser Konferenz, bei der Palmer über Migration sprechen sollte, habe es "Mobbing" gegen sie gegeben. Je nach Thema werde ihr wahlweise vorgeworfen, eine zu liberale Position zu vertreten oder rassistisch zu sein. "Das war ich nie, ich vertrete pragmatische Positionen," so Schröter.
Palmer will erstmal keine Fragen beantworten
Wie es nun für den Tübinger OB weitergeht, darüber will Palmer selbst zunächst keine Auskunft geben. Schon vor seinem Parteiaustritt am Montag sprach der Politiker davon, eine "Auszeit" nehmen zu wollen. Daran hielt er auch am Dienstagmorgen fest: "Ich mache heute Auszeit und beantworte aus diesem Grund keine Fragen", so Palmer am Dienstagmorgen. Auf die Frage, ab wann er wieder ansprechbar ist, antwortete Palmer, er wisse es nicht. Bereits am Montag hatte er in einer Erklärung angekündigt, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Er wolle versuchen, seinen Anteil an den zunehmend zerstörerischen Verstrickungen aufzuarbeiten. Am Dienstagmorgen meldete sich der Tübinger OB krank, wie eine Sprecherin der Stadtverwaltung mitteilte.
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