Muss man sich um die Demokratie in Deutschland sorgen? Rund 280 Nachfahren von NS-Widerstandskämpfern befürchten genau das. Sie fordern in einem Appell zum Handeln auf.
Rund 280 Nachfahren von Nazi-Widerstandskämpfern haben einen Appell verfasst, in dem sie dazu aufrufen, für die Demokratie zu kämpfen. "Es waren unsere Eltern, Großeltern und Urgroßeltern, die sich dem NS-Unrecht damals als Widerstandskämpfer entgegengestellt haben. Deshalb melden wir uns als Angehörige und Nachkommen heute zu Wort und fordern alle Mitbürger dazu auf, der Neuen Rechten in unserem Land und europaweit die Stirn zu bieten", heißt es in dem offenen Brief, der in der "Berliner Morgenpost" veröffentlicht wurde.
Appell für Demokratie: Enkel von Bundespräsident Theodor Heuss dabei
Mit an dem Appell beteiligt ist die 44-jährige Beraterin Carolin Sadrozinski. Ihr Großvater war Offizier in der Wehrmacht und traf am 20. Juli 1944 eine folgenreiche Entscheidung: Nach dem Attentatsversuch von Claus Schenk Graf von Stauffenberg auf Adolf Hitler gab er die Befehle der Widerstandsgruppe weiter. Doch der Umsturz scheiterte. Joachim Sadrozinski wurde zum Tode verurteilt und gehängt.
Dieses Schicksal, ist den Vorfahren von Ludwig Theodor Heuss erspart geblieben. Sein Vater war im Widerstand aktiv und auch sein Großvater, der spätere Bundespräsident Theodor Heuss, stand den Nazis kritisch gegenüber. Nach dem gescheiterten Hitler-Attentat wurden reihenweise Regimekritiker verhaftet und auch die Vorfahren von Heuss haben mit dem schlimmsten gerechnet: "Meine Großeltern Theodor und Elli haben täglich erwartet, dass sie abgeholt werden. Wie durch ein Wunder ist das nicht passiert", erzählt er. In Basel gibt es ein ganzes Zimmer mit einer Ausstellung, das ganz dieser Familienhistorie gewidmet ist.
Correctiv-Recherche Anlass für Appell
Es sind ihre Familiengeschichten, die das Leben der Nachkommen prägen - und Carolin Sadrozinski und Ludwig Theodor Heuss nun zum Handeln angetrieben haben. Anlass für ihren Appell war der Bericht des Recherche-Netzwerks Correctiv über eine Konferenz bei Potsdam, auf der massenhafte und widerrechtliche Abschiebungen diskutiert wurden. "Da geht es nicht mehr drum, ob mir jemand ein bisschen zu rechts oder ein bisschen zu links ist", sagt Carolin Sadrozinski. "Es geht darum, dass Recht gebeugt werden soll und der Rechtsstaat ist eines der Fundamente unserer Demokratie."
Auch bei Ludwig Theodor Heuss schrillten nach diesen Berichten die Alarmglocken. "Das Spiel mit dem Feuer, mit diesem Gedankengut, das autoritär und undemokratisch ist - das ist im höchsten Maß gefährlich." Die letzten Umfrageergebnisse in Deutschland bereiteten ihm "schlaflose Nächte."
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Nachfahren sorgen sich um Demokratie
Hat Deutschland das Opfer, das Leid und den Mut ihrer Familien so schnell vergessen? Diese Frage treibt die Nachfahren um. "Wenn wir nicht aufstehen, wer macht es dann?", fragt Carolin Sadrozinski. "Die Menschen sind nicht mehr innerlich ergriffen, erschüttert und berührt von dem, um was es doch wirklich geht", meint Heuss. Das Erinnern erschöpfe sich fast achtzig Jahre nach Kriegsende oft in "leeren Ritualen" und die deutsche Erinnerungskultur versage eklatant.
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